22.11.2019

Kongruenz – eine Art von Ehrlichkeit

Von Carsten Wolfers
aktualisiert am 03.11.2022
Kongruenz heisst Übereinstimmung. Das Wort taucht in der Mathematik, in der Physik oder auch in der Rechtsprechung auf. Sobald es aber um Menschen geht, meint Kongruenz die Übereinstimmung von Denken, Fühlen und Handeln. Im Zeitalter von Fake-News wäre Kongruenz also so etwas wie die Lösung für ein wirklich grosses Problem, wie Sonnenschein nach einem sehr langen Winter. In einer Epoche, wo viele in den sozialen Medien vorwiegend und einseitig lediglich das Positive posten, wäre Kongruenz also so etwas wie die Entschleierung des ach so schönen Scheins. Eine Studie hat kürzlich ergeben, dass Facebook & Co. krank machen können: Man glaubt plötzlich, dass es allen anderen einfach wunderbar geht, weil man nur noch wunderbare Nachrichten hört und wunderschöne Bilder sieht. Dass positive Darstellung eher idealistisch und eben oft nur die halbe Wahrheit ist, vergessen wir allzu leicht. Wir hätten es gerne so, und leiden dann, wenn es bei uns selbst nicht so ist, wir es aber allen anderen zu leicht abnehmen, es sei bei ihnen so. Möge Gott uns vor dem Leben im Konjunktiv also hüten.Vor geraumer Zeit ist Kongruenz bekannter geworden durch den Psychotherapeuten Carl Rogers. Er schlägt einen Blick auf den Gesprächspartner vor, der diesen in den Mittelpunkt des Interesses rückt. Der Klient gehört ins Zentrum, nicht so sehr der Berater oder irgendein Umfeld. In seinen Erfahrungen und Untersuchungen stellte Rogers fest, dass Menschen sich leichter einem anderen öffnen, wenn Sagen und Handeln übereinstimmen. Ein Mensch entwickelt sich besser und positiver, wenn er auf kongruente Menschen trifft. Eine echte Selbstmitteilung hat heilende Wirkung. Wenn jemand allerdings bloss eine Rolle spielt und so tut als ob, bremst er. Was Rogers beobachtet und bewusst macht, ist uns halbbewusst wohl in unseren alltäglichen Gesprächen selbstverständlich. Ich rede lieber mit Menschen, die sagen, was sie tun, und die tun, was sie sagen.Vor langer Zeit hat Jesus Christus bekannterweise mit den Pharisäern gestritten. Mal konnte es darum gehen, wie man den Sabbat halten kann, mal eher darum, wie ein Mensch Vergebung bei Gott findet. Der grösste Vorwurf, den Jesus seinerzeit seinen Gegnern machte, war allerdings die Heuchelei. Die Pharisäer täten nach aussen so fromm, aber innerlich hätten sie keine Liebe zu Gott. Äusserlich halten sie sich an die vielen verschiedenen Gebote Gottes, nur innerlich halten sie sich für besser als andere. Jesus konnte diesen Mangel an Kongruenz sehr stark kritisieren: Er nannte seine Gegner schön angestrichene Gräber, aussen schön angemalt, aber innen alles verfault. Offensichtlich war Jesus ein Vertreter einer Moral von Ehrlichkeit, nicht einer der Doppelmoral.Ob ich nun die negativen Folgen von mangelnder Kongruenz bei Jesus fürchte oder die positiven Folgen von praktizierter Kongruenz nach Rogers schätze: Solche Übereinstimmung täte uns im Umgang mit Menschen und Medien wohl wieder gut. Und vor allem wäre solche Übereinstimmung von Denken, Fühlen und Handeln gesund, vorwiegend auch für mich selbst.Carsten WolfersDiakon in Balgach

Abo Aktion schliessen
News aus der Region?

Alle Geschichten, alle Bilder

... für nur 12 Franken im Monat oder 132 Franken im Jahr.