27.10.2022

Lieber einmal mehr zur Pilzkontrolle

In den letzten Wochen sind sie geradezu aus dem Boden geschossen: Die Pilze. Eine, die sich besonders darüber freut ist Joy von Kameke. Sie hat eben erst die Prüfung als Pilzkontrolleurin abgelegt, als beste Absolventin dieses Jahres.

Von Andrea Kobler
aktualisiert am 02.11.2022
Fast täglich schnürt Joy von Kameke in der Pilzzeit ihre Wanderschuhe und zieht mit dem geflochtenen Pilzkorb in der einen und der Leine von Hund Nubia in der anderen Hand los. Immer richtet sie ein Auge auf den Boden auf der Suche. Joy von Kameke war schon immer fasziniert von Pilzen. Erste Erfahrungen sammelte sie, die in Marbach aufwuchs, als Kind mit ihrer damaligen Nachbarin Marlene Schäpper. Später ging sie mit Bekannten Pilze suchen. Regelmässig frönt sie dem Hobby erst seit rund vier Jahren. Vor gut einem Jahr trat sie dem Pilzverein Appenzell bei, deren Mitglieder sich während der Pilzsaison wöchentlich austauschen. Vieles lernte Joy von Kameke im Selbststudium. «Zuerst ist man zufrieden, wenn man die gängigen Speisepilze wie Eierschwämme, Herbsttrompete oder Parasol kennt. Doch bald will man mehr», erzählt sie.Mit allen Sinnen durch die NaturMit der Zeit weiss man, wo die Speisepilze wachsen: «Denn viele von ihnen sind Mykor­rhiza-Pilze, die eine Lebensgemeinschaft mit einem Baum bilden: «Zum Beispiel Steinpilze, Lärchenröhrlinge oder Eichenmilchlinge.» Doch oft ist es einfach Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. «Dieses Jahr gibt es besonders viele Röhrlinge und Trompetenpfifferlinge», erzählt Joy von Kameke. Besonders gerne mag sie Steinpilze. Ob es bei der Suche auch um den erahnten Speisepilz handelt, erforscht sie mit den Augen, der Nase, der Zunge und der Hand. Doch auch sie kennt nicht alle Pilze: «Beim Pilzesammeln ist vor allem die Erfahrung sehr wichtig. Nur weil du im Pilzbuch ein Bild gesehen hast, kannst du einen Pilz noch nicht richtig bestimmen.»Einen Rosa Saftling entdecktFällt der Entscheid auf einen Pilz, sei es wichtig, diesen nicht einfach auszureissen, sondern ihn aus der Erde herauszudrehen und das entstandene Loch mit Erde zuzudecken. Dies, um das Myzel, den eigentlichen Pilz, beim Pflücken zu schonen. Womit soll sie heute den Korb füllen? Zwei Kilogramm Pilze sind pro Person erlaubt. «Manchmal ist der Korb schon voll, und dann sieht man besonders schöne Exemplare – oder man verzichtet zuerst aufs Sammeln und findet dann keine Pilze mehr. «Es ist jedes Mal eine Überraschung, wie der Korb aussieht, wenn man nach Hause zurückkehrt», lacht Joy von Kameke. Besonders schön ist das Erlebnis, wenn sie einen Pilz findet, den sie bisher nicht entdeckt hat, so wie kürzlich auf einer Führung den Rosa Saftling, eine in der Schweiz vom Aussterben bedrohte und damit geschützte Art.Sammeln, kochen, essenViele Pilzsammler frönen ihrem Hobby, weil sie es einfach spannend finden oder dabei den Kopf von der schreibtischlastigen Arbeit lüften. «Doch bei mir spielt eine wichtige Rolle, dass ich die Pilze gerne koche und auch esse», lacht Joy von Kameke. Überhaupt ist sie gerne in der Küche kreativ und überrascht Freunde und Bekannte mit selbst gemachten Geschenken. Neben getrockneten Steinpilzen sind auch ihre Amaretti und ihre Schokoladenmandeln sehr beliebt.In der Schweiz gibt es rund 300 Speisepilze – Eierschwämme, Champignons oder Violette Lacktrichterlinge. Das Verrückte ist, dass sehr viele Pilze einen Doppelgänger haben, der entweder kein Speisepilz oder gar giftig ist. 57 Vergiftungen mit Pilzen wurden der Tox Info Suisse 2021 gemeldet. Todes­fälle sind allerdings selten. Der letzte bekannte Todesfall we­-gen einer Pilzvergiftung in der Schweiz liegt über zehn Jahre zurück. Über 90 Prozent der Todesfälle führen auf den dem Champignon sehr ähnelnden Grünen Knollenblätterpilz mit hochgiftigen Amatoxinen und Phallotoxinen zurück. Die beste Prüfung des JahrgangesJoy von Kameke hat sich in den letzten Jahren intensiv mit dem richtigen Erkennen von Pilzen auseinandergesetzt. Ende September trat sie schliesslich zur Prüfung zur Pilzkontrolleurin an. Sie musste dabei giftige Pilze erkennen und mit je zehn Merkmalen benennen, das Verhalten bei Vergiftungsfällen erklären, 70 verschiedene Frischpilzarten benennen und frisches Pilzsammelgut prüfen. Sie legte die beste Prüfung ab. Jetzt führt sie für Appenzell und ab nächstem August auch in Altstätten Pilzkontrollen durch und gibt Pilzkurse. Für Einsteiger gebe es eine einfache Regel: «Unter den Röhrenpilzen – mit Schwamm unter dem Hut – gibt es keine tödlich giftigen.» Anders ist es bei den Lamellenpilzen. Hier wird der Pilz schnell verwechselt. «Im Zweifelsfall den Pilz einfach stehen lassen und die Pilze lieber einmal mehr bei der Pilzkontrollstelle zeigen.»

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