03.06.2021

Krach zwischen Künstlern

Kuspi hat eine weitere Skulptur auf die Allmend gestellt. Die Verantwortlichen der Ausstellung wollten sie nicht – und bauten sie ab.

Von Max Tinner
aktualisiert am 03.11.2022
Er hat’s gut gemeint und wollte den Art-Drive-in-Skulpturenpark auf der Alstätter Allmend mit einem weiteren Werk bereichern: Über Pfingsten holte der Widnauer Künstler Kuspi seine Skulptur «Totemisierte Erde» aus Roveredo, wo sie seit 2019 in der dortigen Freilichtausstellung Open-Art zu sehen war, und stellte sie auf die Allmend. Doch das kam bei den für den Skulpturenpark Verantwortlichen nicht gut an: Daniel Stiefel forderte Kuspi telefonisch auf, die Skulptur zu entfernen. Der Tonfall war alles andere als freundlich, geschweige denn freundschaftlich. Einen «Seich» bezeichnete Stiefel die Skulptur, die subito abzuholen sei. – Kuspi fühlt sich vor den Kopf gestossen. Als er nicht gleich spurt, demontiert Silvan Köppel, der Initiant des Skulpturenparks, ein paar Tage später die Figur und legt sie zum Abholen bereit. In Kuspis Augen ein Affront: «Man rührt das Werk eines Künstlerkollegen nicht an – das ist Ehrensache.»Die «Totemisierte Erde» stellt einen Totempfahl dar, wie man sie aus Wildwestfilmen von amerikanischen Ureinwohnern kennt. Er ist nicht aus Holz, sondern besteht aus alten, übereinander verschweissten Ölfässern, die Kuspi blau bemalte und in die er Naturgeisterfratzen hineingeschnitten hat.Ist’s Kunst? Ist’s Kitsch? Oder nicht einmal das? Die Meinungen gehen auseinander. Kuspi muss seine «Totemisierte Erde» aber auch wieder mitnehmen, weil er sie ohne Rücksprache mit Ausstellungsleitung und Platzverwaltung hingestellt hat. (Bild: pd)Ein Mahnmal soll die Figur sein und gegen den Raubbau der Menschen an der Erde protestieren, erklärt Kuspi in einer Kurzdokumentation, die er für die Ausstellung im unteren Misox verfasst hatte.Kuspi: «Gefährlich? – Nicht mehr als andere Werke auf dem Platz»Daniel Stiefel, der Jahrzehnte lang Zeichnen und Kunstgeschichte unterrichtete, unter anderem an der Höheren Fachschule für Gestaltung in St. Gallen, lässt an der Figur aber kein gutes Haar: Sie genüge den Ansprüchen der Ausstellung in keiner Weise, sei billig gemacht.Über ersteres lässt sich unendlich lange streiten. Zweiteres hingegen wird auch von anderen Mitgliedern des Ausstellungskomitees bemängelt. Die Skulptur weise zudem scharfe Kanten auf; es bestehe eine erhebliche Verletzungsgefahr. Kuspi lässt dies nicht gelten. Das Argument sei vorgeschoben. Andere Skulpturen in der Ausstellung auf der Allmend wiesen vergleichbar scharfe Kanten auf, meint er.Dem Kunstlehrer Daniel Stiefel wirft er «verbildete» Überheblichkeit vor. «Hätte ich gewusst, dass er darüber mitentscheidet, was ausgestellt wird und was nicht, wäre ich von Anfang an nicht gekommen.»Silvan Köppel: «Kuspi hat sich nicht an die Regeln gehalten»Silvan Köppel mag sich auf keine Diskussion darüber, was Kunst ist und was nicht, einlassen. Kuspi sei ein Original; er schätze ihn, meint er. Tatsache sei aber, dass sich Kuspi nicht an die Regeln gehalten habe, die im Konzept für die Ausstellung festgehalten seien. Dieses Konzept habe man Kuspi wie allen bislang an der Ausstellung beteiligten Künstlern vorgängig zukommen lassen. Er hätte sich demnach bewusst sein müssen, dass eine Jury darüber befindet, ob ein Werk in die Ausstellung aufgenommen wird oder nicht. «So viel Kritik sollte man ertragen können», meint Köppel, schliesslich sei das bei den meisten Ausstellungen so.Kuspi wendet ein, dass er mit Silvan Köppel über die Skulptur in Roveredo gesprochen habe, die er nach Altstätten holen wolle. Köppel bestätigt dies zwar, hält aber fest, dass er nicht allein entscheide, was auf der Allmend hingestellt werde («ich bin nicht die Jury»), und im Besonderen auch nicht, wo dort. Mit der Rheintal Messe und Event AG, die das Areal bewirtschaftet, sei nämlich vereinbart, dass die Platzierung jedes Kunstwerks mit ihr abzusprechen sei.Allmend-Geschäftsführer Simon Büchel, der dem Initiativkomitee in der Rolle als Platzverwalter angehört, begründet dies nicht zuletzt damit, dass das Areal auch noch anderweitig genutzt wird. Kuspi wüsste dies, meint Büchel. Immerhin habe er als Platzverwalter bereits den Standort für die Eisenplastik «Der Seher» freigegeben, mit welcher sich Kuspi seit Eröffnung an der Ausstellung beteiligte.Kuspi zieht sich von der Ausstellung zurück – und Daniel Stiefel auchNach Ansicht Kuspis hätte man die Skulptur «Totemisierte Erde» jederzeit umplatzieren können. Er fügt sich nun aber und will sie abholen. Und seinen «Seher» gleich mit. Er will mit der Ausstellung nichts mehr zu tun haben.Auch Daniel Stiefel zieht sich nach dem Knatsch mit Kuspi von der Ausstellung zurück. Die Jury selektioniere grundsätzlich zu wenig streng, findet er. Aber grad davon hänge die Qualität einer Ausstellung ab. Dass manche angefragte Künstler sich an der Ausstellung nicht beteiligen wollten, sei symptomatisch dafür.Silvan Köppel bedauert diese Entwicklung. Er hofft, dass der Skulpturenpark gleichwohl wächst: «Die Ausstellung ist etwas, das dem Rheintal etwas bringt und dem Kunstschaffen in der Region Bedeutung verleiht.» Abwechslung – dass ausgestellte Werke nach einer gewissen Zeit durch andere ersetzt werden – sei dabei durchaus gewollt. «Kunst ist ein Spiegel der Zeit», resümiert Köppel, «die Frage ist, wo man hinschaut …»Man macht weiter – bereits diesen SamstagGerade diesen Samstag bietet sich Kunstschaffenden und anderen Interessierten Gelegenheit, sich vor Ort ein Bild vom Areal und von der Initiative zu machen und zwischen 14 und 16 Uhr mit den derzeit Ausstellenden ins Gespräch zu kommen, kündigen die Initianten in einer Medienmitteilung an. Von 12 bis 18 Uhr kann man sich von einem Take-away-Stand verpflegen. Zwischendurch gibt’s Musik, wie es sie auf der momentan entstehenden Bühne künftig öfter geben soll.Hinweis: Mehr zum Skulpturenpark und der Idee dahinter auf art-drive-in.ch

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