04.06.2018

Kindersegen im Storchenhorst

Die Storchenpopulation entwickelt sich im Rheintal und im Werdenberg weiterhin prächtig. Im Gegensatz zum vergangenen Jahr spielt heuer auch das Wetter mit und begünstigt die Jungenaufzucht.

Von Jessica Nigg
aktualisiert am 03.11.2022
Jessica NiggDie Anzahl der Störche in der Region nimmt Jahr für Jahr zu. Während der Anblick eines Weissstorches in den 1970er-Jahren hierzulande noch eine Sensation war, haben sich die Menschen inzwischen wieder an den Anblick dieses Vogels gewöhnt. «Im Rheintal dürften derzeit rund 46 Storchenpaare erfolgreich brüten, im Werdenberg sind es 21 oder 22», freut sich «Storchenvater» Reto Zingg. Der Geschäftsführer des Vereins Rheintaler Storch erklärt, dass die Zahl der brütenden Störche vor ein paar Wochen sogar noch etwas höher lag. «Ein Storch ist leider bei einem Unfall verendet, und ein Storchenpaar musste nach einem Föhnsturm den Verlust seines Nestes beklagen», sagt Zingg. Ideale Wetterbedingungen für die AufzuchtIm Gegensatz zum vergangenen Jahr, als unzählige Jungvögel der nasskalten Witterung und deren Folgen zum Opfer fielen, gedeihen die Storchenfamilien heuer prächtig. Nicht selten werden in einem Horst vier bis fünf Jungvögel aufgezogen. «Störche bevorzugen warmes Wetter», erklärt Reto Zingg. «Wir freuen uns, in diesem Jahr in den immer zahlreicher werdenden Horsten im Werdenbergischen so viele offenbar kerngesunde Jungtiere heranwachsen zu sehen», bestätigt auch Vereinspräsident Beni Heeb. Der südlichste bebrütete Horst auf der Schweizer Seite des Rheins befindet sich im Grabser Riet – im namentlich bestens passenden «Storchenhorst». Die grösste Storchenkolonie der Region ist seit vielen Jahren auf dem Gelände der Strafanstalt Saxerriet angesiedelt. Allein hier brüten laut Reto Zingg derzeit 19 bis 20 Paare.Zingg spricht von einer Erfolgsgeschichte, die noch nicht beendet sei. Er hofft, dass der bis zu 100 Zentimeter grosse Zugvogel mit einer Flügelspannweite von bis zu 2,20 Metern sich weiter in Richtung südliches Werdenberg und ins Sarganserland ausbreitet. «Wir haben Brutplattformen bis nach Sargans bereitgestellt», sagt Zingg. Ganz so perfekt wie beispielsweise in den Rieden von Gams und Grabs seien die Verhältnisse weiter südlich nicht: «Die Wiesen sind durch die vielen Meliorationen natürlich recht trocken, trotzdem dürfte sich der Weissstorch auch hier an manchen Orten ansiedeln», so Zingg. Die Wartauer Cholau hätte einige ideale «Flecken». Auch der Präsident des Vereins Rheintaler Storch, Beni Heeb, ist überzeugt: Dem Vormarsch der Störche sind in der Region – zumindest aktuell – noch keine Grenzen gesetzt. Die maximale Dichte an Weissstörchen in der Region sei noch nicht erreicht.Kinderbringer und MäusejägerIn der Bevölkerung ist der Storch hochwillkommen. Seit Jahrhunderten wird Meister Adebar, wie das Tier in der Fabelwelt genannt wird, als Glückbringer verehrt. Der Name Adebar aus dem mittelhochdeutschen Odebar setzt sich aus zwei Wortteilen zusammen, die «tragen, bringen» und «Besitz» bzw. «Atem» bedeuten. Früher montierten die Leute Wagenräder auf ihre Hausdächer, in der Hoffnung, der Storch würde darauf seinen Horst errichten. Auf der einen Seite sollte der Segelflieger, der mit vier Jahren geschlechtsreif wird, bei der Aufzucht seiner Jungtiere Ratten und Mäuse von Haus und Hof fernhalten, andererseits glaubte man daran, dass er Glück und Kinder bringen würde. «Man war überzeugt, dass der Blitz nicht in Häuser einschlägt, auf denen ein Storchenpaar nistet», kennt Reto Zingg alte Geschichten. «Wenn der Storch seine Jungtiere grosszieht, füllt er seinen Kropf, manchmal hat dann ein Beutetier, zum Beispiel ein Frosch, keinen Platz mehr darin und hängt zum Schnabel raus», erzählt der «Storchenvater» weiter. «Wahrscheinlich sah das aus der Ferne ein bisschen wie ein Baby aus – und so könnte das Bild des Storches als Kinderbringer entstanden sein.»

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