Christlich 15.10.2023

Körper und Seele gehören zusammen - das hat Jesus schon gewusst

Kürzlich war ich bei meinem Physiotherapeuten. Er hatte eine Petition ausliegen gegen eine Kürzung der Behandlungszeit für Physiotherapie von 30 auf 20 Minuten und ich habe unterschrieben.

Von Andrea Hofacker,
Pfarrerin
aktualisiert am 15.10.2023

Schon als Baby hatte ich mit Physiotherapeutinnen und -therapeuten zu tun, und sie haben mir oft sehr helfen können. Leider wird die Arbeit von Menschen, die mit ihren Händen anderer Menschen Beschwerden lindern, wie zum Beispiel in der medizinischen Massage, der Osteopathie und der Chiropraktik, immer weniger geschätzt.

Die Devise ist heute: Wer krank ist, lässt sich die Krankheit wegoperieren oder er bzw. sie nimmt einfach ein paar Pillen, bis die Schmerzen verschwinden. Wir Menschen sollen funktionieren wie unsere Smartphones oder Autos. Etwas ist kaputt, wird repariert und alles ist wieder in Ordnung.

Menschen sind aber keine Maschinen. Menschen sind komplizierte und einzigartige Wesen aus Seele, Geist und Körper. Alles hängt mit allem zusammen bei uns und in uns. Und deshalb können wir auch nicht repariert werden.

Es braucht mehr für eine Heilung: Aktivierung, Motivation, jemanden, der sieht, wo es uns wehtut, wie sehr und warum. Das hilft uns, ein besseres Verhältnis und Verständnis für unseren Körper zu bekommen.

Wer den eigenen Körper und seine Funktionen nicht kennt oder nicht wahrnehmen kann, der braucht Hilfe von anderen, die ihm dabei helfen.

Jesus hat das auch gewusst. Die Evangelien überliefern viele Geschichten, in denen Jesus Menschen geheilt hat. Er hat sie aber weder operiert, noch ihnen Pillen gegeben, denn so etwas gab es damals in der Form wie heute noch nicht. Er hat sie berührt, da wo ihr Leiden sass, wo es wehtat.

Er hat, wie man sprichwörtlich sagt, den Finger in ihre Wunde gelegt und ihnen damit ihr Problem aufgezeigt. Er hat gewusst, wie wichtig für uns Menschen ein Gegenüber ist, ein anderer Mensch, der uns wahrnimmt mit dem, was uns ausmacht, und auch mit dem, was uns belastet.

Nicht nur im übertragenen Sinn auf der seelischen Ebene, sondern auch körperlich. Beides gehört zusammen, denn körperliche Beschwerden können auch unsere Seele sehr beschweren.

Wer schon einmal längere Zeit unter Schmerzen leiden musste, der weiss, wie sehr uns solche Einschränkungen auch in unserer Persönlichkeit treffen und verändern können.

Manchmal wissen nicht mal Angehörige oder Freundinnen und Freunde, warum wir anders reagieren, empfindlicher sind, trauriger oder aufbrausender. Dann ist es gut, Menschen zu haben, die professionell mit den Schmerzen anderer zu tun haben, die sich mit den entsprechenden Reaktionen auskennen und uns helfen, uns und unseren Körper besser zu verstehen und auf ihn zu hören.

Physiotherapeutinnen und -therapeuten gehören zu ihnen und ich finde es schade und sogar ein wenig bedenklich, dass ihre Behandlungszeit gekürzt werden soll, denn das sagt auch vieles über unser modernes Menschenbild aus, das einseitig auf ein Funktionieren des menschlichen Körpers ausgelegt ist.

Ein – wie ich finde – nicht christliches Menschenbild.

 


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