06.11.2018

«Keine Partei sollte Ton angeben»

Die Dominanz der CVP über Generationen hinweg ist in Altstätten vorbei. Anteil an dem Wandel hat die politische Vereinigung a plus, die ihren Generationenwechsel eben erst vollzogen hat.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Gert BrudererDie breite Öffentlichkeit bringt a plus vor allem mit zwei Köpfen in Verbindung: Markus Rohner, der seit der Gründung im Jahr 2000 bis vor wenigen Wochen als Präsident gewirkt hat, sowie Ruedi Dörig, der a plus seit 2005 im Stadtrat vertritt.Am Anfang stand ein Knalleffekt, der mit der Gründung von a plus nicht direkt zusammenhing. Ein Wahlbündnis machte Rohner, ohne ihn zu fragen, zum Gegenkandidaten des damals amtierenden Stadtpräsidenten Josef Signer. Rohner schloss nicht aus, eine allfällige Wahl anzunehmen, bemühte sich aber nicht um das Amt. Das Ergebnis fiel zwar deutlich zugunsten Signers aus, der 69,2 Prozent der Stimmen erhielt, liess aber auch eine gewisse Unzufriedenheit mit der Machtverteilung in Altstätten erkennen. Rohner und seine Mitstreiter orteten das Problem in verkrusteten politischen Strukturen. In den ersten Jahren von a plus erschallte die Forderung nach einer «neuen Streitkultur» und mehr stadträtlichem Mut wie ein Befehl.Ex-CVP-Mann Rohner wollte etwas NeuesAls Markus Rohner, in den Achtzigerjahren Bundeshausredaktor für mehrere CVP-Blätter, 1993 nach Altstätten zurückkehrte, hatte er, kaum angekommen, Werner Ritter in der Stube. Der ehemalige Kantonsrat, der mit Leserbriefen und Voten an Bürgerversammlungen noch heute Lust am politischen Mitgestalten bekundet, versuchte in seiner Rolle als CVP-Ortsparteipräsident, den Rückkehrer und Parteikollegen für die Mitarbeit im Vorstand zu gewinnen. Zu jener Zeit war die CVP mit einer Zweidrittelsmehrheit, also mit sechs von neun Köpfen, im Stadtrat vertreten.Rohner machte mit. Um seine Gattin Edith buhlte die Partei genauso, denn man stellte sich die Lehrerin im Schulrat vor. Jedoch missfiel ihr die Bedingung einer Mitgliedschaft, und sie verzichtete darauf, zu kandidieren.Jemand anderer, der zu der Zeit dem Schulrat angehörte und parteilos war, bedauerte das Fehlen eines strukturierten Rückhalts. Heinrich Heule ist gemeint, ein Facharzt für Innere Medizin, der als Parteiloser die Schulstrategie mitbestimmte. Wie manche andere politisch Interessierte (Daniel Wiget, der angehende Musikschulleiter, zum Beispiel) vermisste Heule in Altstätten eine Organisation, die als lokale Alternative zu den traditionellen Parteien frischen Wind versprach.Auch Markus Rohner hatte sich gedanklich mittlerweile in das weite Feld fern jeder etablierten Macht verzogen, und als er auf diesem unbebauten Acker 1999 einen Leserbrief von Ruedi Dörig spriessen sah, wandte er sich stracks an den Reallehrer. «So Lüüt bruched mer», sagte er ihm kurz und bündig. Auch die FDP umgarnte Dörig, der sich aber für a plus entschied. Auch Heule fand bei a plus seine politische Heimat. Die neue Gruppierung machte gleich zu Beginn mit einer kecken Anti-CVP-Attacke auf sich aufmerksam. Als der damalige Stadtrat Markus Ritter (der heutige Nationalrat und Präsident der Schweizer Bauern) fürs Präsidium der Oberstufe kandidierte, vertrat a plus den Standpunkt, Primarschule und Oberstufe sollten von ein und derselben Person präsidiert werden. Also vollführte a plus für ein solches Doppelmandat sozusagen ein Meisterstückchen: Als Ritters Gegenkandidat wurde dessen CVP-intern unterlegener Parteikollege Christof Broger von Ruedi Dörig angefragt und von a plus nominiert – mit dem Ergebnis, dass Broger die Kampfwahl tatsächlich gewann.Erfolglos blieb indessen der Versuch, mit geballter Kraft einen Stadtratssitz zu erobern. Statt sich auf eine Kandidatur zu beschränken, rückte a plus der CVP mit zwei Kandidaten und zwei Kandidatinnen zu Leibe. Aber das bisherige Kräfteverhältnis blieb vorerst weitgehend intakt: Mit fünf (statt zuvor sechs) Stadträten, inklusive Präsident, blieb die CVP vorerst übermächtig. Die vier anderen Sitze teilten sich FDP (2), SVP und Grüne, a plus ging leer aus. Ihr Kandidat Ruedi Dörig wurde erst vier Jahre später gewählt – auf Kosten allerdings nicht der CVP, sondern des Grünen Meinrad Gschwend, was Rohner noch heute bedauert; das sei nicht das Ziel gewesen.a plus verstand sich «nie als Anti-CVP-Partei»Heute ist die CVP im (nicht mehr neun-, sondern siebenköpfigen) Stadtrat mit einem einzigen Mitglied vertreten. Den Rest der Sitze teilen sich FDP (2), SVP (1), a plus (1) und zwei Parteilose (inklusive Stadtpräsident).Die Wahl des Präsidenten Ruedi Mattle im Jahr 2012 und seine Bestätigung vier Jahre danach zeugt am besten vom Bruch mit den traditionellen Parteien. A plus hatte Mattle kräftig unterstützt.«Wir brauchen die Parteien – alle», sagt Markus Rohner, nicht aber die einstige «Altstätter Monokultur» und die Dominanz einer Partei über Generationen hinweg. Dass eine einzige Partei den Ton angebe und grosszügig einige Brosamen verteile, solche Zeiten kehrten hoffentlich nicht wieder.Als Anti-CVP-Partei habe a plus sich aber nie verstanden, sagt Rohner. Überhaupt war man in den letzten zwei Jahrzehnten mit der politischen Konkurrenz oft einig. Ob Spital- oder Museumsausbau, Hallenbad- oder Stadtentwicklungsprojekt: a plus beteiligte sich konstruktiv und stand zusammen mit den anderen auch hinter dem Stadtentwicklungsprojekt. Aber a plus kann auch anders. Mit Nachdruck, aber am Ende erfolglos vertraten Rohner und seine Mitstreiter (mit Ausnahme des «eigenen» Stadtrates Dörig) ihr Ja für eine autofreie Marktgasse, ein Jahrzehnt zuvor machte man sich für ein Stadtmarketing und die nicht sonderlich populäre, aber vom Volk gutgeheissene Bewirtschaftung der Parkplätze stark.Gegenüber früher «reden die Parteiexponenten nun offener miteinander,» sagt Markus Rohner. Behördenmitglieder seien nicht mehr Befehlsempfänger ihrer Parteien, und umgekehrt gäben sich die Parteien nicht mehr so stark als Erfüllungsgehilfen ihrer Mandatsträger her. Gewiss, die Haltung «könnte nach wie vor kritischer sein», findet der 61-Jährige, der am NTB in Buchs einen Lehrauftrag für Kommunikation und Kultur hat und dessen Vater Eugen fast drei Jahrzehnte lang als Chefredaktor des einstigen CVP-Blattes «Rheintalische Volkszeitung» tätig war.Während seines Geschichts- und Germanistikstudiums leistete Markus Rohner bei der eins­tigen Tageszeitung «Die Ostschweiz» an jedem zweiten Sonntag Redaktionsdienst, wobei er sich mit Thomas Müller abwechselte, dem späteren Stadtpräsidenten von Rorschach. Wie Rohner verliess Müller die CVP – der heutige Nationalrat allerdings nicht, um wie der Altstätter etwas völlig Neues aufzubauen, sondern um sich der SVP anzuschliessen.Bewährungsprobe bei nächsten WahlenImmer wenn Wahlen bevorstehen, ziehen sich die Parteioberen in ihre Schneckenhäuser zurück. So jedenfalls erlebt es Markus Rohner, der anstelle grossen Schweigens grösstmögliche Offenheit vorzöge, wozu frühzei­tiges Informieren bei sich abzeichnenden Rücktritten gehörte. Auch die Botschaft an die Stadt, mehr zu gestalten statt vor allem zu verwalten, ist stets die gleiche geblieben. Mit Blick auf a plus sagt Markus Rohner, er sei froh und dankbar, dass der Generationenwechsel sich so schlank habe vollziehen lassen. Das gleiche gelte für den Wandel von einer «Lehrerpartei» zu einer durchmischten Gruppierung. Rohners Rücktritt als Präsident wird in naher Zukunft Dörigs Rücktritt aus dem Stadtrat fol­-gen. Wenn im übernächsten Jahr die Gesamterneuerungswahlen stattfinden, wird a plus seine Bewährungsprobe zu meistern haben.

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