08.04.2021

Konflikt mit der Bahnpolizei

Einem 51-Jährigen, der zum fünften Mal bestraft wurde, riet der Richter: «Nächstes Mal lieber durchatmen.»

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Es gibt Menschen, die wegen schwerer Taten vor dem Richter stehen, und solche, bei denen sich die Delikte und Strafen im Laufe der Zeit quasi zusammenläppern. Ein solcher Delinquent – gelernter Zimmermann, zuletzt Chauffeur, geschieden, arbeitslos, mit 60000 Franken Schulden nicht beneidenswert – quittierte die Erklärungen des Richters zum Verfahren immer wieder mit «genau». Er wusste mittlerweile, wie der Hase läuft. Unter anderem hatte er in den letzten zehn Jahren Unterhaltspflichten vernachlässigt oder sich betrunken ans Steuer gesetzt.Am Mittwoch stand der Vater zweier erwachsener Kinder in Altstätten wegen mehrfacher Beschimpfung und mehrfacher Hinderung einer Amtshandlung vor dem Richter. Er hatte den Strafbefehl nicht akzeptiert, weshalb nun der Richter urteilen sollte. Ebenfalls dabei: Ein Deutscher, den der 51-Jährige, obschon er ihn gar nicht kannte, mehrfach beschimpft hatte –nicht direkt, sondern in Whatsapp-Nachrichten, die an die frühere Lebensgefährtin des Angeklagten gerichtet waren.Am Altstätter Bahnhof in Handschellen gelegtBeim Altstätter Bahnhof hatte sich der Beschuldigte ausserdem so verhalten, dass er von zwei Bahnpolizisten zu Boden gedrückt und in Handschellen gelegt wurde. Den von den Bahnpolizisten geschilderten Ablauf bestritt der Beschuldigte. Er habe nicht, wie im Rapport geschildert, eine Frau ermuntert, sich der Kontrolle zu widersetzen. Ebenso wenig habe er eine Personenkontrollkarte zerrissen.Anderseits räumte er ein, sich in die Kontrolle eingemischt und die Bahnpolizisten «wahrscheinlich verbal» angegriffen zu haben. Er gab auch zu, sich einer Anweisung widersetzt zu haben; er sagte, er habe zuerst sein Bier austrinken wollen, aber «das ging den Bahnpolizisten offenbar nicht schnell genug».«Nicht grad Freunde der Bahnpolizei»Bei der Bahnhofsunterführung hält sich immer wieder eine (oft ähnlich zusammengesetzte) Gruppe auf, die teilweise das schmale Bahnhofsgeländer über der Unterführung als Tresen missbraucht. Die kontrollierte Frau war etwas vorher von den Bahnpolizisten aufgefordert worden, das Bier anderswo hinzustellen, hatte dann aber doch wieder das Geländer als Abstellfläche benützt.Es habe eine gewisse Aufstachelung stattgefunden, meinte der Beschuldigte, es seien «Leute da gewesen, die nicht grad Freunde der Bahnpolizei» seien. Weshalb aber hätte die Bahnpolizei ihn, den sie nicht kannte, zu Unrecht belasten sollen?, fragte der Richter. Der Beschuldigte mutmasste, vielleicht habe sie die Gruppierung am Bahnhof sprengen wollen. Der Richter befand, im Wesentlichen stimmten die Aussagen der Bahnpolizisten überein, sie seien glaubhaft und der Sachverhalt im Kern erwiesen.Jemanden beschimpft, den er nicht kannteKlarer noch ist das Fehlverhalten belegt, das den Schuldspruch wegen mehrfacher Beschimpfung und mehrfacher übler Nachrede begründet. In einem Whatsapp-Chat mit seiner einstigen Lebensgefährtin zog der Beschuldigte über den Deutschen her, bei dem sie vorübergehend wohnen konnte. Der Chatverlauf liegt vor und der Beschuldigte gab zu, der Verfasser der Nachrichten zu sein. Er habe allerdings nicht den Deutschen, den er überhaupt nicht kannte, verletzen wollen, sondern die Frau. Diese habe ihn bei Facebook öffentlich angeschuldigt, was ihn wütend gemacht habe. Er habe deswegen bloss sie auf die Palme bringen wollen, ihr hätten die Worte über den Deutschen im Grunde gegolten, als «Retourkutsche», als «Wutreaktion».«Hät jetzt wieder da Arschloch gschribe?» lautete eine der Aussagen. Ausserdem behauptete der Beschuldigte, der Deutsche werde gesucht; Freiheitsberaubung «könnte zu ihm passen». Ausserdem: für ihn sei er ein «Znünibrot», wobei er nicht erklären mochte, was damit gemeint war. Der Beklagte führte aus, er habe in Chauffeurkreisen einiges über den Deutschen gehört, habe aber über ihn nicht wirklich etwas gewusst. Er entschuldigte sich. Was er getan habe, tue ihm leid. Er fügte an, er habe wenigstens nichts öffentlich gesagt.Verurteilt wurde der Mann zu einer Geldstrafe von 1000 Franken, die er bezahlen muss. Eine Strafe auf Bewährung kam wegen der Vorstrafen nicht in Frage.Weil in jüngster Zeit kein neuerliches Fehlverhalten dazukam, verringerte der Richter die ursprünglich ausgesprochene Strafzahlung um ein Drittel. Höher sind inzwischen die Verfahrenskosten, die nun 1500 Franken betragen und vom Verurteilten zu bezahlen sind. Dieser hatte schon vor der Urteilsverkündung gemeint, dass er das Urteil akzeptieren und den Fall nicht weiterziehen werde.Der Richter brachte die Hoffnung zum Ausdruck, dass der Beklagte seine Lehren aus dem Fall gezogen habe und «nicht wieder bei uns vorbeikommen» müsse.Gescheiter, als die Bahnpolizei in ihrer Arbeit zu behindern, sei es, zwei-, dreimal tief durchzuatmen. Die Beamten müssten sich ja sonst schon viel gefallen lassen.

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