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Meinung vor 2 Stunden

Lokaljournalismsus ist unter immer grösserem Druck – ihn zu bewahren, nützt allen

Der Lokaljournalismus steht unter Druck wie nie zuvor. Das betrifft betrifft Lokalzeitungen wie den «Rheintaler», aber auch die Leserschaft. Und jene, die keine Zeitung lesen.

Von Yann Lengacher
aktualisiert vor 2 Stunden

Medien in der Region, in der Schweiz und weltweit sind in der Krise. Die Papierzeitungen verschwinden zusehends, die Finanzierung von Online-News ist schwierig. Viele fragen sich wohl: Brauchen wir das überhaupt noch, kostenpflichtige Nachrichten? Unser Redaktor Yann Lengacher ist 27-jährig und weiss um diese Schwierigkeiten. Trotzdem hat er sich für eine Karriere im Journalismus entschieden. Warum? Er hält Journalismus für ein wichtiges gesellschaftliches Gut, besonders im Lokalen. Dessen müsse man sich stärker bewusst sein, findet er.

Der Journalismus ist unter grossem Druck

Dieser Text ist für uns unan­genehm. Er handelt von der immer schwierigeren Lage der ­Lokalmedien. Als Journalistinnen und Journalisten sollten wir uns nicht zu wichtig nehmen, den Fokus auf andere richten. Gleichwohl sind hier unsere Herausforderungen das Thema. Es ist wichtig. Darum sei dieser Widerspruch erlaubt. Denn die Gesellschaft profitiert von gutem Journalismus.

Um zu erklären warum, beginnen wir die Geschichte Anfang September. In allen Rheintaler Gemeinden standen wichtige Entscheide bevor, es sind die Tage vor den Kommunalwahlen. In Balgach kam es zur Kampfwahl ums Gemeindepräsidium. In dieser Zeitung fanden sich Porträts zu allen fünf Kandidierenden. In Altstätten flatterten derweil Flyer in die Briefkästen, in denen ein Politiker als Stadtpräsident gefordert wurde, der gar nicht kandidiert hatte. Wir fragten nach, was es damit auf sich hat und fanden es he­raus. Am Wahlsonntag berichten wir im Liveticker aus allen 13 Rheintaler Gemeinden.

Werden wir über die Lokalwahlen 2028 im gleichen Umfang berichten können? Wir hoffen es! Fakt ist aber: Die Printauflagen sinken weltweit, die Mehrheit ist auch in der Schweiz und im Rheintal nicht bereit, für Online-News zu bezahlen. Das Werbegeld geht an Google oder Meta. Der Teich, in dem wir als Lokalmedium fischen, ist klein.

Diese Ausgangslage ist bekannt und betrifft alle tradi­tionellen Medienhäuser. Zuletzt hat sich die Situation aber schweizweit zugespitzt. Zum Beispiel musste die Online-Plattform «Die Ostschweiz» schliessen. Das Portal gehörte wie «Der Rheintaler» zu Galledia. Betroffen waren zwei Journalistinnen und ein Journalist.

Andernorts sind die Auswirkungen drastischer. Unlängst hat «Tamedia» den Abbau von 290 Stellen bekannt gegeben – mindestens 55 davon betreffen Redaktionen. Das Medienunternehmen gibt unter anderen den «Tagesanzeiger» und den Winterthurer «Landboten» heraus. Das Team von letztgenannter Zeitung geht nun in einer Zen­tralredaktionen auf. Inhalte für Winterthur, der sechstgrössten Stadt im Land, kommen neu aus Zürich.

Journalismus darf  kein Privileg sein

Die Redaktion des «Rheintalers» und der «Rheintalischen Volkszeitung» liegt in Berneck, in der Region, über die wir berichten. Angesichts der Entwicklung sind wir damit zunehmend privilegiert. Doch lokal verankerter Journalismus darf kein Privileg sein. In der Schweiz liegt die politische Macht bei Bund, Kantonen und Gemeinden. Solange das so ist, braucht es auch auf unterster Ebene ­kritische Journalistinnen und Journalisten, die vor Ort sind. Zumal die Gemeinden das Fundament des demokratischen Systems bilden.

Damit sind wir wieder bei den Erneuerungswahlen. Wo niemand Kandidierende vorstellt und Entscheide hinterfragt, ist ein qualifizierter Wahlentscheid kaum möglich. Mehr noch: Wo die vierte Gewalt fehlt, ist auch der Weg für Korruption frei. So weit sind wir noch nicht. Aber gleichgültiges Schulterzucken, entspannt die Lage nicht.

Wert von Journalismus muss zurück in die Köpfe

Was tun? «Der Rheintaler» transformiert sich. Wir investierten in eine App, ein neues E-Paper, eine Webseite und versuchen, unsere Texte den Bedürfnissen der Leserinnen und Leser anzupassen – dazu gehö­ren auch mehr «Good News». Zudem adressieren wir das Publikum auf  Social Media oder im eigenen Posteingang mit unserem Newsletter. Das hat sich teils schon gelohnt.

Das perfekte Finanzierungsmodell ist es aber (noch) nicht. Wie ein solches aussehen könnte, lassen wir hier offen. Gefordert sind aber nicht nur Medienunternehmen, sondern auch die Politik. Angesichts der Lage muss sie schnell zeitgemässe Rahmenbedingungen schaffen.

Letztlich kann aber nur etwas den Fortbestand von Journalismus sichern: Die Anerkennung seines Mehrwerts. Man profitiert selbst, wenn die Nachbarin informiert abstimmt. Indirekt spüren wir es im Portemonnaie, wenn der Gemein­depräsident weiss, dass er eine Steuererhöhung rechtfertigen muss. Von Journalismus profitiert also auch, wer keine Zeitung liest. Es lohnt sich, wenn wir uns als Gesellschaft Jour­nalismus leisten. So, wie wir uns ein Bildungssystem leisten. Obwohl auch das nicht perfekt ist.

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