15.09.2018

«Kinder können hier Kinder sein»

Das Rheintaler Dorf ohne Durchgangsverkehr ist stark gewachsen. Hier zu leben, ist schon fast ein Privileg. Das Wachstum dient hier nicht dem Ausbau, sondern dem Bewahren.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Gert BrudererKobelwald früher, zwei und mehr Jahrzehnte zurückgedacht: Ein Ort mit Post, Raiffeisenbank, Tankstelle im Zentrum, Beck, Lebensmittelgeschäft, Chäsi, Wollladen, Autowerkstatt, sogenannter Fleischablage, Gemeinschafts­gefrierfach und einer Gemeinschaftsantenne.Ein grosser Teil dieser eins­tigen Infrastruktur hatte mit Kobelwalds Beizen zu tun. Dem Schäfli, in dessen Anbau die Lebensmittel zu haben waren, dem Felsenhügel, wo es Käsfladen, Nussgipfel und andere Backwaren gab, und der Taube, deren Wirt die Tankstelle betrieb. Kobelwald hatte die höchste Beizendichte der Schweiz.Gemeinde hat Boden verkauftBekannt ist Kobelwald für seine Kristallhöhle, die sich vom Dorfkern in 15 Minuten zu Fuss erreichen lässt. Wer sich von Oberriet die steile Strasse über Serpentinen nach Kobelwald hoch schlängelt, fährt zuerst an der Ruine Wichenstein und dann an einem neuen Wohnquartier vorbei. Rechterhand hat die Gemeinde Oberriet im letzten Jahrzehnt sieben Parzellen verkauft, weitere sechs auf der linken Bergseite. Auch unterhalb der zentral gelegenen Mehrzweckhalle entstanden dank der Oberrieter Bo­denpolitik drei neue Einfamilienhäuser.Die insgesamt 16 Häuser im Osten des Dorfs sind das direkte Ergebnis der Teilzonenplanung, die ziemlich genau vor zehn Jahren erfolgte.Aber auch auf privaten Grundstücken sind seither Wohnhäuser entstanden, in denen erwachsen gewordene Einheimische mit ihren Familien leben – drei oberhalb der Kapelle in Freienbach, weitere sechs im höher liegenden Gebiet Stein sowie ein knappes halbes Dutzend im oberen Teil Kobelwalds.Macht summa summarum etwa dreissig neue Häuser in zehn Jahren.«Gewaltig ist das Dorf gewachsen»Die Einwohnerzahl von 521 im Jahr 2009 stieg auf ziemlich genau 560. Gewaltig sei das Dorf gewachsen, sagt Ernst Gächter, der Präsident der Oberrieter SVP, der selbst in Kobelwald zu Hause ist und sich hier wiederholt für die Buslinie stark gemacht hat.Die Frage, ob die Entwicklung auch im Alltag spürbar sei, beantwortet Susanne Haltiner, die bald zwei Jahrzehnte in Kobelwald lebt, wie aus der Kanone geschossen mit «Jojo». Das Dorf sei recht belebt, es «hät en Huufe Schüeler». Ihre Tochter ist Drittklässlerin, der Sohn geht in die Sek in Oberriet.Genug Schulkinder auf Jahre hinausEiner der Seklehrer Oberriets, Raphael Bremgartner, lebt seit fünf Jahren in Kobelwald. Der Kriessner, dessen Frau aus Mörschwil stammt, ist Vater einer einjährigen Tochter und eines Sohnes, der den Kindergarten besucht. Einen «Kindi» hat Kobelwald seit 1972, die Schule seit einem Jahrhundert, und das Schöne ist: Dank der Bevölkerungsentwicklung, aber auch dank des Zusammenschlusses mit Hub-Hard (sowie der Zugehörigkeit von Freienbach, Stein und eines Teils von Kobelwies zum Einzugsgebiet) ist die Schule nicht in ihrer Existenz bedroht.Der frühere Schulpräsident Roman Ammann, der Kobelwald im Oberrieter Gemeinderat vertritt, ist über die stolze Schülerzahl sehr glücklich. Schon seit Jahren sind es achtzig Kinder oder fast so viele, und das dürfte auch so bleiben.Die Vorzüge Kobelwalds für Familien beschreibt Raphael Bremgartner kurz und bündig so: «Kinder können hier noch Kinder sein, sie können draussen spielen, es hat kaum Verkehr, das Dorf liegt relativ zentral und ist zugleich sehr ruhig.» Dank der Gemeinde sei gutes Bauland zu einem fairen Preis erhältlich gewesen, und nicht zuletzt dank einer guten Infrastruktur finde ein reges Vereinsleben mit recht vielen Anlässen statt.«Sogar eine Waldspielgruppe hat Kobelwald», sagt der Lehrer.Nicole Gächter, eine Rüthnerin, die seit sieben Jahren mit der Familie ein Haus in Kobelwald bewohnt (ihr Mann stammt von Freienbach) und zwei Kinder hat, nennt das Dorf sehr schön, die Lebensqualität sehr hoch. «Ich würde von hier nicht mehr wegziehen wollen», sagt Nicole Gächter.«Das einzige, was dem Dorf fehlt, ist ein Laden», meint Susanne Haltiner.Laden bräuchte Tagesumsatz von 4000 FrankenÜberlegungen zu diesem Thema haben ein paar Einheimische bereits einmal angestellt, mit allerdings ernüchterndem Ergebnis. Werde von zwei Angestellten und Margen von 20 Prozent ausgegangen, erweise sich ein Laden rasch als Wunschtraum, sagt Roman Ammann. Die Grobkalkulation ergab, dass ein Tagesumsatz von mindestens 4000 Franken nötig wäre, eher sogar etwas mehr, was angesichts von Kobelwalds Einwohnerzahl als unrealistisch gilt.«Dem Bestehenden Sorge tragen»Das Motto, wie Roman Ammann es auf den Punkt bringt, lautet somit: «Dem Bestehenden Sorge tragen.» Kobelwald hat eine Kirche, eine Schule, eine Ortsgemeinde, eine Dorfgemeinschaft, ein Dorfleben, und das alles gelte es zu sichern, wogegen ein namhafter Ausbau der dörflichen Infrastruktur kaum möglich sei.Ist die Entwicklung abgeschlossen – jetzt, da die Gemeinde kein weiteres Bauland mehr abgeben kann?«Nein, keineswegs», antwortet Roman Ammann überzeugt. Bebaubares Land gebe es reichlich, wenn auch von Privat – und die Familien in Kobelwald behalten dieses Land für eine nächste Generation. – Was ja durchaus von Weitsicht zeuge.

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