Alle acht schnellsten 100-m-Läufe ihres Lebens bestritt die 25-jährige Riccarda Dietsche im letzten Jahr. Ihre persönliche Bestzeit unterbot sie um zwei Zehntelsekunden, den neuen Richtwert (11,41 s) stellte sie im Juni an den Schweizer Meisterschaften in Langenthal auf.Deshalb sagt sie: «Ich bin eine Gewinnerin der Olympia-Verschiebung». Denn 2020, dem ursprünglich geplanten Termin für die Sommerspiele, wäre ein Einsatz in Tokio aufgrund der Resultate wohl nicht möglich gewesen.Historisches Ergebnis mit der SprintstaffelIhr leichtestes Rennen war die Rheintaler Sportlerinnenwahl: Gegen drei Nachwuchsathletinnen setzte sich Riccarda Dietsche deutlich durch. Damit wurde zum fünften Mal in Folge eine Leichtathletin «Sportlerin des Jahres», zum ersten Mal die einzige Rheintalerin, die an Olympischen Spielen starten konnte. Dietsche war erst vor zwei Jahren erstmals nominiert worden, damals wurde sie Zweite hinter Dreispringerin Alina Tobler. Als Sprinterin ist es in der Schweiz schwer, auf sich aufmerksam zu machen: Mujinga Kambundji und Ajla Del Ponte gehören zur Weltspitze, in Tokio standen beide im 100-Meter-Final. «Dieses Ergebnis hat mich auch beflügelt», sagt Dietsche. In einer Staffel mit zwei Finalistinnen zu laufen, sei ein gutes Gefühl.Hinter den Topnationen Jamaika, USA und Grossbritannien wird die Schweiz Olympia-Vierte, ein historisches Ergebnis, schon die Finalquali war eine Premiere. Der vierte Rang ist aber auch der erste Platz neben dem Podest.«Die Enttäuschung darüber ist bei mir aber schnell verflogen», sagt Riccarda Dietsche. Sie hält sich daran fest, dass starke Länder wie Deutschland, Holland oder Frankreich das Nachsehen hatten. «Für meine Kolleginnen, die schon mehrmals Vierte wurden, sieht die Sache aber wohl etwas anders aus.»Wegen der Verschiebung von «Tokio 2020» dauert es bis zu den nächsten Olympischen Spielen nur drei Jahre. Selbstverständlich hat Riccarda Dietsche ihren Fokus bereits auf Paris 2024 gelegt. Der kürzere Zyklus erleichtere es, die Spannung so lange hochzuhalten.Unterdessen arbeitet sie akribisch wie bis anhin an der Erfüllung ihrer individuellen Ziele. Dies vollberuflich zu machen, sei für sie aus finanziellen Gründen keine Option. Riccarda Dietsche unterrichtet in einem Teilpensum als Primarlehrerin in Widnau: «Für mich passt diese Lösung, so habe ich einen Ausgleich zum Sport. Und ich bin auch schon mal an die Olympischen Spiele gekommen, ohne Profi zu sein.»