21.05.2020

Lebensglück mit Tabak und Gold

Auf dem Henri-Dunant-Platz in Heiden ist eine Plakatausstellung zu Ausserrhoder Kolonialhändlern zu sehen.

Von Astrid Zysset
aktualisiert am 03.11.2022
Johannes Küng-Mösli (1836 – 1908) führte ein bürgerliches Leben in Heiden. Er leitete die Pension Paradies am Postplatz, hatte drei Töchter und war im Gemeinderat. 1870 erreichte ihn ein Brief seines Bruders Hermann Küng-Ganno, der auf Sumatra eine Tabakplantage betrieb und schrieb, er mache das grosse Geld. Küng-Mösli brach seine Zelte in Heiden ab und zog nach Sumatra. Was ihn erwartete, damit hatte er aber nicht gerechnet: Sein Bruder war Opfer eines Raubmordes geworden, der neu angekommene Johannes hatte Mühe, die Plantage unter Kontrolle zu bringen.Das Leben auf Sumatra war nicht einfach. Die kolonialen Strukturen der Niederländer griffen noch nicht in allen Landesteilen, Tropenkrankheiten und Auseinandersetzungen mit einheimischen Ethnien waren allgegenwärtig. Doch Johannes Küng-Mösli setzte sich durch. 1881 kam er zurück nach Heiden – mit einer Python im Gepäck –, legte sich zu Hause einen Garten mit exotischen Pflanzen an und starb schliesslich 1908.Den Lebensabend in der Heimat verbringen«Die Python hat den ersten Winter hier nicht überlebt», sagt Museumsleiter Marcel Zünd. Ein Präparat des Tieres ist ausgestellt. Auch ein Batakhaus soll Küng-Mösli der Überlieferung nach ins Vorderland transportiert haben. Zu Gesicht bekam es jedoch nie jemand.So oder so: Die Biografien der Kolonialhändler könnten spannender kaum sein. In einer Sonderausstellung werden deren vier aufgearbeitet. Neben den Brüdern Küng machte auch Johann Conrad Sonderegger (1834 – 1885) sein Vermögen in der Ferne. Er handelte mit Zucker und Kaffee. Und Johann Traugott Zimmermann-Sonderegger (1854 – 1918) zog Gewinn aus dem Geschäft mit Textilien und Goldminen. Nur zwei von den Vieren kamen im späteren Verlauf ihres Lebens wieder nach Europa zurück. Johann Conrad Sonderegger überlebte seine Heimreise nicht. In Amsterdam erwachte er nach einer Leberoperation infolge einer Malariaerkrankung nicht mehr.Vorgeschmack auf eigentliche AusstellungDas Museum Heiden hat eine ethnografische Sammlung mit Objekten aus «Niederländisch-Indien» (heute Indonesien) aus dem späten 19. Jahrhundert. «Wir wollten schon länger etwas daraus machen», sagt Stefan Sonderegger, Präsident des Historisch-Antiquarischen Vereins. Die Idee zur Ausstellung wurde nun umgesetzt. Verantwortlich dafür war Ralph Harb, Gestalter und Vorstandsmitglied des Museums. Coronabedingt findet die Ausstellung vorerst unter freiem Himmel statt. «Wir bieten einen Vorgeschmack auf das, was folgt», sagt Zünd. Vorgesehen ist, am 19. Juni die Ausstellung «Ferne Welten – fremde Schätze» im Museum zugänglich zu machen.Die meisten Museen setzen wegen der Pandemie auf digitale Lösungen. Das Museum Heiden schlägt einen anderen Weg ein: «Von digitalen Angeboten hat man irgendwann genug», so Sonderegger weiter. «Wir wollten etwas Besonderes bieten und realisierten darum die Open-Air-Ausstellung.»Die Schweiz und ihre Rolle im KolonialismusZu sehen sind auf dem Henri-Dunant-Platz 14 Plakate. Sie erzählen die Biografien der vier Ostschweizer «Indien-Gänger», die auf Java und Sumatra lebten. Ihre Lebenswege sollen das Schweizer Unternehmertum in den kolonialen Strukturen veranschaulichen. Die Schweiz war stärker involviert, als gemeinhin angenommen wird. Auch im Solddienst waren Schweizer unterwegs, auch viele in niederländischen Diensten. Vor allem wirtschaftlich profitierten viele, indem sie im Textilhandel mitwirkten oder Plantagen betrieben. Die Aufarbeitung der Kolonialgeschichte aus Ausserrhoder Sicht schliesse eine Lücke in der Forschung, sagt Sonderegger. Die Sammlung wurde mit Leihgaben ergänzt, die von den Nachkommen der vier Kolonialhändler zur Verfügung gestellt wurden. Finanzielle Unterstützung leisteten die Gemeinde, der Kanton und die Fred-Styger-Stiftung.Astrid Zysset

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