Die CVP-Kantonsräte Andreas Broger (Altstätten), Patrick Dürr (Widnau) und Sandro Hess (Balgach) beobachten mit Sorge, dass Lehrstellen immer früher vergeben werden. Im Rheintal gab es zwar eine Regelung, nach der Lehrstellen frühestens im Herbst vor Lehrbeginn vergeben werden. Doch an diese Übereinkunft «Credo Fairplay» haben sich zuletzt immer weniger Lehrbetriebe gehalten. Und jene, die sich noch an sie hielten, fühlten sich von den anderen übervorteilt. Letztes Jahr wurde sie dann für gescheitert erklärt.Die frühe Lehrstellenvergabe setze die Jugendlichen aber unter Druck, möglichst früh zu einem Lehrvertrag zu kommen, warnen Broger, Dürr und Hess. Dies führe dazu, dass die Jugendlichen ihre Berufswahl treffen, bevor sie sich eingehend mit den Möglichkeiten, die sich ihnen bieten, auseinandergesetzt haben. Als Folge davon würden viele Lehrverhältnisse abgebrochen oder gar nicht erst angetreten. Mit einem Postulat wollten sie die Regierung zu einer Auslegeordnung bewegen, die als Grundlage für eine besser geregelte Lehrstellenvergabe dienen sollte.Doch die Regierung will nicht. Sie beantragte dem Rat, auf das Postulat gar nicht erst einzutreten. Eine faire Lehrstellenvergabe sei auch ihr ein Anliegen, hält sie fest. Das Amt für Berufsbildung genehmige Lehrverträge deshalb konsequent erst ab November (im Vorjahr des Lehrbeginns). Alles darüber hinaus wäre aber ein unverhältnismässiger Eingriff in die Vertragsfreiheit, würde eine stärkere Regulierung der Berufsbildung bedeuten und diese damit schwächen. «Das Postulat bringt nichts; der Bericht würde das Problem nicht lösen», bekräftigte der zuständige Regierungsrat Stefan Kölliker gestern am ersten Tag der Novembersession. Stattdessen sollten die Ratsmitglieder ihr Netzwerk nutzen und die Verantwortlichen in den Lehrbetrieben zur Zurückhaltung mahnen.«In diesem Alter sind sie noch Kinder»Broger, Dürr und Hess glauben indes nicht, dass dies genügt. Mittlerweile würden Jugendliche ihren Beruf bereits in einem Alter wählen, in dem man ihnen von Gesetzes wegen noch nicht einmal zutraue, ein Töffli zu fahren, argumentierte Patrick Dürr gestern. Es gebe auch Schüler, die kaum die dritte Oberstufe bestehen, nur weil sie den Lehrvertrag schon im Sack haben und sich keine Mühe mehr geben, sagte Sandro Hess, der beruflich Oberstufenschulleiter in Altstätten ist. Verschiedene weitere Lehrer im Rat pflichteten ihm bei. Sandro Wasserfallen (SVP, Rorschacherberg) hatte schon Schüler, denen man anfangs zweite Sek bereits die Lehrstelle mündlich zugesichert hatte. Das ist zu jung, sagte auch Joe Walser (SP, Sargans); und mit der früheren Einschulung werde sich das Problem noch verstärken, meinte der Reallehrer: «Diese Schüler sind noch Kinder, wenn sie ihren Beruf wählen.»Marcel Dietsche (SVP, Kriessern) hingegen findet dies nicht so schlimm. Heutzutage bleibe ohnehin kaum jemand mehr ein Leben lang im ersten erlernten Beruf; Umschulungen und Weiterbildungen seien die Regel. Dass die Lehrbetriebe dermassen um die besten Lehrlinge buhlen, sei ausserdem ein Luxusproblem – und jedenfalls besser, als wenn es zu wenige Lehrstellen für alle Jugendlichen hätte.Linus Thalmann, SVP-Kantonsrat und Wirt aus Kirchberg, ist sogar der Meinung, «dass jemand, der schon früh weiss, was er werden möchte, sicher der bessere Lehrling ist als jener, der kurzentschlossen nach der letzten freien Lehrstelle greift». Er verteidigt zudem die Betriebe, die ihre Lehrlinge früh verpflichten: Er selbst wolle ebenso Topleute, die ins Team passen, und werde nicht zuwarten, bis jemand anders ihm diese wegschnappe, wie schon geschehen.Andreas Broger hält das für Unsinn: «Wer kann schon 16 Monate vor Lehrbeginn sagen, dass ein Bewerber der beste ist und nicht noch jemand kommt, der sich besser eignen würde.»Der Rat folgte letztlich mehrheitlich der Regierung und lehnte ein Eintreten auf das Postulat mit 72 Nein zu 37 Ja deutlich ab. Nachdem Broger, Dürr und Hess damit von der Regierung keinen detaillierten Bericht mit Zahlen zu den Lehrstellenabbrüchen bekommen werden, überlegen sie sich nun, mit einer Interpellation an diese Daten zu kommen.Max Tinner