Gert BrudererDer Zufall brachte noch mehr Parallelen: Sowohl Bundeskanzler Walter Thurnherr, der seinen Heimatort Diepoldsau beehrte, als auch Wirtschaftswissenschaftler Reiner Eichenberger, der in St. Margrethen sprach, wurden von ihren Ehefrauen und je einer Tochter begleitet. Damit nicht genug: Die Töchter heissen auch noch beide Lara.«Mol öppis anders» hören könnenWas Karl Schönenberger, der Hauptverantwortliche der St. Margrether Feier, über Eichenbergers Rede sagte, gilt auch für Diepoldsau. Was das Publikum hörte, war in der Tat «mol öppis anders», und man kann sogar ergänzen: etwas völlig anderes.Walter Thurnherr versprühte vom ersten bis zum letzten Satz erfrischend viel Witz, was zu der Frage führt, ob der Befürworter gesunden Humors im Alltag selbst auch so humorvoll sei wie hinterm Rednerpult. Die Tochter lächelte und meinte: Ja, ihr Vater sei «schon so».Mit schwierigen Umständen beschwingt fertig werdenDer Bundeskanzler bezeichnete Humor als ein wichtiges Element des politischen und gesellschaftlichen Lebens. Wer Humor habe, denke nach und hinterfrage die Dinge. Derzeit redeten allerdings alle mehr von künstlicher Intelligenz als von der natürlichen Dummheit – von letzterer gebe es übrigens mehr.Thurnherr gefällt nicht der kalte, zynische Witz, sondern die Fähigkeit (oder Bereitschaft), sich über sich selbst lustig zu machen. Erstaunlich findet er immer wieder, wie viele Leute alles schon wüssten, sie seien recht gleichmässig über das Land verteilt. Die Leute wüssten sogar «Sachen, von denen sie wissen, dass sie sie gar nicht wissen können». Auch sei offenbar die Meinung verbreitet, dauernd ernst bleiben zu müssen, um ernst genommen zu werden.Humor ermögliche es, mit schwierigen Umständen fertig zu werden, meinte Walter Thurnherr, den es beeindruckt, wenn jemand es schafft, sich aufzurichten und weiterzumachen, obwohl etwas zum Heulen ist. Der Applaus war nicht nur freundlich, er war tosend. Diepoldsau hat «seinen» Bundeskanzler ins Herz geschlossen (den Bürger von Schmitter, wie Karin Aerni, Gemeinderätin und Mitglied der organisierenden Einwohnerkommission, scherzhaft hervorhob).Innere Spannungen als Segen fürs LandAuch St. Margrethens Festredner hat zum St. Galler Rheintal einen Bezug. Ein Urgrossvater Reiner Eichenbergers, Gebhard Heeb (ein Ökonom nota bene), stammte aus Lienz.Der Wirtschaftswissenschaftler hob in seinem Vortrag die in der Schweiz seit jeher bestehenden, mit der grossen Vielfalt des Landes zusammenhängenden inneren Spannungen hervor, die nicht schlecht, sondern vielmehr ein Segen seien. So habe sich die Schweiz zum Beispiel aus dem Dreissigjährigen Krieg (ab 1618) auch deshalb herausgehalten, weil ihre eigene religiöse Spaltung es gar nicht zugelassen habe, sich klar auf eine Seite zu stellen.Dass die Schweiz trotzdem so gut funktioniere, verdanke sie ihren guten Institutionen, der direkten Demokratie und ihrem Wahlsystem. Mit Blick auf die Personenfreizügigkeit meinte Eichenberger, das Bevölkerungswachstum nütze dem Durschnittsbürger nichts, vom Gesamtwachstum profitierten Manager in geschützten Branchen, Politiker und Dachverbände. Die zweite Hauptbedrohung nebst der Personenfreizügigkeit, der Finanzausgleich, sei «ein Sprengsatz». Für besser als den Finanzausgleich hält Eichenberger ein Bonussystem – also Anreize für finanziell schwache Kantone, ihre Situation zu verbessern.Sehr viel Publikum, sogar Rekord in DiepoldsauDie von den Musikvereinen mitgeprägten Bundesfeiern in St Margrethen und Diepoldsau waren einmal mehr mit besonderem Aufwand gestaltet worden. Den Brunch im Strandbad hatte zum vierten und letzten Mal der frühzeitig in Pension gehende Norbert Frei (siehe nächste Zeitungsausgabe) mit 15 Helfern bereitgestellt. Während Diepoldsau mit fast 500 Besuchern einen Rekord feierte, war das Publikum in St. Margrethen eine Spur kleiner als sonst, aber immer noch riesig.Schön ist, dass hier immer auch die Kinder (mit einem Spielparadies) beglückt werden. Somit hätten, nebenbei bemerkt, Humorlose jederzeit zuschauen können, wie Lachen geht.