04.03.2022

Kanton will ÖV-Aktien verkaufen

Die St. Galler Regierung will die Beteiligung an der Bus Ostschweiz AG abstossen. Doch das Transportunternehmen stellt Bedingungen.

Von Michael Genova
aktualisiert am 02.11.2022
Gross war der Aufschrei in der Politik, als im vergangenen Dezember Unregelmässigkeiten bei der Bus Ostschweiz AG bekannt wurden. Über 5,5 Millionen Franken an Subventionen soll das Verkehrsunternehmen zu Unrecht bezogen haben. Kaum war der Skandal öffentlich, stellte die St. Galler FDP in einem politischen Vorstoss den Verkauf der öffentlichen ÖV-Beteiligungen zur Debatte. Die Vorkommnisse hätten gezeigt, dass im Bereich des ÖV eine strikte Trennung zwischen Eigner und Besteller vorzunehmen sei, so die Freisinnigen.Nun hat die St. Galler Regierung den Vorstoss beantwortet und bekannt gegeben, dass sie sich von einzelnen ÖV-Beteiligungen trennen will. «Den Anteil an der Bus Ostschweiz AG möchte die Regierung zu marktgerechten Preisen abstossen», schreibt sie. Auch aus den Appenzeller Bahnen (AB) will sich der Kanton als Eigner zurückziehen. Derzeit sei geplant, die Aktien der AB «zu einem geeigneten Verhältnis» für Aktien der Südostbahn AG (SOB) einzutauschen. Der Anteil des Kantons an der SOB würde damit leicht steigen. Zurzeit ist der Kanton St. Gallen Mitbesitzer von drei Transportunternehmen des öffentlichen Verkehrs. Der Anteil an der Bus Ostschweiz AG beträgt 40,9 Prozent. Bei der SOB sind es 19,2 Prozent, bei den AB 10,6 Prozent. Grundsätzlich sei die Regierung der Ansicht, dass die verschiedenen Rollen des Kantons als Besteller, Eigner und Regulator nicht vermischt werden dürften, heisst es in der Regierungsantwort. Bus Ostschweiz wehrt sich gegen Verkauf Allerdings ist es dem Kanton offenbar noch nicht gelungen, seine Anteile an der Bus Ostschweiz AG abzustossen. «Der Verkauf ist bisher am Widerstand des Verwaltungsrats gescheitert», schreibt die Regierung. Grund dafür sei die Vinkulierung der Aktien. Das heisst: Für einen Verkauf an neue Inhaber braucht es das Einverständnis des Verwaltungsrats. Bus Ostschweiz ist allerdings nicht grundsätzlich gegen einen Verkauf der Kantonsanteile. «Der Verwaltungsrat wehrt sich jedoch gegen einen Verkauf der Aktien an Konkurrenten oder private Mitbewerber», betont Mediensprecher Ralph Dietsche. Dieser würde die Eigenständigkeit der Bus Ostschweiz AG gefährden und könnte zur Folge haben, dass die vielen Arbeitsplätze im Rheintal gefährdet und die Gruppe via Dividenden finanziell ausgehöhlt würden. Darüber hinaus kritisiert Bus Ostschweiz, dass der Kanton gerade jetzt seine Anteile verkaufen will. Dietsche sagt: «Eine Veräusserung der Aktien während der laufenden Auseinandersetzung über die Höhe der Subventionsbezüge würde heute zur Unzeit erfolgen.» Der Kanton, der bis im Jahr 2015 stets im Verwaltungsrat der Bus Ostschweiz AG vertreten war, stehe in der Mitverantwortung. Schadenssumme höher als ursprünglich vermeldetDie St. Galler Regierung will nun die zu Unrecht bezogenen Subventionen von der Bus Ostschweiz AG zurückfordern. Im vergangenen Dezember bezifferte die kantonale Finanzkontrolle den entstandene Schaden auf 5,5 Millionen Franken. Doch die potenzielle Schadensumme liege «deutlich höher» als ursprünglich vermeldet, heisst es nun in der Regierungsantwort. Grund dafür seien unter anderem die Zinsen und die zu berücksichtigende Vorsteuerkürzung. Nach Bekanntwerden der Vorwürfe im vergangenen Dezember stellte Bus Ostschweiz eine Rückzahlung in Aussicht: «Sollte sich herausstellen, dass die Bus Ostschweiz AG zu hohe Subventionen erhalten hat, werden diese selbstverständlich den Bestellern zurückerstattet», sagte VR-Präsident Daniel Wild. Streit um strafrechtliche KonsequenzenNoch offen ist die Frage, ob die umstrittene Abschreibungspraxis auch strafrechtliche Konsequenzen für die damaligen Verantwortlichen haben könnte. Gemäss einem Prüfungsbericht der kantonalen Finanzkontrolle hat Bus Ostschweiz vollständig abgeschriebene Busse an ein Tochterunternehmen verkauft. Dieses vermietete die Fahrzeuge von 2012 bis 2019 zu überhöhten Kosten zurück an die subventionierte Muttergesellschaft. Die St. Galler Regierung schreibt in ihrer Antwort lediglich: «Das Bundesamt für Verkehr prüft strafrechtliche Massnahmen.» Wortreicher ist dagegen die Stellungnahme von Bus Ostschweiz: «Dass das BAV Massnahmen strafrechtlicher Natur prüft, ist dem Verwaltungsrat der Bus Ostschweiz AG nicht bekannt», sagt Mediensprecher Ralph Dietsche. Nach der Beurteilung durch einen von der Bus Ostschweiz AG beigezogenen Strafrechtsexperten bestehe nicht einmal ein hinreichender Anfangsverdacht. Falls man eine Strafuntersuchung in Betracht ziehen würde, müsste man auch die Verwaltungsräte, welche den Kanton vertreten haben, in die Untersuchung als Beschuldigte einbeziehen, so Dietsche. Und das Bundesamt für Verkehr seinerseits antwortet auf die Frage, ob in der Zwischenzeit eine Strafuntersuchung eingeleitet worden sei: «Das BAV hat noch keinen Entscheid getroffen. Die Abklärungen in dieser Hinsicht laufen weiter.»

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