Paul Müllers Werke sind steinharte Provokation: Hier sieht man den Schwan zu viel gesoffenes Bier reihern, dort thront der Potentat auf seiner mörderischen Ideologie; in der einen Ecke hört man geradezu die Telefonprostituierte ihren Kunden ins Ohr säuseln, in der andern schaut die Sau in die Glotze, bis zum Sendeschluss nur noch das Testbild flimmert (was allerdings etwas fernsehhistorisch anmutet).Man kann sich eingestehen: Unrecht hat er nichtMan kann nun sagen, der Künstler sei selbst ein Ferkel. Oder man kann sich auf seine Werke einlassen und sich eingestehen: Unrecht hat er nicht – möglicherweise ist unsere Gesellschaft ja sogar schon längst viel dekadenter, als Müller es darstellt. 15 seiner überraschenden – nein: überrumpelnden – Skulpturen sind derzeit im Rahmen der jährlichen Kunstausstellung des Kulturvereins Widnau im Kundenbereich der Raiffeisenbank zu sehen.Das Foyer der Bank hat sich als Ausstellungsraum bewährt: Die diesjährige Ausstellung sei bereits die siebzehnte hier, stellte Thomas Haas, der Vorsitzende der Bankleitung, am Samstag anlässlich der Vernissage fest. Vor gut zehn Jahren stellte sogar Paul Müllers Grossvater hier seine Bilder aus: Paul «Rellüm» Müller. Haas versicherte auch, dass man die Zusammenarbeit gerne weiterführen werde. Der Kulturverein ist dankbar dafür: «Wir haben hier in Widnau sonst ja nicht gerade viele Möglichkeiten für solche Ausstellungen», meinte Präsident Urs Sieber.Musikalisch begleitet wurde die gut besuchte Vernissage vom Gitarristen Dominik Landolt und vom Bassisten Sandro Heule.St. Margrether Sandstein, vierdimensional geformtUrs Spirig (er gehört ebenfalls dem Kulturvereinsvorstand an) hob in seiner Laudatio die eine oder andere Besonderheit der heurigen Ausstellung hervor. So bezeichnete er Paul Müllers Kunst als vierdimensional. Zu den für Skulpturen üblichen drei Dimensionen kommt hier die Farbe dazu: Nachdem Müller dem St. Margrether Sandstein Form gegeben hat, belässt er ihn nicht roh, sondern bemalt ihn deckend mit Acrylfarbe, was die Skulpturen aussehen lässt, als wären sie aus Kunststoff gegossen.Manche mögen der Ansicht sein, damit werde der Stein missbraucht, stellte Spirig in den Raum. Er gab aber zu bedenken, dass es einst durchaus üblich gewesen sei, den Sandstein zu bemalen – nicht zuletzt die Wände der Tempel in der Antike.Die unbequeme Wahrheit, steingeworden, knallig buntAntik wirken Müllers Werke freilich in keiner Weise. Urs Spirig lud ein, die Figuren auf sich wirken zu lassen und mit viel Spass die Message, den Sinn in ihnen zu erkennen. Und sich auch darüber Gedanken zu machen, ob der Künstler einem hier nicht vielleicht einen Spiegel vorhält, einen steingewordenen in knalligen Farben.HinweisDie Ausstellung ist bis Anfang März während der Geschäftsöffnungszeiten zu sehen.