28.08.2019

Länger gefeiert als der König

Der aus Altstätten stammende Schwinger Marcel Kuster hat in Zug seinen zweiten eidgenössischen Kranz gewonnen – es ist sein letzter.

Von Yves Solenthaler
aktualisiert am 03.11.2022
Yves SolenthalerDer Altstätter Beda Coray, Schwinger im Ruhestand und Teilnehmer am Eidgenössischen vor drei Jahren, war am Dienstagabend einer von vielen Gratulanten auf dem Dorfplatz Gais. «Ich habe nicht damit gerechnet», sagte Coray zum nun zweifachen Eidgenossen. «Frecher Chaib», antwortet Kuster, «war doch klar!»War es nicht, auch für Marcel Kuster selbst nicht. «Ich war vor dem letzten Gang nicht vom Sieg überzeugt», schiebt er gleich nach. Beziehungsweise: Er dachte gar nicht daran: «Ich habe mir keinen Kopf gemacht.»Das ist die Gelassenheit eines Schwingers, der schon ein Eidgenosse ist. Vor drei Jahren in Estavayer-le-Lac hat Kuster bereits den Kranz gewonnen.Nach mässigem Samstag pirschte sich Kuster heranIn Gais wurden zwei weitere Appenzeller Kranzgewinner geehrt: Neu-Eidgenosse Martin Roth vom Schwingklub Herisau und Martin Hersche vom SK Appenzell. Hersche hatte wie Kuster bereits vor drei Jahren den Kranz gewonnen. «Wir machen es nur gemeinsam», sagt Kuster. Die Gemeinsamkeiten gehen noch weiter: Der entscheidende Sieg für den Kranzgewinn gelang beiden gegen Bernhard Kämpf, dem Thuner, der schon vor Zug zweifacher Eidgenosse war (und blieb).Kuster sicherte sich den Kranz dank drei Siegen zum Schluss, im letzten Gang eben gegen Kämpf. Nach dem Samstag befand er sich noch nicht auf Kranzkurs: Kuster unterlag zum Auftakt Michael Wiget und stellte gegen Florian Weyermann. Am Samstag gab es zuerst wieder einen Gestellten (gegen Simon Mathys). «Beide Gestellte hätte ich gewinnen müssen», sagt Kuster, «das Fest lief sicher nicht optimal, aber solange man nicht ausgeschieden ist, hat man noch Chancen auf den Kranz.» Das prioritäre Ziel sei deshalb gewesen, bis und mit dem letzten Gang im Wettkampf zu bleiben.Bruno Vestner, Präsident des Schwingklubs Gais, war von Kusters Wettkampfverlauf nicht überrascht: «Er macht es oft so, dass er sich von hinten anpirscht.» Das war nach dem Geschmack von Vestner, um so mehr, weil sein vermeintlich grösster Trumpf, Raphael Zwyssig, das Eidgenössische wegen einer Bandscheibenverletzung abbrechen musste. Dank Marcel Kusters Kranz hat der Schwingklub Gais nun viermal in Folge einen Eidgenossen hervorgebracht.Vielleicht stehen die Gaiser auch in drei Jahren wieder auf dem Dorfplatz, um ihre Eidgenossen zu feiern. Marcel Kuster wird aber, wenn er seine Ankündigung in die Tat umsetzt, keiner der Geehrten sein: «Das fünfte war mein letztes Eidgenössisches. Nächstes Jahr schwinge ich noch, auch wegen des Eidg. Jubiläums-Schwingfests in Appenzell.» Das Alter – Marcel Kuster ist 31-jährig – sei nicht der Rücktrittsgrund: «Ich fühle mich wie mit 20 – mit einer Einschränkung: Die Hüften bereiten mir seit Jahren Schmerzen, deshalb höre ich auf.»Noch ein Jahr im Sägmehl, dann hört Marcel Kuster aufTrotz Hüftproblemen hat Marcel Kuster eine gute Saison hinter sich. Zwar fehlen die Spitzenplatzierungen wie vor einem Jahr, als er das Appenzeller Kantonale in Wolfhalden gewann: «Mit sieben Kränzen war ich 2019 so erfolgreich wie noch nie.» In seiner Karriere hat Marcel Kuster, der als Automobildiagnostiker arbeitet, bisher 59 Kränze gewonnen. Nebst dem Festsieg am «eigenen» Kantonalen vor einem Jahr und den zwei eidgenössischen Kränzen zählt die Schlussgang-Teilnahme am Nordostschweizer Schwingfest 2015 zu seinen grössten Erfolgen.Gross war am Sonntag nicht nur Kusters Erfolg, gross war auch die anschliessende Feier: «Zuerst legte ich mich eine Stunde hin, dann feierten wir bis am Morgen um 7 Uhr.» Viele Schwinger waren dabei, als es in der Bar beim Gabentempel richtig streng wurde («Beim Schwingen hatten wir Pausen, beim Festen nicht»). Der neue König verliess das Festzelt lange vor seinen Untertanen – Christian Stucki lag nach eigener Aussage schon um 2 Uhr im Bett.Thomas Kuster am Samstag gleichauf mit Bruder MarcelZum zweiten Mal nahm auch Marcels Bruder, Thomas Kuster, am Eidgenössischen teil. Der Wettkampf des 27-Jährigen verlief umgekehrt als bei seinem Bruder: Am Samstag totalisierte er mit ebenfalls zwei Siegen, einem Gestellten und einer Niederlage gleich viele Punkte wie Marcel. Am Sonntag bedeuteten zwei Niederlagen das Aus nach sechs Gängen. «Es war mein Ziel, bis zum Schluss dabei zu sein», sagt Thomas Kuster, «aber mit meiner Leistung bin ich zufrieden. Die nächste Chance erhalte ich in drei Jahren.»Vielleicht wird auf dem Dorfplatz Gais nach dem nächsten Eidgenössischen wieder ein Kuster geehrt.

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