15.05.2019

Keine schrullige Altledige auf dem Bergli

Früher genossen unverheiratete Frauen hierzulande keine besondere Achtung, weil sie keinen Mann «ergattert» hatten, sei es, weil sie zu wenig attraktiv waren, sei es, weil sie zu wählerisch gewesen sind oder ihre Herkunft «anrüchig».

Bei Hedwig Scherrer war das anders, wie der kürzlich verstorbene Dorfarzt Josef Savary immer wieder versichert hatte. Man sprach vom «Fräulein Scherrer» mit grosser Hochachtung. Auf einer alten Ansichtskarte ist ihr Haus trotz der sehr bescheidenen Ausmasse mit «Villa Scherrer» betitelt, wohl seiner äusseren Gestalt wegen, sicher aber auch wegen einer Einrichtung, welche damals noch Seltenheitswert hatte: eine Badewanne! Die Wasserversorgung war gerade neu eingerichtet, das Wasserreservoir auf dem Bergli eine kleine Attraktion und die Leitung ins Haus in kalten Tagen Anlass für allerhand Ärger.Sehr engagiert im DorflebenDie Beziehung zur ländlichen Bevölkerung fiel Hedwig Scherrer nicht schwer, denn die ersten acht Lebensjahre hatte sie auf dem elterlichen Bauernhof bei Sulgen verbracht, und nun brauchte man sie bald als Lehrerstellvertreterin, Leiterin von Kochkursen für Montlinger Mädchen, Helferin in allerhand Notlagen, Regisseurin am Dorftheater und als Betreuerin von begabten jungen Männern und Frauen, denen sie die Ausbildung vermittelte und oft bezahlte.Den Dorfbrunnen gestiftetDen Höhepunkt ihres Engagements für ihre Wahlheimat bildete die Stiftung des Dorfbrunnens, für welchen der St. Galler Bildhauer Wilhelm Meier die Statue des Montlinger Dorfpatrons Johann Baptist schuf.Einen letzten Einsatz leistete Hedwig Scherrer zu Beginn des Zweiten Weltkrieges, als sie für die Soldaten der Grenzbesetzung eine Soldatenstube betrieb und hiefür ihre letzten finanziellen Reserven und sogar ihre Gesundheit opferte.Es ist Zeit geworden, die Erinnerung an Hedwig Scherrer wachzurufen, denn die Menschen, welche diese bedeutende Frau kannten, sind fast alle nicht mehr unter uns. Dazu dient die Ausstellung im Pfarreizentrum St. Johann in Montlingen, welche noch bis Ende Mai geöffnet ist, während den Öffnungszeiten des Sekretariats, jeweils Mittwoch und Donnerstag von 8.30 bis 11.30 Uhr und Freitag von 13.30 bis 16.30 Uhr. (pd)

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