04.06.2019

Kampf gegen unerwünschte Fremdlinge

Ob Riesen-Bärenklau, Japanischer Staudenknöterich, Drüsiges Springkraut oder Einjähriges Berufkraut – gebietsfremde Arten werden von Philippe Joos und seinem Team aufgespürt, herausgerissen und zerstört.

Von Benjamin Schmid
aktualisiert am 03.11.2022
Das Gelände ist steil abfallend. Wohin das Auge reicht, ist es grün. Bäume, Sträucher, Gräser, Gebüsche, Hecken und Stauden. Der Geschmack von feuchter Erde liegt in der Luft. Vom Bachtobel ertönen dumpfe Schläge einer Spitzhacke. Tief im Unterholz, versteckt im Dickicht, arbeiten Philippe Joos, Ulrike Stober, Remo Wagner und Samuel Eisenhut. Das Team um Philippe Joos, Neophytenbeauftragter im Vorderland des Kantons Appenzell Ausserrhoden, hat viel zu tun. Gerade ist die arbeitsintensivste Zeit des Jahres angebrochen. Gemeinsam durchforsten sie die Region auf der Suche nach invasiven Neophyten.In der Schweiz haben sich rund 550 Arten angesiedelt, wovon sich die Mehrheit gut in unsere Umwelt eingefügt und die heimische Flora bereichert hat. «Einige Pflanzen wie der Kirsch- lorbeer, der Sommerflieder oder die spätblühende Goldrute sind schön anzusehen, aber stellen eine Bedrohung für Mensch, Tier und Umwelt dar», sagt Philippe Joos. Sie verdrängen die einheimische Flora, verwirren Insekten bei der Bestäubung, schädigen Gebäude und Infrastrukturen oder sind giftig.Verboten oder nur unerwünscht«Nicht alle Neophyten sind verboten», sagt der Teamleiter, «derweil können invasive Neophyten, die nicht verboten sind, Probleme bereiten.» Um Klarheit zu schaffen und mehr Übersichtlichkeit zu gewinnen, will der Bundesrat den Kampf gegen Neophyten verstärken und die fehlenden Gesetzesgrundlagen erarbeiten. Wie die Landesregierung in einer Mitteilung von Mitte Mai schreibt, geht es vor allem um Massnahmen gegen das unbeabsichtigte Einschleppen gebietsfremder Arten und verbindliche Massnahmen, um gegen solche Organismen vorzugehen.Das geltende Umweltschutzgesetz habe sich für die effektive und effiziente Bekämpfung invasiver gebietsfremder Arten als lückenhaft erwiesen. «Es bringt nichts, wenn ein Kanton Pflanzen bekämpft, während im Nachbarkanton dieselbe Pflanze zu kaufen ist», sagt der 44-Jährige, «gefordert sind einheitliche Regeln und eine national koordinierte Bekämpfungsstrategie.»Wegbereiter bei der BekämpfungPhilippe Joos ist einer von drei Neophytenbeauftragten im Kanton und seit der Lancierung des Projekts 2009 dabei. Als einer der ersten Kantone regelte Appenzell Ausserrhoden die Bekämpfung kantonal und delegierte es nicht in den Zuständigkeitsbereich der Gemeinden. «Damit konnten wir flächendeckend auf Bekämpfungstour gehen», sagt der Heidener.Wegen der geografischen Lage des Kantons ist eine gezielte Bekämpfung besonders wichtig, um die Ausbreitung der Arten durch Fliessgewässer in tiefer liegende Kantone zu verhindern. Umso wichtiger sei es, Gegenmassnahmen auf verschiedenen Ebenen – regional, national und international – zu erarbeiten und umzusetzen, denn die Ausbreitung stoppe nicht an Kantons- oder Landesgrenzen.Globalisierung und Klimaveränderung«Globalisierung gibt es auch in der Natur», sagt Philippe Joos, «zusammen mit der Zunahme des Reise- und Güterverkehrs wandern immer mehr Pflanzen und Tiere aus aller Welt in Gebiete ausserhalb ihres Ursprunggebiets ein.» Daher sind Flächen entlang von Fliessgewässern, Strassen und Bahnen von der Ausbreitung besonders betroffen.Zusätzlich wirken sich die im Zug der Klimaveränderung steigenden Temperaturen positiv auf invasive Neophyten aus, sie gedeihen noch schneller. «Vorsicht ist besser als Nachsicht», sagt der Neophytenbeauftragte, «bis ein Standort erfolgreich vom Drüsigen Springkraut befreit ist, vergehen fünf Jahre.» Für andere Pflanzen wie der Japanische Staudenknöterich sei der Aufwand derart gross, dass, wo erlaubt, Herbizid eingesetzt wird.«Ebenso wichtig wie die Bekämpfung ist das Auffinden neuer und die Kontrolle erfolgreich bekämpfter Standorte», sagt Philippe Joos. Während er und sein Team im Frühjahr und Sommer beinahe täglich zur Bekämpfung gebietsfremder Pflanzen ausrücken, gilt es im Herbst, das Gebiet abzugehen, um neue Herde zu entdecken und diese einzutragen. Über den Winter werden alle Standorte kartografiert und historisiert, bevor allfällige Parzellen- oder Waldbesitzer angeschrieben und informiert werden. Für den Neophyten- beauftragten ist klar: «Je länger mit der Bekämpfung zugewartet wird, desto mehr kosten die Bekämpfungsmassnahmen.»

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