Der 1838 geborene Titus Rohner war in Walzenhausen erfolgreicher Stickereifabrikant. Gleichzeitig machte er auch als Politiker Karriere, und ab 1893 gehörte er dem Ausserrhoder Regierungsart an. In seinem Wohnhaus (heute Gemeindehaus) führte er mit seiner Frau die Agentur der Ausserrhoder Kantonalbank. Die Funktionen als grösster Arbeitgeber, einflussreicher Geldverwalter und hoher Politiker führten zu einer grossen Machtfülle, die ihm den Titel «Dorfkönig» eintrug.
Abwahl des Pfarrers initiiert
Ab 1889 wirkte Pfarrer Paul Sutermeister in Walzenhausen. Kaum im Amt, bekämpfte er das in der Gemeinde und im weiteren Vorderland grassierende Lotteriewesen. Bei Heimarbeiterinnen in Vorarlberg verkehrende Walzenhauser Stickereifabrikanten kauften Lose in Österreich, die dann zu überhöhten Preisen an einfache Leute in der Gemeinde weiterveräussert wurden. Viele verschuldeten sich, und immer wieder wurde gemunkelt, dass hinter dem blühenden Lotteriegeschäft nebst anderen einflussreichen Persönlichkeiten auch Regierungsrat Rohner stecke.
Losverkauf bei Nacht und Nebel
Weil das Lotteriewesen in der Schweiz streng verboten war, erfolgte der Losverkauf bei Nacht und Nebel, und in Not geratene Loskäufer wagten sich nicht zu wehren. Als Sutermeister mit seiner über die Ostschweiz hinaus verbreiteten Schrift «Der Dorfkaiser» das «Lötterlen» und damit auch Walzenhausen zusätzlich an den Pranger stellte, fiel er bei der Oberschicht endgültig in Ungnade. Sutermeister wurde 1898 abgewählt, und zu den Drahtziehern der Abwahl gehörte auch Dorfkönig Rohner.
Verzicht aufs hohe Amt
Bei den sogenannt kleinen Leuten aber, die nun gegen den Dorfkönig zu opponieren begannen, war Sutermeister beliebt. In der Folge erklärte er Anfang 1899 nicht ganz überraschend den Rücktritt als Mitglied der Ausserrhoder Regierung. Damit verhinderte er seine drohende Abwahl an der Landsgemeinde, die einer schallenden Ohrfeige gleichgekommen wäre. Nun wurde es stiller um den Dorfkönig, der 1915 verstarb.