07.03.2022

Kleine Dinge machen grosse Lust

Mountainbikerin Jolanda Neff kennt auch im Jahr nach dem Olympiasieg keine Motivationsschwierigkeiten.

Von Rainer Sommerhalder
aktualisiert am 02.11.2022
Alles erreicht! Und dann? Der Blues nach einem Olympiasieg erwischt Sportlerinnen und Sportler reihenweise. Auch Jolanda Neff durfte nach ihrem geschichtsträchtigen Erfolg im August 2021 in Tokio zurücklehnen und konstatieren, dass sie mit EM-Titel, Weltmeisterschaft, Weltcup-Gesamtsieg und eben Olympiagold die ganz grossen Ziele in ihrer Sportart verwirklicht hat. Aber deswegen Motivationsprobleme? Nicht bei der 29-jährigen Rheintalerin!Jolanda Neff startet mit viel Energie und grosser Vorfreude in die Saison 1 nach dem grossen Höhepunkt. Dass dem so ist, verdankt die beste Schweizer Mountainbikerin zwei ausgeprägten Fähigkeiten: Sich auch an vermeintlich kleinen Dingen zu erfreuen und an vielen Orten Quellen für ihre Motivation zu erkennen.Der Blumenstrauss der Begeisterung scheint bei Jolanda Neff derzeit besonders farbenprächtig. Dafür hat sie teilweise selber gesorgt und zum andern Teil von neuen Konstellationen profitiert. Die zweimonatige Auszeit in der Heimat ihres amerikanischen Freundes Luca Shaw nach der aufwühlenden Saison 2021 halfen der St. Gallerin, die mentalen und körperlichen Batterien wieder aufzuladen.Der beste Winter in Jolanda Neffs KarriereEs folgte ein Winter ohne Krankheiten oder Verletzungen. Die ideale Basis für grosse Ziele, aber gerade Jolanda Neff weiss, dass solches für eine Sportlerin wie sie nicht einfach als selbstverständlich angesehen werden darf. «Es war einer der besten Winter, die ich je hatte», sagt sie. Die mentale Entspanntheit wurde im Grunde nur durch eine Episode im fünfwöchigen Trainingslager anfangs Jahr in Südafrika durchbrochen. «Ich war nervöser als vor jedem Rennen» sagt Jolanda Neff rückblickend und denkt dabei … an einen Besuch beim Coiffeur.Entstanden ist daraus der neue Look mit den dunkelbraunen Haaren. «Ich trage jetzt Gold in meinem Herzen, dann brauche ich es nicht mehr unbedingt auf meinem Kopf», sagt die Olympiasiegerin lachend. Die Haarfarbe symbolisiere, dass mit dem Erfolg in Tokio ein Kapitel geschlossen und ein neues aufgegangen sei.Goldig glänzt auch das neue Wettkampfvelo von ihrem Rennteam Trek. Der Hinterbau der Maschine und konsequent alle Schrauben und Kleinteile sind in der Farbe ihres Tokio-Triumphs gehalten. Die Freude und Begeisterung darüber ist aus der Stimme der St. Gallerin förmlich herauszuhören.Und da wäre noch eine weitere Sache, welche für viele Athletinnen und Athleten jährliche Routine, für Jolanda Neff hingegen «wie Weihnachten, Geburtstag und Ostern an einem Tag» ist. Im Team-Trainingslager in Spanien erhielt sie das neue Bekleidungsmaterial von Trek. «Ein Koffer voller neuer Kleider! Ich freue mich jeweils extrem darauf, all die tollen Sachen auszupacken», sagt die Meisterin der Selbstmotivation.Dass Jolanda Neff, die sich nach wie vor selber vermarktet, dank ihrem Olympiasieg mit Mercedes einen neuen Sponsor an Land gezogen hat, passt in dieses Bild.Letzter Sieg im Weltcup ist vier Jahre herUnd auch sportlich gehen die Ziele nicht aus. «Ich habe seit 2018 kein Weltcuprennen mehr gewonnen, nachdem mir dies zuvor fünf Jahre in Serie gelang», sagt Jolanda Neff. Auf den Weltcup legt sie deshalb ihren Fokus in diesem Jahr. «Ich geniesse es, als Olympiasiegerin an den Start zu gehen und ich will mich über die Konstanz auf Topniveau auszeichnen», sagt sie. «Ich will eine Supersaison zeigen», heisst das bei ihr in der Kurzversion.Der Start ist schon mal geglückt. Ihr allererstes Rennen seit September 2021 gewann sie in Spanien. Auch die Saisoneröffnung auf dem obersten Podest zu feiern, war ihr seit vier Jahren nicht mehr gelungen. Vorfreude bietet auch das anstehende Programm. Ende März gibt sie in Rivera ihr Schweizer Jahresdebüt – bei der neu gegründeten Rennserie von Nino Schurter. Bereits am 10. April startet der auf die Rekordmarke von neun Rennen ausgebaute Weltcup. Der Auftakt ist in Brasilien – auch dies ein Novum.Doch zuallererst freut sich Jolanda Neff auf etwas, das viele Schweizer nach Monaten der Pandemie und gefangen im Homeoffice möglichst hinter sich lassen wollen: die vier Wochen daheim in Goldach. «Ich war in den vergangenen acht Monaten insgesamt weniger als 30 Tage zuhause», bilanziert eine Athletin, deren Herz auch im Olymp angekommen, ungebrochen für ihren Sport schlägt.

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