29.07.2020

Mama Papillon

Gabriela Dietsche Goldener schenkt der Natur Schmetterlinge. Als weitherum erste Züchterin hat sie andere angeregt, es ihr gleichzutun.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Gert BrudererRaupen und Kleintiere faszinieren die erfahrene Altstätter Kindergärtnerin von klein auf. Im Rahmen einer Intensivweiterbildung vor drei Jahren verbrachte sie u. a. zweieinhalb Tage bei Papa Papillon, den sie als Assistentin durch den Alltag begleitete.Papillon heisst auf Deutsch Schmetterling, der Berner Papa Papillon mit bürgerlichem Namen Marc de Roche. Gleich nach dem Besuch beim Raupenzüchter begann Gabriela Dietsche, angesteckt von Papa Papillons Leidenschaft, in ihrem weitläufigen, naturnahen Garten selbst mit dem Züchten. Sie füttert Raupen, bis sie sich verpuppen. Schlüpft ein Falter, lässt sie ihn fliegen.Für die Aufzucht der Raupen verwendet die 58-Jährige ein Aerarium. Das ist ein luftig- leichter Netzbehälter, der dem Schutz der Raupen dient.Auf der Webseite der Swiss Butterfly Breeders ist Gabriela Dietsche als einzige Züchterin zwischen St. Gallen und Mels aufgeführt.Im Rheintal ist sie somit sozusagen Mama Papillon.In ihrer Nachbarschaft ist allerdings bereits die gleiche Leidenschaft herangewachsen, widmen sich doch zwei weitere Familien der Schmetterlingsvermehrung.Aktion «Ewiger Fenchel» geplantAls Kindergärtnerin hat Gabriela Dietsche schnell erkannt: Raupen und Schmetterlinge interessieren jedes Kind. Ist die Verwandlung vom Ei zum Schmetterling ein Thema, kann sich die Kindergärtnerin im Garten der vollen Aufmerksamkeit der Klasse sicher sein.Für dieses Jahr hatte sie eine Aktion «Ewiger Fenchel» geplant. Das bedeutet, der Fenchel war nicht für die Küche gedacht, sondern als fester Bestandteil des Gartens, wo er Raupen Nahrung bieten kann.Mit jedem Kind einen Fenchel zu pflanzen, wurde vom Coronavirus zwar verhindert, doch dem Ziel stand nichts im Weg: Jedes Kind der Klasse kam zu seinem Fenchel zum Nach-Hause-Nehmen. Ob die Gemüsepflanze hier tatsächlich als «ewiges» Raupenfutter den Weg in den Garten findet, ist natürlich allen Kindern und den Eltern freigestellt.Die Nachbarschaft freut sich mitDer Schwalbenschwanz, der als der schönste einheimische Schmetterling gilt, mag Dill, Rüebli und eben Fenchel. Auch auf der Weinraute fühlt er sich wohl. Die Eier legt das Tier an den Blättern der Futterpflanze ab. Aus der Nachbarschaft, wo Gabriela Dietsches Interesse an Schmetterlingen geteilt wird, erhält sie ab und zu schöne Rückmeldungen. Und wieder, heisst es etwa, habe ein prächtiger Schwalbenschwanz den Garten gequert! Oder es ist, wie diesen Dienstag, unter genauer Beobachtung ein Schwalbenschwanz geschlüpft.Die Züchterin benötigte Geduld. Sie sagt, bis die Bemühung Früchte (bzw. der Fenchel Raupen) trage, vergingen sicher zwei Jahre. Und das Glück, dann auch Schwalbenschwänze im Garten zu haben, sei nicht besonders ausgeprägt. Eher schauen Zitronenfalter vorbei, oder der Admiral, der unter anderem die Brombeersträucher mag. Für die Zitronenfalter hat Gabriela Dietsche letztes Jahr einen Faulbaum gepflanzt. Der schöne Kleine Fuchs, auch Nesselfalter genannt, ist ebenfalls ein regelmässiger Besucher, der die Brennnesseln schätzt und dessen Raupen Gabriela Dietsche auch schon aufgezogen hat. Beim Besuch von «Rheintaler»/«Rheintalische Volkszeitung» im Garten der Altstätterin flattert unverhofft ein Schwalbenschwanz daher, um sich – wen wundert’s – auf Gabriela Dietsches «ewigem» Fenchel niederzulassen. Die unverzügliche Inspektion der Blätter nach dem Weiterflug des Schmetterlings lässt die 58-Jährige frohlocken. Der Schmetterling, der nur ganz kurz verweilte, hat tatsächlich zwei Eier abgelegt.«Diese Show konnte ich nicht bestellen», kommentiert Gabriela Dietsche das seltene Schauspiel.Sodann entwickelte sich dieser Tag (der 23. Juli) zu einem wahren Freudentag, wie Gabriela Dietsche am Abend mit einer Whatsapp-Nachricht zu verstehen gab. Schliesslich sei noch ein weiterer Schwalbenschwanz aufgetaucht, und im Laufe des Nachmittags seien mindestens zehn Eier abgelegt worden, schrieb die Züchterin. Pro Jahr kann sie drei oder vier Schwalbenschwanz-Generationen in die Freiheit entlassen – zehn bis fünfzehn Schmetterlinge pro Generation.«Raupen muss man natürlich mögen»Gabriela Dietsche freut sich über die bunte Vielfalt an Kleinlebewesen in ihrem Garten und lässt als Kindergärtnerin die Kleinen immer wieder an der lebhaften Natur teilhaben. Ob Bienen, Molche, Frösche, Libellen oder die ebenfalls hier lebenden Seidenhühner – stets verfolgen die Kinder gebannt den unübertrefflichen «Anschauungs-unterricht».Klar, Raupen müsse man natürlich mögen, um Schmetterlinge züchten zu können, sagt die Naturfreundin, die sowohl dem Naturschutzverein Altstätten als auch dem Verein Pro Riet angehört.Züchterin präsidiert eine StiftungEinen besonderen Einsatz leistet sie als Präsidentin der Hasler-Sonnenberg-Stiftung.Deren Zweck ist die jährlich wiederkehrende materielle Hilfe für bedürftige Mitmenschen. Die Stiftung ist benannt nach Frieda Hasler (die einst dem Diogenes-Theater ein kostenloses Zuhause gab) und ihrem (heute der Stadt gehörenden) Haus Sonnenberg.Wenn in gut einem Jahr das Diogenes-Theater in die Prest-egg umzieht, stellt sich die Frage, was mit dem prächtigen Garten des Diogenes-Theaters geschieht, dem schönsten in der Stadt, wie auf der Diogenes- Webseite zu lesen ist. Die Stiftung sähe diesen Garten gern erhalten.Gabriela Dietsche sagt: «Und dafür setze ich mich ein.» Nicht nur den Schmetterlingen zuliebe.

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