09.05.2021

Leserbriefe: Überfordert, fehlender Respekt

Lesermeinungen zu den Spitalschliessungen und zu den bevorstehenden Abstimmungen über die Trinkwasser- und die Pestizidinitiative.

Von Jakob Buschor, Altstätten
aktualisiert am 03.11.2022
Zentrumsspital überfordertEin echter Notfall wird zum Horrortrip. Eine nahe Bekannte, im Rheintal wohnhaft, verspürt am Mittwochabend gegen 19.30 Uhr starke Schmerzen in der Brust, Richtung Hals und Kopf. Ihr Mann alarmierte den Notfalldienst, der gegen 20 Uhr eintraf. Es erfolgte eine erste Untersuchung und die Patientin bekam ein Schmerzmittel verabreicht. Es bestand der Verdacht auf Herzinfarkt. Dann wurde sie in die Ambulanz verlegt, wo auch der Notfallarzt und eine Assistentin dazu kamen. Um etwa 20.30 Uhr wurde ihr Mann, der vor der Ambulanz wartete, informiert, der Zustand sei nun stabil und seine Frau werde ins Kantonsspital überführt. Die Frau müsse bestimmt über Nacht im Spital bleiben, er solle für sie die notwendigen Sachen mitbringen. Ihr Mann war im privaten Pkw der Ambulanz gefolgt. Die Ambulanz traf um 21.10 Uhr in der Notaufnahme ein, wo die Patientin sofort in einen Behandlungsraum gebracht und von verschiedenen Ärzten untersucht wurde. Um etwa 22.15 Uhr wurde der Ehemann von einer Krankenschwester informiert er könne noch kurz zu seiner Frau, dann könne er nach Hause gehen. Die Frau sei stabil, sie müsse aber sicherheitshalber die Nacht noch im Spital bleiben. Nach einem Ultraschalluntersuch um etwa 1 Uhr nachts eröffnete ein Arzt der Frau, die Herzwerte seien wieder normal. Nach einiger Zeit eröffnete der Arzt der Frau, sie könne jetzt nach Hause gehen. Sie hatte keine warmen Kleider, keinen Hausschlüssel und konnte ihren Mann im Rheintal telefonisch nicht erreichen. Ausserdem hatte sie wieder starke Schmerzen. So wurde ihr angeboten, die Nacht im Wartezimmer zu verbringen. Um etwa 1.40 Uhr verliess die Frau die Notfallaufnahme und irrte durch die Stadt. Schliesslich erreichte sie telefonisch eine Freundin, die ihr ein Taxi zurück ins Rheintal vermittelte, wo sie um 3.45 Uhr eintraf.Bei einem Arztbesuch am darauffolgenden Tag wurde bei der Frau eine Lungen-, Herzbeutel- und Brustfellentzündung diagnostiziert. Es bleibt zu hoffen, dass ein solches Verhalten nicht der Massstab für die medizinische Versorgung im Rheintal istJakob Buschor, AltstättenFehlender Respekt«Ein Teufelskreis», Ausgabe vom 5. Mai Ich gehe mit dem Leserbriefschreiber einig, für Betroffene von Betriebsschliessungen ist die Zeit schwierig. Schadenfreude, wenn andere das gleiche Schicksal erleiden, werden sie aber kaum empfinden. Ihr Vergleich ist respektlos und für Arbeitende in der Landwirtschaft sowie deren vor- und nachgelagerten Branchen eine Zumutung. Wenn der zitierte Bauer aus wirtschaftlicher Notwendigkeit die Produktion von Lebensmitteln aufgibt und sich auf Ökologie spezialisiert, braucht er keine Mitarbeiter, keinen Käser, keinen Mechaniker usw. mehr.Ich als Konsument muss mich dann entweder für das ressourcen- und arbeitsintensive, entsprechend teure Schweizer Bioprodukt oder für das aus aller Welt importierte Billigprodukt entscheiden. Ob am Schluss ein Mehrwert für Mensch, Tier und unsere Umwelt bleibt, ist fraglich.Urs Hutter, KriessernWollen wir uns sauberes Trinkwasser leisten?Im Mai 2020 hat das Bundesamt für Umwelt (Bafu) erst-mals Zahlen zur Chlorothalonil-Belastung des Schweizer Grundwassers veröffentlicht. Sie sind besorgniserregend: In 15 Kantonen würden die Chlorothalonil-Abbauprodukte die Grundwasserqualität «erheblich beeinträchtigen», so der Bund. Dabei liegen noch gar nicht für alle Abbaustoffe Daten vor. Betroffen sind vor allem Kantone im landwirtschaftlich intensiv genutzten Mittelland.Seit einem Jahr höre ich vom Gros der Volksvertreter in der Politik: «Die Gesundheit der Bevölkerung steht an erster Stelle.» Koste es, was es wolle, könnte man noch ergänzen. Deshalb ist es für mich naheliegend, dass sich dieselben Politiker nun mit Vehemenz für sauberes Trinkwasser einsetzen, denn: «Die Gesundheit der Bevölkerung steht an erster Stelle.» Hier gehören wir alle der «Risikogruppe» an. Trinkwasser konsumiert jeder täglich, vom Säugling bis zum Greis. Während die Langzeitfolgen von Covid-19, auch «Long Covid» genannt, noch wenig erforscht sind, weiss man über die Langzeitfolgen von krebserregenden Stoffen leider genug. «Koste es, was es wolle» darf nun also auch hier das Credo sein. Oder lassen wir zu, dass ein Berufsstand, die Landwirte, angeblich nur überleben kann, wenn er weiterhin trinkwasserbelastende Substanzen verwendet? Können wir es uns nicht leisten, mögliche Ertragsausfälle mit Ausgleichszahlungen zu kompensieren, sodass auch nicht zwingend eine Preiserhöhung für die Konsumenten entsteht? Ausgleichszahlungen, mit denen wir in früheren Zeiten auch schon Milch-, Butter- und Fleischberge mitfinanziert haben? Warum diese nicht gezielt für die Gesundheit der ganzen Bevölkerung einsetzen? Darum wünsche ich mir von all den Politikern, die sich im vergangenen Jahr rührend, aber ungefragt um meine Gesundheit gekümmert haben, zweimal klar «Ja» zu Trinkwasser- und Pestizidinitiative. Oder wollen wir uns sauberes Trinkwasser nicht leisten?Sonja Zünd, Altstätten

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