04.10.2021

Kein Mittagstisch für Büezer ohne Zertifikat

Eine Altstätterin wollte einen Mittagstisch für Bauarbeiter lancieren, die weder geimpft, getestet noch genesen sind. Es bleibt bei der Idee.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
In den sozialen Medien, wo die Zertifikats- und Impfgegnerschaft sich gegenseitig in ihrer Haltung bestärkt, hat die Mittagstisch-Idee viel Zuspruch erfahren. In der realen Welt sieht es denn doch etwas anders  aus. Die Verwaltung des betroffenen Mehrfamilienhauses bekam umgehend berichtet, dass andere Mietparteien für einen solchen Mittagstisch kein Verständnis hätten. Die Verwaltung teilt das Unverständnis.Worte an Berset: «Abstruse Ideen»Die Initiantin hat nun zurückbuchstabiert. Sie sagt, ihre Mittagstisch-Idee sei gut gemeint gewesen und habe viel Zustimmung erhalten; auch verschiedene Medienvertreter hätten sich gemeldet. Allerdings seien geharnischte Reaktionen nicht ausgeblieben.Nachdem die Hausverwaltung die Mittagstisch-Initiantin angerufen hatte, meldete sich diese auf dem Instant-Messa­ging-Dienst Telegram erneut zu Wort; sie habe ein Problem, wisse nicht, was sie machen könne, vielleicht sei jemand in der Lage, ihr zu helfen. Später entschuldigte sie sich auf Face­-book (in der Gemeinschaft Oberrheintal) dafür, dass sie bei Hausverwaltung, Mieterinnen und Mietern eine Lawine ausgelöst habe, was nicht ihre Absicht gewesen sei.Auf Facebook verstieg sich daraufhin jemand zur Aussage: «Wie zu SS-Zeiten. Zum Kotze.» Die Mittagstisch-Initiantin entgegnete: «Leider ja. Es isch würkli zum chotze.» Ein anderer schrieb: «Lass dir keine Angst machen. Es sind deine Gäste und Gäste/Besuch darf nicht verboten werden.»Mit der Hausverwaltung will die Mittagstisch-Initiantin es sich nicht verscherzen, aber ihre Haltung in der Sache habe sie nicht aufgegeben, sagt sie. Auf der Plattform friendsME findet sich von ihr die folgende (schon vor einiger Zeit veröffentlichte) Kurzbotschaft an Bundesrat Alain Berset: «Ich begrüsse Sie und verneige mich vor ihren abstrusen Ideen zum Zertifikat, Herr Alain Baron von Münchhausen … sorry, Berset.»Für private Anlässe gibt’s auch RegelnAngenommen, jemand wollte tatsächlich für Büezer ohne Zertifikat einen Mittagstisch einrichten. Ginge das? Die Initiantin hatte ausgeführt, sie wolle «nicht den Gastrobetrieben schaden, sondern einfach ein kleines Angebot für jene schaffen, die nicht ins Restaurant können».Von der kantonalen Verwaltung kommt auf Anfrage der Hinweis, ob es sich bei einem solchen Mittagstisch um ein Restaurant oder eine private Veranstaltung handelte, sei nicht geklärt. Klar sei hingegen, dass «auch bei privaten Veranstaltungen Regeln einzuhalten sind». Wie diese Regeln lauten, ist auf der Webseite des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) ausführlich dargelegt.Klare Regeln: «So en Chäs»Auf die Mittagstisch-Idee ist folgende Bestimmung anwendbar: «Veranstaltungen mit maximal 30 Personen eines Vereins oder einer anderen beständigen Gruppe, deren Mitglieder dem Organisator bekannt sind», seien möglich, allerdings mit klaren Vorbehalten: In Innenbereichen gelten eine Maskenpflicht sowie ein Konsumationsverbot. Ein Mittagstisch wird da zwangsläufig zur Wunschvorstellung.Die weniger strenge Regel für Veranstaltungen im Freundes- und Familienkreis kommt nicht zur Anwendung, weil es sich bei den von der Idee angesprochenen Büezern ja nicht um Freunde oder Angehörige handelt. Auf Facebook wird dem aber kühn entgegengehalten: «So en chäs. Machs doch eifach. Wer cha dir verbüta das du Lüt dörfsch zum Zmittag ihladä?» Zu lesen ist auch: «Man kann doch einladen wenn man zum Mittagessen möchte ... Oder ist es auch schon verboten?» In vielen weiteren Meinungsäusserungen wird ebenfalls munter am Kern des Sachverhalts vorbeigeschrieben.Vermieter kann Mittagstisch verbietenAbgesehen von den Corona-Regeln, die einen Mittagstisch für Büezer ohne Zertifikat sowieso verbieten, kann der Vermieter einer Wohnung einen Mittagstisch untersagen, wenn im Mietvertrag die Wohnnutzung als Verwendungszweck genannt ist. Ein Mittagstischangebot habe mit dem Wohnzweck nichts zu tun, erklärt die Rechtsberatung des kantonalen Hauseigentümerverbandes. Halte sich die Mieterschaft nicht daran, begehe der Mieter oder die Mieterin eine Vertragsverletzung; eine Kündigung wäre möglich. Ohnehin kann ein bestehender Mietvertrag grundsätzlich jederzeit unter Einhaltung der vertraglichen Kündigungsfrist auf den nächsten Kündigungstermin aufgelöst werden; die Nennung eines Grundes ist nicht nötig. Hingegen setzt eine ausserordentliche Kündigung einen Kündigungsgrund voraus, etwa nach Artikel 257f des Obligationenrechts (Sorgfalt und Rücksichtnahme) oder nach Artikel 266g (wichtige Gründe). In solchen Fällen besteht allerdings ein erheblicher Ermessensspielraum und das Beweisrisiko trägt (anders als bei der ordentlichen Kündigung) der Vermieter oder die Vermieterin.

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