03.02.2020

Keine Frage des Geschlechts

Die Landwirtschaft ist eine Männerdomäne. Christa Eugster-Rupp aus Marbach ist trotzdem gegen eine Frauenquote.

Von Benjamin Schmid
aktualisiert am 03.11.2022
Obwohl etwa ein Drittel der landwirtschaftlichen Arbeit von Frauen verrichtet wird, leiten nur die wenigsten von ihnen einen eigenen Betrieb. Christa Eugster-Rupp ist gelernte Landwirtin und führt ihren Hof seit 2008 als Betriebsleiterin.2018 wurden 1570 Betrie-be von Frauen geführt. Das sind doppelt so viele wie noch 2000 – aber immer noch erst 6,2 Prozent aller Schweizer Landwirtschaftsbetriebe.«Die Zeiten, in denen Betriebsleiterinnen in der Landwirtschaft komisch angeschaut wurden, sind glücklicherweise vorbei», sagt Christa Eugster-Rupp. Früher waren Frauen vornehmlich für die Aufgaben im Haushalt und die Erziehung der Kinder verantwortlich und arbeiteten oft auch auf dem Betrieb mit. Heute aber übernehmen Frauen zunehmend die Tätigkeiten ihrer männlichen Berufskollegen und führen den Hof selbstständig.Dies belegen die Zahlen der diplomierten Landwirtinnen am Landwirtschaftlichen Zentrum in Salez. Schlossen 2012 nur vier Frauen die Ausbildung zur Landwirtin EFZ ab, waren es im letzten Jahr doppelt so viele. Das sind knapp zehn Prozent aller Diplomierten.Freude an der Arbeit steht im Mittelpunkt«Es braucht keine Frauenquote», sagt die Betriebsleiterin, «je mehr Frauen die Ausbildung abschliessen, desto mehr Betriebsleiterinnen wird es geben.» Nicht die Geschlechterfrage stehe im Mittelpunkt, sondern die Freude an der Arbeit. Entscheidend sei die Motivation für den Beruf und nicht die Muskelkraft. Dennoch erinnert sie sich an die Anfangszeiten, als sie sich mehr beweisen musste als ihre männlichen Kollegen. «Ich habe gezeigt, dass ich alles kann und mir damit ihren Respekt verdient», sagt sie. Das war mit ein Grund, wieso sich die Stellung der Frauen in der Landwirtschaft allmählich verbessert habe. Wurde das Traktorfahren früher nur den Buben beigebracht, dürfen es heute auch Mädchen erlernen. «Es gibt kaum Tätigkeiten, die nicht von Frauen ausgeführt werden können», sagt Christa Eugster-Rupp.Umgekehrt übernehmen Männer mehr Verantwortung im Haushalt und in der Kindeserziehung. Als Mutter zweier Töchter weiss Christa Eugster-Rupp, dass nicht alle Männer in der Landwirtschaft gegenüber der Emanzipation der Frau gleich offen sind. Noch heute spüre sie einen gewissen Druck, sich beweisen zu müssen. In der Landwirtschaft fehle es an Möglichkeiten, dass Frauen einfach beginnen können, und oft fehle ihnen der Mut, einzusteigen.Auf der anderen Seite erfährt sie heute mehr Wertschätzung für ihre Leistungen als noch vor ein paar Jahren. «Viele Berufskollegen haben gesehen, was ich kann und leiste», sagt die Marbacherin. So sehe sie die entgegengebrachte Wertschätzung ihrer Berufskollegen als weniger problematisch an als das sinkende Ansehen der Landwirtschaft in der Gesellschaft.Zwischen Betriebund FamilieDas Leben auf dem Hof sei streng. Noch vor dem Frühstück müssen die Kühe gemolken werden. Ausserdem gelte es, die Kinder für die Schule zu richten. «Die grösste Herausforderung ist es, alles unter einen Hut zu bringen», sagt die 38-Jährige, «Kinder, Partner, Beruf und Hobbys.»In den letzten Jahren seien technische Errungenschaften auf den Markt gekommen, die das Leben der Landwirte vereinfachten. War es früher unmöglich, eine Woche Urlaub zu nehmen, gehören Ferien heute dazu. Vieles sei eine Frage der Organisation und hänge auch von der Unterstützung des Partners und der Familie ab. Christa Eugster-Rupp kümmert sich mehrheitlich allein um den Hof, ihr Mann, Kilian Eugster, unterstützt sie aber bedingungslos. Trotz viel Arbeit und wenig Freizeit geniesst die Betriebsleiterin ihren Alltag. «Ich bin oft an der frischen Luft, darf mit Tieren arbeiten und erfreue mich an meinem abwechslungsreichen Beruf», sagt sie. Und auch für Hobbys und Freizeitaktivitäten finde sie Zeit.Christa Eugster-Rupp sagt: «Wenn es richtig heiss ist, lassen wir die Arbeit auch mal liegen, packen unsere Badesachen und gehen mit den Kindern ins Freibad.» Insgesamt ist die Landwirtin mit ihrer Situation zufrieden. Sie sieht eine deutliche Verbesserung der Stellung der Frauen in der Landwirtschaft. Wie in anderen Berufsgattungen auch, gebe es fortschrittlichere und rückständigere Vorstellungen der Geschlechterrollen, aber: «Wenn eine Frau einen Betrieb leiten möchte, dann kann sie das heute.»

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