22.07.2022

Leidenschaft fürs Kleinformat

Der Bernecker Gino-Enrico Kaufmann ist vor sechs Jahren zum Sammler mit ehrgeizigen Zielen geworden.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 02.11.2022
Als der gelernte Metallbaukon­strukteur von einem längeren Studienaufenthalt in Luzern nach Berneck zurückkam, kaufte er zusammen mit der Mut­ter das Haus, in dem er heute wohnt. Mit seiner Absicht zum Hierbleiben ging eine Hinwendung zum Dorfgeschehen einher, die ihn vor drei Jahren Präsident des Gemeinnützigen- und Verkehrsvereins werden liess.Gino Kaufmanns Blick auf Berneck hat in ihm die Sammelleidenschaft geweckt. Zurück im Dorf, begann er, Ansichtskarten, Stiche und andere Stücke zusammenzutragen, auch Firmencouverts, alte Rechnungen, topografische Karten. Dieses neue Hobby wiederum beflügelte die Lust auf Wissen. Welche Vergangenheit hat ein bestimmtes Gebäude, wie lebten die Menschen in früherer Zeit?    Mehr zu erfahren, heisst mehr lesenUnweigerlich entsprang solcher Neugier die Freude am Lesen, der Drang, Nachforschungen anzustellen. «Fesselt mich ein Bild, ein Anblick, erforsche ich den geschichtlichen Hintergrund», sagt Gino Kaufmann, der das Personal sowohl des Staatsarchivs als auch des Bundesarchivs als hilfsbereit und zuvorkommend erlebt.Die Beschäftigung mit Lokalgeschichte hat den Blick geweitet und dazu geführt, dass Gino Kaufmanns Sammelleidenschaft inzwischen auf das ganze Tal gerichtet ist. Unter den vier- bis sechstausend Ansichtskarten, die der Technische Berater schon besitzt, finden sich etwa 1600 Stück mit Altstätter Sujets. Auch dem Vorderland und dem Vorarlberg gilt das Interesse Gino Kaufmanns, obschon die Sammler jenseits der Landesgrenze «keine Freude haben, wenn man ihnen etwas Schönes wegschnappt», meint der Sammler lächelnd.Die Leidenschaft hat eine monetäre GrenzeBesonders freut den 35-Jährigen eine im letzten Herbst gekaufte Ansichtskarte. Auf ihr ist eine schöne Aussicht festgehalten, mit Blick von der Meldegg (Walzenhausen) auf Berneck. Es sei «nüt Verruckts för Ussestehendi», mutmasst der Sammler, aber ihm gefalle dieses Bild, die Art der Darstellung. Insofern geht der bezahlte Preis von zwölf Franken in Ordnung.[caption_left: Dies ist eine der Karten, die den 35-Jährigen besonders freuen. Er hat sie letzten Herbst für zwölf Franken erworben. Auf der Karte fällt der Blick von der Meldegg auf Berneck.]Dagegen sind die 150 Franken für eine Karte mit früherer Oberrieter Ziegelei nicht unbedingt ein Schnäppchen, aber Gino Kaufmann wollte diese Karte unbedingt. Er sagt, so hohe Preise zahle er normalerweise nicht. Hingegen zahlten Sammler für Rheintaler Sujets immer wieder drei-, wenn nicht vierhundert Franken, meint der Sammler, der sich seit 2018 als Präsident der Freidenkenden Ostschweiz für die strikte Trennung von Kirche und Staat einsetzt.Schon bei der Lehrabschlussprüfung war die Ahnenforschung für Gino Kaufmann ein Thema. So entstand ein engerer Kontakt zu Jakob Schegg, Bernecks früherem Gemeindepräsidenten, der schon für viele Familien einen Stammbaum erstellte.Die alte Schrift in Büchern bereitet Kaufmann keine Mühe, und um Handschriftliches lesen zu können, hat er vor einigen Jahren in St. Gallen einen Schriftenlesekurs besucht. Er gehört dem Philatelisten-Verein Rheintal sowie der Ansichtskartensammler-Vereinigung Schweiz an und ist Mitglied der GHGO, der ostschweizerischen Vereinigung für Familienforschung. Gino Kaufmann fotografiert auch gern selbst, inzwischen fehlt ihm allerdings die Zeit.Ein schönes Buch ist am EntstehenSein Hobby, mit dem er sich täglich beschäftigt, ist aufwendig. Er digitalisiert alle Ansichten, wofür er sich einen guten Scanner gekauft hat, und beschriftet alle seine Stücke.Die Ansichten Museen und Interessierten kostenlos zur Verfügung zu stellen, ist ihm genauso ein Anliegen wie die Zusammenstellung eines Buches mit alten Bernecker Fotografien aus der Zeit vor 1940.Am (weit fortgeschrittenen) Buchprojekt sind Erich Gubelmann von der Museumskommission, Karl Schwendener als gelernter Fotograf sowie – als Buchdesigner – Thomas Langer beteiligt.Sommerserie mit alten AnsichtenGino-Enrico Kaufmanns Leidenschaft für alte Ansichten nimmt die Redaktion zum Anlass für eine kleine Serie. In mehreren Beiträgen werfen wir einen Blick zurück auf Plätze, Gebäude und Begebenheiten früherer Jahrhunderte. Los geht's mit Oberriet, dessen früherem Postplatz und dem einstigen Fährbetrieb.

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