Gert BrudererEntstanden ist eine kleine Broschüre. Sechs Jahre lang dauerte es, bis sie vorlag. Nun erfährt der Autofahrer vieles, was auch ihm nützt, wenn er es beachtet. Langsam fahren, Abstand wahren, beispielsweise.Der Schweizerische Verband für Pferdesport hat die Broschüre herausgegeben, alle Pferdesportvereine des Rheintals halten sie für wichtig. Das sind namentlich der von Gabi Segmüller bis 2016 acht Jahre lang präsidierte Gespann-Fahrverein Rheintal, die Kavallerievereine des oberen und des unteren Rheintals sowie der Pferdezuchtverein Rheintal.Wie ein Pferd reagiert, ist unvorhersehbarFrüher, sagen wir in den Sechzigerjahren, war der Mensch mit dem Pferd hierzulande ordentlich vertraut. Inzwischen ist dieses Tier vielen ein bloss noch flüchtig bekanntes Wesen. Zum Teil begründet dies die Unvorsicht vieler Autofahrer, wenn ihnen unterwegs Reiter begegnen.Oder eine Kutsche.Gabi Segmüller hat letzte Woche in einer geselligen Runde im Fahrverein eine Frage gestellt: Welches sind die häufigsten Gefahren? Genannt wurden vor allem die Unvorhersehbarkeit, die Schwierigkeit, eine Situation einzuschätzen, und Missverständnisse.Aber genauer: Der Reiter spürt sein Pferd, doch selbst er kann nie absolut sicher sein, auf welchen äusseren Einfluss das Tier wie reagiert. Der Autofahrer kann das schon gar nicht. Auch das Tempo einer Kutsche ist schwer einschätzbar. Das führt, wie Kutscher es erleben, immer wieder zu gefährlichen Manövern: Autofahrer überholen, schaffen es jedoch nur knapp, sich vor der Kutsche wieder einzuordnen, bevor auf der Gegenfahrbahn ein nahendes Fahrzeug zur Stelle ist.Es geht um ein angenehmes MiteinanderAuch das Linksabbiegen fördert mulmige Gefühle, denn vorbildliche Handzeichen der abbiegenden Reiter oder Kutscher werden immer wieder missverstanden. «Manche Autofahrer meinen, sie würden nach vorn gewunken», sagt Gabi Segmüller, «und setzen zum Überholen an statt zu warten.» Selbst hinten beleuchtete, mit einem Blinklicht ausgestattete Kutschen böten keine Gewähr, dass sich gefahrlos abbiegen lässt. Denn der Beachtungsgrad des Blinklichts sei bescheiden. Gabi Segmüller selbst hat hinten eine Tafel angebracht, die unübersehbar das Abstandhalten sowie Tempo 20 erbittet. Sie ist positiv überrascht; die Tafel bewähre sich sehr.Gabi Segmüller und dem Verband geht es um ein angenehmes Miteinander. Wie das ja an vielen Orten angestrebt ist. Biker haben sich mit Wanderern zu arrangieren, Hündeler mit Nichthündelern – und Pferdefreunde auf den Strassen eben mit Autolenkern. Sich der Gefahren bewusst zu sein, sei auch in deren Interesse, sagt Gaby Segmüller.Jüngst wurden Fahrlehrer, Gemeindeverwaltungen und das Strassenverkehrsamt angeschrieben und auf die Broschüre hingewiesen. Wer sie liest, erfährt, dass grosse, hohe Fahrzeuge wie Busse, Lastwagen oder Traktoren mit Anhängern beim Pferd einen Fluchtreflex auslösen können. Das gilt auch für Fahrzeuge mit flatternden Planen oder nicht fest verankerter Ladung, für grossen Lärm oder vibrierenden Boden. Die Fahrt durch eine Regenpfütze oder Schnee kann zusätzliche Geräusche zur Folge haben, die womöglich das Pferd verunsichern. Auch eine hohe Geschwindigkeit, mit der Fahrzeuge aufs Pferd zukommen sowie aufheulende oder knatternde Motoren können den Fluchtreflex auslösen.Einmal im Fluchtmodus, kann ein Pferd unkontrolliert davonstürmen (wie dies Anfang Jahr wegen einer Drohne in Oberriet der Fall war), zur Seite springen, Kehrwendungen machen, auch in Richtung der Gefahrenquelle, ausschlagen oder steigen.Tipps, wie man alles richtig machtDer Broschüre ist natürlich zu entnehmen, wie man alles richtig macht. Im Grunde wären diese Dinge ja bekannt: Weg vom Gas in der Nähe von Pferden, erst überholen, wenn das mit genug Abstand möglich ist, am Abend nicht mit Volllicht entgegenblenden, Handzeichen beachten – und eben: hinter einer Kutsche oder einem Reiter Abstand wahren. Wie in vielen Fällen ist das grosse Zauberwort das altbekannte. Es heisst Rücksichtnahme.