Erst fünf Jahre alt war das St. Gallische Gesetz über die Staats- und Gemeindefinanzen, als es bereits revidiert werden sollte. Der «Rheintaler» verwies auf namhafte Einnahmeausfälle bei einer Annahme des Nachtragsgesetzes und schrieb: Mehr als neun Zehntel des Ertragsausfalls im Haushalt von Staat und Gemeinden müssten durch Steuererhöhungen ausgeglichen werden. Doch «in den mittel- und schwerbelasteten Gemeinden, insbesondere im Rheintal, Werdenberg und Oberland, wird man diese ‹Ausweichmöglichkeit› kaum sehr schätzen».Der Hang, die (möglichen oder behaupteten) Folgen eines Abstimmungsergebnisses mit bildhafter Sprache zum Ausdruck zu bringen, ist nichts Neues. Schon früher bediente man sich dieses Mittels. Im «Rheintaler» wurde die Leserschaft vor der Abstimmung über das Nachtragsgesetz zu den Steuern gefragt: «Sollen nun in einem Zeitpunkt, da sich zufolge der rückläufigen Konjunktur bereits besorgniserregende Ausfälle in den öffentlichen Steuereinkünften ankündigen, durch eine vom Zaun gerissene Steuergesetzrevision noch weitere Löcher aufgerissen werden?» Es sei, hiess es an anderer Stelle, «immer nur eine einmalige Freude, das Huhn, das goldene Eier legt, abzuschlachten».Hohe Einkommen stärker belastet als anderswoInteressant ist aus heutiger Sicht die damals beigezogene Statistik. Dem geltenden Steuergesetz, hiess es, «wird von den Befürwortern der Steuergesetzrevision kurzerhand vorgeworfen, dass es zu wenig sozial sei, obwohl es in der Schweiz kaum ein Steuergesetz mit einer derart steil ansteigenden Progression gibt». Sodann wurde aufgelistet, wie hoch der Steueranteil eines Verheirateten ohne Kinder je nach Einkommen in Zürich, Biel und Rorschach sei.In einer Zeit, als hinter Lokalzeitungen politische Parteien standen, war die Frage natür-lich nicht neutral formuliert, sondern so: «Wie wird nun im roten Zürich, im roten Biel und im gut bürgerlichen Rorschach ein Einkommen verschiedener Stufen besteuert?»Leserin und Leser erfuhren: «In der Einkommensbelastung nach Kantonshauptorten steht St. Gallen für ein Einkommen von 2000 Franken an elfter, 5000 Franken an vierzehnter, 10000 Franken an siebenter, 15000 Franken an fünfter, 20000 Franken an vierter, 50000 Franken an dritter und 100000 Franken an erster Stelle.» Wer diese Zahlen unvoreingenommen lese, werde doch nicht behaupten wollen, das geltende Gesetz bevorteile die höheren Einkommensempfänger zuungunsten der Kleinverdiener, folgerte die «Rheintaler»-Redaktion.In Inseraten wurde die «schlagwortartige Behauptung», die Einkommen bis 10 000 Franken würden allgemein entlastet, als «schwere Irreführung» bezeichnet und mit Beispielen beschrieben, unter welchen Voraussetzungen jemand bei einem Ja mehr Steuern zu bezahlen hätte.Alle Bezirke schickten die Revision bachabNach der Abstimmung berichtete der «Rheintaler», die von den Sozialdemokraten und den Christlichsozialen angestrebte Revision des kantonalen Steuergesetzes sei so eindeutig wie nur möglich ausgefallen.Alle Bezirke, inklusive Stadt, hätten das Gesetz mit teils sehr starken Mehrheiten bachab geschickt. Zitat: «Ein Überschuss von vollen 20000 Stimmen stellt in unserem Kanton eine ausserordentliche Seltenheit dar und sagt deutlicher als irgendwelche lange Ausführungen, was das Volk von der mit so viel Salbung angepriesenen Steuergesetz-Revision denkt.» Sogar die Wohngemeinde des einflussreichsten und tätigsten Befürworters, Gemeindeammann und Nationalrat Mathias Eggenberger in Henau, habe klar verworfen.Die Zeitung verwies zudem auf einen Umstand, der selbstredend auch heute noch gilt: «Dass man unter der Fuchtel eines Steuergesetzes, so sozial es auch ausgestaltet sein mag, nicht unter Palmen oder auf paradiesischen Auen wandeln kann, ist klar.»