08.07.2022

Kunst, die uns überraschen kann

Altstätten ist reich an Kunstwerken im öffentlichen Raum. Ruedi Dörig rückt sie in den Mittelpunkt. Sein Fotobuch lehrt uns einiges über die eigene Wahrnehmung: Kunst würdigend wahrzunehmen, sei auch eine Kunst, sagt er.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 02.11.2022
Kleines Beispiel für alle, die schon im «Sonnen»-Saal waren: Welches Kunstwerk ist in ihm zu sehen?Obschon grossformatig rechts neben dem Eingang angebracht, ist die Chance nicht klein, dass der Blick oder die eigene Wahrnehmung den Wandteppich Franziska Gehrs verfehlt. Man sieht vielleicht hin, aber sieht ihn nicht.«Sankt Florian»:Bekannt, aber woher?Solche Beispiele gibt es zuhauf. An Fassaden und Innenwänden, auf Türen und Fensterläden historischer Häuser finden sich Kunstwerke, die einem, abgebildet in Ruedi Dörigs Buch, möglicherweise vertraut vorkommen – doch wo hat man sie gesehen? Zum Beispiel das Wandbild des Künstlers Josef Benz: «Sankt Florian» aus dem Jahr 1932. Der aufmerksame Freund der Altstadt kennt es, doch woher? – Genau, vom Kirchplatz, wo es am Haus mit der Nummer 8 zu sehen ist, zwischen zwei Fenstern im 3. Stock an der Fassade.Aha-Erlebnisse beim Schauen und LesenRuedi Dörig, pensionierter Oberstufenlehrer und langjähriger Stadtrat bis 2020, war acht Jahre Mitglied der Altstätter Kulturkommission. In dieser Rolle erfasste er eine Vielzahl weniger bekannter künstlerischer Werke. Sie wurden mit Infos versehen und in einem Archiv abgelegt. Doch Ruedi Dörig war das nicht genug. Mit einem Lächeln meint er, dass ihm ein gewisses Sendungsbewusstsein innewohne, jedenfalls erachtete er es als schade, die Arbeit in einer Schublade verschwinden zu lassen. Lieber bringt er das Ergebnis «unter die Leute».Also hat der Hobbyfotograf, der seiner Leidenschaft mit einem höheren Anspruch frönt, ein gut 60-seitiges Fotobuch im Format A4 und eine Endlos- Fotoschau gestaltet. Er hat viel Unscheinbares zusammengetragen und zeigt es auf eine Weise, dass viele Aha-Erlebnisse das Schau- und Lesevergnügen begleiten. Viele der Standorte hat der Fotograf ein paarmal aufgesucht, denn das Licht sollte stimmen und nichts den Blick behindern. War beispielsweise ein Auto im Weg, wurde die Aufnahme vertagt.Kein Anspruch auf VollständigkeitAn einer Vernissage am 26. August im Göttersaal des Museums Prestegg werden das Buch und die Fotoschau der interessierten Öffentlichkeit vorgestellt. Das Buch enthält Kunstwerke, die den öffentlichen Raum von Altstätten (inkl. Lüchingen und Hinterforst) bereichern, ausserdem alle Werke von Ferdinand und Franziska Gehr, die in der Broschüre «Wege zu Ferdinand Gehr in Altstätten» (Johannes Huber) aufgeführt sind. Nicht enthalten sind die 30 Objekte des (auf kunstgartenweg.ch lückenlos dokumentierten) Kunstgartenwegs sowie Wegkreuze und kirchliche Kunstwerke (mit Ausnahme jener von Ferdinand Gehr). Das Fotobuch erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, und weder Reihenfolge noch Grösse der Abbildungen sind Ausdruck einer Wertung.Bestehende Kunst würdigend wahrnehmenRuedi Dörig sagt, der Ruf nach Kunst, nach Mehr, erschalle schnell einmal. Doch bestehende Kunst würdigend wahrzunehmen, sei auch eine Kunst. Altstätten als Kulturstadt stehe es gut an, der vorhandenen Kunst mit offenen Augen zu begegnen und neuem Schaffensdrang wohlwollend zu begegnen.Einzeln nachbestellbarRuedi Dörig hat schon das Fotobuch «Altstätten in alten Ansichten» sowie ein ebensolches Werk für Oberriet herausgegeben. Weil derartige Werke sich nicht in hoher Zahl verkaufen lassen, kommt die Herausgabe eines aufwendig gestalteten Bildbandes bei einem Verlag aus finanziellen Gründen nicht in Frage. Die Auflage wäre zu klein und der Preis pro Exemplar ohne Unterstützungsbeiträge (beispielsweise von Gemeinden oder kulturellen Institutionen) viel zu hoch, als dass eine ausgeglichene Rechnung möglich wäre. Ruedi Dörigs Editionen sind deshalb Fotobücher, die er einzeln nachbestellen kann. So spielt es keine Rolle, ob zehn, hundert oder tausend Interessierte ein bestimmtes Werk erwerben möchten. Verrechnet wird stets der Selbstkostenpreis, denn verdienen will Ruedi Dörig an den Fotobüchern nichts.Hinweis: Vernissage am Freitag, 26. August, mit Beginn um 18 Uhr im Göttersaal des Museums Prestegg; Eine Anmeldung bis 14. August bei Ruedi Dörig ist erwünscht: rdoerig@rsnweb.ch oder Telefon 071 755 85 11.

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