24.06.2019

Magische Klänge – grosse Musik

Aus Pannen können die schönsten Dinge entstehen. Weil der Cembalist erkrankt war, konnte in der Reihe «sonntags 5 nach 5» in Rebstein das angesagte Programm mit Uraufführung nicht gespielt werden. Da stellten die beiden anderen Mitwirkenden des Konzertes ein neues Programm mit anspruchsvollen, hochvirtuosen Kompositionen für Flöte und Klarinette (einmal für Altsaxofon) zusammen, solo oder im Duett. Diese ungewöhnliche Programmierung liess einen ungewöhnlichen Abend mit exquisiter Kammermusik erwarten. Die ersten Töne hörte man von der Empore, und sie klangen wie eine Orgel. Es war der Beginn der «Sonate modale» des französischen Komponisten Charles Koechlin (1867 – 1950), die die Kirche von Anfang an in einen magischen Klangraum verwandelte. Anja Nowotny-Baldauf, renommierte Soloflötistin beim Symphonieorchester Vorarlberg, und ihr Kollege Markus Beer an der Klarinette verwoben Koechlins ausdrucksvolle Melodielinien zu einem faszinierenden Klanggewebe. Die akustischen Möglichkeiten der Kirche wurden voll ausgereizt: Das «Stück für Klarinette solo» des zeitgenössischen Vorarlberger Komponisten Herbert Willi spielte Beer im Altarraum. Extrem hohe und tiefe Lagen, Triller, eine Art Echorufe – das alles erweckte Assoziationen an ein einsames Alpental. Beim Hören solcher unbekannten zeitgenössischen Kompositionen kann man entweder frei seinen Assoziationen ihren Lauf lassen oder sich auf den Stimmverlauf konzentrieren und dadurch in eine fast meditative Trance geraten. Ins Barock entführte Anja Nowotny-Baldauf dann mit den «Folies d’Espagne» von Marin Marais, einer Komposition für Gambe, hier von der Soloflöte höchst kunstvoll und lebendig vorgetragen. Aus einer Seitenkapelle erklang die «Improvisation (Romani)» des amerikanischen Komponisten R. L. Caravan, deren raffinierte Klangeffekte (z. B. Spaltklänge) Beer scheinbar mühelos aus dem Altsaxofon zauberte. Ein vergnüglicher Höhepunkt wurde «Feelings» der Rankweiler Komponistin Gerda Poppa, Schülerin von Herbert Willi, die ihr Werk selbst vorstellte: Gefühlslagen wie Verliebtheit, Sehnsucht oder ein Streit werden in einer Art Programmmusik charakterisiert, wobei die Flötistin auch mit dem Fuss aufstampfen oder schnarchen muss. Ludwig van Beethovens munteres Duo Nr. 1 für Flöte und Klarinette in C-Dur klang nach diesen Werken aus dem 20. und 21. Jahrhundert wie eine Rückkehr nach Hause. Und doch waren die Ohren an diesem Abend mit so viel spannender neuer Musik verwöhnt worden, dass das begeisterte Publikum Lust auf mehr Konzerte dieser Art bekam. (UL)

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