20.08.2019

Lernende halfen beim Hausbau in Bosnien

Elf Lehrlinge und vier Betreuer der Plaston AG halfen eine Woche lang mit, zwei Häuser in Srebrenica aufzubauen.

Von Benjamin Schmid
aktualisiert am 03.11.2022
In diesem Jahr reisten elf Lehrlinge und vier Betreuer zum ersten Mal für einen gemeinnützigen Arbeitseinsatz ausser Landes. Die Reise führte sie am 3. August nach über 20-stündiger Fahrt in den Nordosten von Bosnien und Herzegowina nach Srebrenica.Während die Begleitpersonen das Massaker von Srebrenica 1995 medial verfolgt hatten und vom Völkermord an bosnisch-muslimischen Männern und Jugendlichen erfuhren, waren die elf Lehrlinge damals noch nicht geboren. Daher stand nach der Anreise der Besuch des Friedhofs und der Gedenkstätte Potocari auf dem Programm. «Vom Hörensagen kannte ich das Massaker», sagt Konstrukteurin Jessica Hauri aus Rorschacherberg. Doch das beklemmende Gefühl, das die 23-Jährige bei der Besichtigung beschlich, hielt noch einige Stunden an.Am Abend seien alle zusammengesessen und hätten von ihren Gefühlen und Eindrücken erzählt. «Es war brutal, was damals geschah», sagt Kunststofftechnologe Amar Begic aus Rheineck, dessen Vorfahren aus Bosnien-Herzegowina stammen. Für alle war es ein eindrückliches, aber ebenso bedrückendes Erlebnis. «Es ist krass, wenn man zwischen den vielen Gräbern herumgeht», sagte der angehende Kaufmann Ardit Avdiji aus Widnau, «viele Häuser sind immer noch zerstört und mit Schusslöchern versehen.» Jessica Hauri bringt es auf den Punkt: «Die Wunden von damals sind zwar verheilt, die Narben aber immer noch sicht- und spürbar.»Mit Tränen in den AugenDie Lehrlinge waren nicht für einen «Land-, Leute- und Kultur-Trip» nach Bosnien-Herzegowina gereist, sondern um zwei Familien beim Bau eines eigenen Hauses zu helfen. Über die Salzburger Hilfsorganisation «Bauern helfen Bauern» beteiligten sich die Jugendlichen am Aufbauprogramm und betätigten sich in zwei Teams auf verschiedenen Baustellen. Zusammen mit drei ausgebildeten Handwerkern arbeiteten sie vier Tage auf Hochtouren. «Alle waren top motiviert», sagt Ardit und Jessica fügt an: «Wir sind zu einem eingespielten Team zusammengewachsen und haben am gleichen Strick gezogen.»Die Lehrlinge waren derart produktiv, dass sie das Haus einen Tag früher als geplant fertigstellten. Verwaltungsratspräsident Jörg Frei übergab während einer kleinen Zeremonie die Hausschlüssel an die zukünftigen Besitzer, die ihr Glück kaum fassen konnten. «Sie alle waren den Tränen nahe», sagt Jessica Hauri, «es war ein bewegender Moment, in die glücklichen Gesichter der Hausbesitzer zu schauen.» Die Arbeit war intensiv. Um sieben Uhr standen die Lernenden auf, assen Frühstück und machten sich kurz vor acht Uhr auf den Weg zur Baustelle. Sie sägten und verarbeiteten Holz, dichteten ab und dämmten, hielten Ordnung, hämmerten und deckten das Dach. Insgesamt transportierten sie 720 Ziegel à 2,5 Kilogramm, was einem Gewicht von knapp zwei Tonnen entspricht.«Die Woche war anstrengend, ging aber schnell vorbei», sagt Jessica Hauri, derweil Ardit Avdiji die Zeit etwas lang vorkam: «Als angehender Kaufmann fühlte ich mich nicht so wohl auf der Baustelle.» Nach der Arbeit blieben die Jugendlichen oft noch eine Weile vor Ort und unterhielten sich mit den Einheimischen. «Wenn Amar nicht gerade für uns übersetzte, verständigten wir uns mit Händen und Füssen», sagte Jessica Hauri. Unter den Jugendlichen herrschte eine gute Stimmung, man lernte sich kennen und wuchs zu einer verschworenen Gemeinschaft zusammen. Meistens spielten sie Karten, schwatzten miteinander oder erzählten sich Witze. «Keinen störte es, dass es keine Clubs und Bars in der Umgebung hatte und dass das Internet nur bedingt funktionierte. Man war fast eine Woche offline und litt absolut nicht unter Entzug.«Lieber Cevapcici als Ziegenfleisch»Reich an Erfahrungen kehrten die Jugendlichen nach Hause zurück. Sie hatten freundliche, offene und sehr dankbare Menschen getroffen, nicht nur die Kultur, sondern auch die Sprache der Einheimischen etwas kennen gelernt und die ausgeprägte Gastfreundschaft der Bosnier genossen. Glücklicherweise blieb man auch unfallfrei. Als Dank für die Hilfe beim Hausbau wurde am Schluss eine Ziege auf traditionelle Art geschlachtet. «Das war nicht mein Ding», sagte Jessica Hauri, «ich konnte weder zusehen noch das Fleisch probieren.» Ardit Avdiji hingegen testete das Ziegenfleisch: «Es war nicht schlecht, aber ich mochte Cevapcici bedeutend lieber.» Kasten:LehrlingsfondsAnlässlich des 50-Jahr-Jubiläums der Plaston AG hatte Inhaber Roland Frei 2006 einen Lehrlingsfonds gegründet. Aus dem Fonds werden ausserbetriebliche Aktivitäten bezahlt. So besuchten die Lehrlinge in den letzten Jahren einen Koch- und einen Kunstkurs, lernten den firmeneigenen Produktionsstandort in Tschechien kennen oder halfen einem Walliser Bergdorf mit gemeinnütziger Arbeit. (bes)

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