09.03.2021

Langsamkeit als inoffizielle Pflicht

Auf der Flurstrasse soll man künftig nicht schneller fahren als 30 km/h. Mehr oder weniger freiwillig.

Von Max Tinner
aktualisiert am 03.11.2022
Anwohner sind der Meinung, dass auf der Flurstrasse allzu schnell gefahren wird. Sie wandten sich mit dem Anliegen an die Gemeinde, man möge etwas dagegen unternehmen. Der Gemeinderat will die Wohnquartierstrasse nun verkehrsberuhigen.Geschwindigkeitsmessungen seien zwar keine gemacht worden; insofern beruhten die Reklamationen der Anwohner auf subjektiver Wahrnehmung, räumt Gemeindepräsident Alexander Breu ein. Es seien aber Schwellen entfernt worden, welche die Autofahrer zuvor zum Abbremsen gezwungen hatten. Wegen der nun fehlenden Hindernisse sind die Beschwerden über Schnellfahrer und womöglich auch Zu-schnell-Fahrer für den Gemeinderat plausibel.Es sollen nun aber nicht einfach wieder die früheren Schwellen verlegt werden, die das Befahren der Strasse unkomfortabel machten. Vielmehr soll an beiden Enden der Strasse ein Schild «Freiwillig Tempo 30» aufgestellt werden.Etwa so verbindlich wie ein WerbeplakatEine solche Beschilderung ist nicht offiziell und deswegen rechtlich auch nicht verbindlich, «nicht mehr als ein Werbeplakat», sagt Werner Lendenmann, Leiter Verkehrstechnik bei der Kantonspolizei St. Gallen. Die auf Freiwilligkeit beruhende Tempobeschränkung ist zudem umstritten. Die Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu) etwa rät den Gemeinden davon ab. Wer nicht ohnehin schon vernünftig genug ist und so langsam fährt, wie es in einem Wohnquartier angebracht ist, wird sich auch von einem Freiwillig-Tempo-30- Schild kaum beeindrucken lassen, heisst es in einem Merkblatt der bfu sinngemäss. Hingegen vertrauten Anwohner – Erwachsene genauso wie Kinder – auf eine Wirkung der Tafeln und wiegten sich in falscher Sicherheit. Das mache die Freiwillig-Tempo-30-Beschilderung in vielen Fällen kontraproduktiv.Das muss aber nicht zwingend so sein: «Auf der Amtackerstrasse haben wir mit Freiwillig-30 sehr gute Erfahrungen gemacht», hält der Gemeindepräsident von Marbach fest. Dort habe sich der Gemeinderat seinerzeit wegen der guten Erfahrungen benachbarter Gemeinden für Freiwillig-30 entschieden.Tatsächlich hat beispielsweise Altstätten zunächst reguläre Tempo-30-Zonen eingerichtet, in denen die herabgesetzte Höchstgeschwindigkeit verbindlich ist. Eine Tempo-30- Zone wird aber in der Regel nicht für einen einzelnen Strassenzug verfügt, sondern über alle Strassen eines Wohngebiets.  Das dafür nötige Verfahren ist zudem aufwendiger und deswegen gleich einmal um einiges teurer. So sind Gutachten nötig, Geschwindigkeitsmessungen und zusätzliche amtliche Publikationen. Die Stadt setzt darum vermehrt auf die günstigere, weniger komplizierte Lösung.Mit der Beschilderung ist es nicht getanDie Kantonspolizei lässt dies zu. «Wir machen zwar keine Werbung dafür, sagen aber nicht, man dürfe es nicht», meint Verkehrstechnik-Chef Lendenmann. Er betont aber, dass es mit Freiwillig-30-Plakaten nicht getan ist. Die verkehrsberuhigende Wirkung komme nicht von diesen, sondern von zusätzlichen baulichen Massnahmen. Auch an der Flurstrasse sind solche vorgesehen, mehrere bepflanzbare Tröge, ähnlich jenen an der Amtackerstrasse. Auf Höhe einmündender Quartierstrassen sollen ausserdem Markierungen den Rechtsvortritt hervorheben. Für solche Massnahmen ist die Kantonspolizei genauso beizuziehen wie für ähnliche in den regulären Tempo-30-Zonen. Ausserdem ist ein Planauflageverfahren nötig.«Im Idealfall pendelt sich hier die durchschnittlich gefahrene Geschwindigkeit tatsächlich bei 30 km/h ein», sagt Werner Lendenmann. Führt die Polizei allerdings Kontrollen durch, wird für sie nicht Tempo 30 massgebend sein. Grundsätzlich gelte auf einer Strasse mit einer Freiwillig-Tempo-30- Beschilderung wie anderswo innerorts Tempo 50.Bei aller Freiwilligkeit: 50 km/h wären zu schnellDas bedeutet aber nicht zwingend, dass 50 km/h toleriert werden. Die Geschwindigkeit ist den Strassenverhältnissen anzupassen, erinnert Lendenmann: «Genauso, wie Sie auf der Autobahn bei Schnee keine 120 km/h fahren dürfen, können 50 km/h auf einer Quartierstrasse zu schnell sein, wenn zum Beispiel Kinder am Strassenrand spielen.» Auch die Kurvenfahrt um die Pflanztröge herum dürfte mit 50 km/h zu schnell sein. Was zu schnell ist und was gerade noch so drin liegt, wird Ermessenssache der kontrollierenden Polizeiequipe sein. Eine Strasse weiter sind parkierte Autos ein ProblemAuch auf der Gehrenmoosstrasse, die parallel zur Flurstrasse verläuft, soll der Verkehr neu geordnet werden. Hier sind weniger die fahrenden Autos ein Problem als die parkierten. Manchmal stünden so viele Autos beidseits der Strasse, dass es wegen der eingeengten Sichtwinkel beim Herausfahren aus den Hauszufahrten gefährlich werde, erklärt Gemeindepräsident Alexander Breu. Auch die Sicherheit von Velofahrern und Fussgängern sei bei zu vielen beidseits der Strasse parkierten Autos nicht mehr gewährleistet.Hinzu kommt, dass es unten an der Gehrenmoosstrasse Gewerbebetriebe gibt – nicht zuletzt die Disco Möbel. Deswegen sind hier im Vergleich zu einer reinen Wohnquartierstrasse vermehrt auch Lieferwagen und Lastwagen unterwegs, für die die Durchfahrt schwierig werden kann, wenn beidseits der Strasse Autos zu nahe beieinander parkiert sind.Wenn beidseits der Gehrenmoosstrasse zu viele Autos parkiert sind, wird’s gefährlich, vor allem im Bereich der Hauszufahrten. Die Lösung des Problems ist darum anders als gut 200 Meter weiter an der Flurstrasse keine Freiwillig-Tempo-30-Beschränkung. Stattdessen sollen Parkfelder markiert werden. Das Parkieren wird dann nur noch in diesen erlaubt sein. Stellt man sein Auto anderswo entlang der Strasse ab, droht eine Busse.Auch diese Verkehrsmassnahme sei mit der Kantonspolizei abgesprochen, hält Alexander Breu fest. Hinweis: Der Gemeinderatsbeschluss und der Plan zu der auf der Flurstrasse vorgesehenen Verkehrsberuhigung liegen noch bis 26. März auf der Gemeindeverwaltung auf.

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