Nicht jede Firma erfüllt alle Voraussetzungen, um Jugendliche kaufmännisch auszubilden. Der im Raum St. Gallen aktive Verein Berufslab hilft solchen Betrieben und möchte nun auch im St. Galler Rheintal Fuss fassen.Als Ausbildungsleiterin wirkt seit April die Widnauerin Désirée Bartl. Angestellt ist sie beim Kaufmännischen Verband Ostschweiz. Dessen neue Standortleiterin seit 1. Juni, Rosmarie Obermayer-Marra, ist bei Berufslab strategische Leiterin. Sowohl den Kaufmännischen Verband als auch den Verein Berufslab präsidiert Felix Bischofberger aus Altenrhein.Den Lohn erhalten Lernende von BerufslabMan stelle sich ein kleines Ingenieurbüro vor, das gern jemanden kaufmännisch ausbilden würde, allein jedoch nicht in der Lage ist, die anspruchsvolle Aufgabe zu erfüllen. So kann es sich zum Beispiel mit einer Bodenbelagsfirma und einem Altersheim zusammentun, wie dies konkret geschehen ist. Gemeinsam bilden die drei Arbeitgeber einen Lehrbetriebsring, wobei der oder die auszubildende KV- Lernende bei jeder der drei Firmen je ein Jahr verbringt.Die beteiligten Unternehmen überweisen nicht dem Lehrling einen Lohn, sondern bezahlen dem Verein Berufslab monatlich einen Betrag, der – je nach Lehrjahr – um 560, 760 oder 830 Franken über dem Lehrlingslohn liegt, und bekommen dafür die administrative Arbeit abgenommen. Den Lehrvertrag schliessen die Lernenden mit dem Verein Berufslab ab, der zusammen mit den beteiligten Lehrbetrieben u. a. das individuelle Ausbildungsprogramm für den jeweiligen Betrieb erarbeitet und sich um das Personelle kümmert. Der Verein ist erste Anlaufstelle für Ämter, Berufsschulen und Lehrbetriebe, zahlt die Lehrlingslöhne aus und führt alle ordentlichen sowie ausserordentlichen Gespräche mit den Lernenden. Ausserdem begleicht der Verein viele anfallende Kosten wie Diplomgebühren, Schulmaterial oder Rechnungen für überbetriebliche Kurse.Beim erwähnten Beispiel mit Altersheim, Bodenbelagsfirma und Ingenieurbüro lernt der oder die Lernende während je eines halben Jahres die Kreditorenabteilung und das Sekretariat im Altersheim kennen. Bei der Bodenbelagsfirma wird ein weiteres Jahr im Einkauf und im Verkauf zugebracht, und beim kleinen Ingenieurbüro besteht die Möglichkeit, zu sehen, wie ein KMU (und vernetztes Denken) funktioniert. Jugendliche, die auf diese Weise ihre Lehre absolvieren, sehen schon während der breit gefächerten Ausbildung in verschiedene Unternehmen hinein und verfügen früh über ein ansehnliches Netzwerk.40 KV-Lernende im Rheintal als ZielIm St. Galler Rheintal hat der Verein Berufslab erst einen Partner, dafür einen gewichtigen – die Stadler Rheintal AG. In einer neu entstehenden Broschüre meint die Praxisbildnerin von Stadler, der Schienenfahrzeughersteller sei bei Berufslab dabei, weil man nicht alle Anforderungen der KV-Ausbildung erfülle und so trotzdem einen «wichtigen Beitrag zur Berufsbildung leisten» könne. Désirée Bartl und Rosmarie Obermayer haben sich vorgenommen, diese Möglichkeit im Rheintal stark zu fördern und in fünf Jahren etwa 40 Lernende als Lehrvertragspartner zu betreuen.Dieses Ziel bedeutet, dass der Verein Berufslab auf die Zusammenarbeit mit etwa 20 Lehrbetriebsringen hofft. Einen derartigen «Ring» können beispielsweise auch die Kanzlei eines Rechtsanwalts und ein Treuhandbüro bilden.Weil die Firma Stadler künftig zwei Lernende für je zwei Jahre zu sich nehmen will, werden für das dritte Lehrjahr ein oder zwei ergänzende Betriebe gesucht, wo die Lernenden zum Beispiel intensiv mit dem Verkauf, der Logistik, dem Finanz- oder dem Personalwesen zu tun hätten. Bei einer erfolgreichen Entwicklung im Rheintal will Berufslab hier eine Tochterfirma gründen.Sogar eine Sport-KV- Lehre ist vorgesehenAls Besonderheit für die nahe oder mittlere Zukunft ist eine Sport-KV-Lehre für Sporttalente angedacht. Diese Ausbildung soll vier Jahre dauern, wobei der oder die Lernende zunächst während zwei Jahren die United School of Sports besucht und dann ein zweijähriges Praktikum in einem oder mehr Betrieben absolviert. Dass die Betreuung lernender Sportlerinnen oder Sportler eine gewisse Beweglichkeit des Ausbildungsbetriebs erfordert, weiss niemand besser als Désirée Bartls Gatte Alexander Bartl, der auf eine lange Zeit als Unihockey-Spieler sowie Trainer/Betreuer zurückblickt. Mit seiner Anwaltskanzlei würde Alexander Bartl eine Sport-KV-Ausbildung gern als Arbeitgeber unterstützen.Désirée Bartl hat einst selbst KV-Lehre gemachtIn aller Regel kümmert sich der Verein Berufslab auch um die Rekrutierung der Lernenden – eine Aufgabe, mit der nach den Sommerferien wieder begonnen wird.Nachdem der Verein mehrere personelle Wechsel hinter sich und deshalb sein Wirkungsfeld eher etwas vernachlässigt hat, ist Désirée Bartl Feuer und Flamme, die «Ausbildung im Netzwerk» ins Rheintal zu bringen. Die 37-Jährige hat bei SFS einst die KV-Lehre gemacht, arbeitete fünfeinhalb Jahre auf dem Marbacher Schulsekretariat, absolvierte die Gemeindefachschule, liess sich zur Erwachsenenbildnerin ausbilden und wird voraussichtlich in einem Jahr auch eidgenössisch diplomierte Ausbildnerin sein. Désirée Bartl hat drei Kinder, eine Tochter im grossen Kindergarten, einen Sohn in der dritten Klasse sowie einen Sohn, der soeben die Ausbildung abgeschlossen hat – als Medizinischer Praxisassistent.