17.06.2021

Kanti-Theater auf Video: Vögel widersetzen sich ihren Rollen

Mit «Bookpink» hat die Kanti Heerbrugg ein gesellschaftskritisches Stück einstudiert und es als Video festgehalten.

Von Monika von der Linden
aktualisiert am 03.11.2022
Es ist eine schräge Zeit im Moment. Die Sehnsucht nach dem Alltag ist gross, es sind aber immer noch etliche Einschränkungen geboten. Ein Bühnenverbot gilt für die Theatergruppe der Kantonsschule Heerbrugg zwar nicht, aber nicht vor Publikum spielen zu dürfen, dämpft die Freude gewaltig.Den Kopf stecken die Co-Regisseurinnen Simone Bischof und Milena Todic trotzdem nicht in den Sand. Sie haben mit «Bookpink» von Caren Jeß (Dresden, Deutschland) ein Stück ausgewählt, das ebenso schräg wie die Zeit ist. Der Name stammt aus dem Niederdeutschen und heisst «Buchfink». Die Geschichte erzählt von menschlichen Alltagsproblemen. «Wir sind aber keine Menschen, sondern Vögel», sagt Allegra Margadant. Sie ist eine der drei Vogel-Darstellerinnen, die von ihren Rollen erzählen.Sich von der Geschlechterrolle befreienDer Dreckspfau (Matilda Frank), die Pute (Annika Hörtner) und die Taube (Allegra Margadant) leben in einer verkehrten Vogelwelt. In ihr trauern drei Sumpfmeisen um einen Artgenossen und erzählen, was geschehen ist: Er hat seine Brust nicht mehr im Form bringen wollen. Bei den Vögeln müssen nämlich die Männer schöner sein, als die Frauen. Das Meisenmännli hat sich von der Geschlechterrolle befreien wollen.Der Dreckspfau hat nichts aus seinem Leben gemacht, lebt in einer Mülltonne und suhlt sich im Selbstmitleid. «Er kann nichts und schiebt seine ständigen Misserfolge auf seine Herkunft», sagt Matilda Frank. Sie tritt in ihrer Rolle mit einem Spatzen in einen Dialog. Der Pfau glaubt neidvoll, dass die Spatzenmutter alles richtig gemacht hat, seine Mutter allerdings nichts. «Mir hat es gefallen, dass ich vulgär sein darf. Der Pfau sagt dem Spatzen gerade raus, dass er ihn doof findet», sagt Matilda Frank.[caption_left: Matilda Frank: «Mir hat es gut gefallen, dass ich einmal vulgär sein darf.»]«Du hast die Rolle megagut gespielt», sagt Annika Hörtner und wendet sich ihrer Kollegin zu. «Du bist wie der Pfau ehrlich und direkt, aber selbstsicher und nett.»Die Pute ist die Parodie einer Esoterikerin. «Sie hört niemandem zu, ist rechthaberisch, manipulativ und machtbesessen», sagt Annika Hörtner über ihre eigene Rolle. Den Stall, ihr Energiezentrum, will die Pute mit Halbedelsteinen ausschmücken. Es kümmert sie nicht, dass die Steine Schadstoffe enthalten. «Es war schwierig, mich mit ihr zu identifizieren. Ich bin gelassener und steigere mich nicht so sehr in etwas hinein, das nicht klappt», sagt sie. «Ich möchte auch Recht haben, klopfe aber keine Botschaften».[caption_left: Annika Hörtner: «Ich will auch Recht haben, klopfe aber keine Botschaften.»]Die poetische Taube ist verträumt, sie will lieber im Barock als in der Gegenwart leben und trägt ein viel zu grosses Hochzeitskleid. «Das ist Absicht, damit man sieht, dass ich in der falschen Zeit gefangen bin», sagt Allegra Margadant. «Ich rege mich als Taube auf, sobald ich vom erträumten Barock in die Realität wechseln muss.»[caption_left: Allegra Margadant: «Ich rege mich auf, sobald ich vom Barock in die Realität wechsle.»]«Du bist realitätsbezogen hilfsbereit und immer gut drauf», sagt Matilda Frank zur Darstellerin der Taube.Ein Auftritt vor der Kamera anstatt vor PublikumDie sechs Szenen spielt die Truppe nicht wie sonst auf der Aulabühne, sondern als Stationentheater im Schulhaus verteilt. Die Idee, Besuchergruppen zirkulieren zu lassen, haben die Co-Regisseurinnen verworfen. Erst haben sie nicht gedurft, später sind die Maturaprüfungen dazwischen gekommen. Damit «Bookpink» auch ausserhalb der Schule Aufmerksamkeit erhält, hat die Kanti ein Video produziert, das man sich online anschauen kann. Es steht in Qualität, Unterhaltung und Länge einem Bühnenauftritt nicht nach. Und doch planen Milena Todic und Simone Bischof, im nächsten Schuljahr wieder eine Theatergruppe zusammenzustellen. Sie wird den «Götz von Berlichingen» von Johann Wolfgang von Goethe aufführen und wieder vor Publikum spielen. «Hoffentlich», sagen die beiden Deutschlehrerinnen.HinweisDas Video «Bookpink» der Theatergruppe kann man in den nächsten zwei Wochen online anschauen. Dazu folgen Sie diesem Link.

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