17.09.2018

Kahlschlag - «Traurig, aber wahr»

Unterhalb der Badi entfernt die Altstätter Forstgemeinschaft im Auftrag der Stadt mehrere Bäume, auch alte Eichen. Das hat bei Naturfreunden Entsetzen ausgelöst.

Gert BrudererDer Grund ist der Bachausbau, dem die Bürgerschaft im Mai des letzten Jahres mit einem Ja-Stimmen-Anteil von 58 Prozent zugestimmt hat. Dem Projekt war vor der Abstimmung, aber auch danach heftiger Widerstand erwachsen. Der Stadt war eine unzulängliche Information und ein viel zu knapper zeitlicher Abstand zwischen dem Versand des Gutachtens und dem Abstimmungstermin vorgeworfen worden.Im Waldpark, wo riesige geplante Betonsperren einen enormen Eingriff in die Natur darstellen, wurden damals kurzerhand Visiere errichtet, damit das Projekt anschaulich wurde. Während das Augenmerk der Bevölkerung und speziell der Projektgegner auf den Tobelbach im Waldpark gerichtet war, blieben die vorgesehenen Massnahmen ausserhalb des Waldes weitgehend unbeachtet.Es geht dabei um den Tobelbach unterhalb der Heidenerstrasse, also bei Altstättens Schwimmbad. Hier fliesst der Tobelbach bis nach der Badi weiter, bis zu einer Brücke, von wo der Kesselbach in Richtung Osten weiterfliesst.Von Bäumen war nie die RedeZwischen dieser Brücke beim Lyrikweg und dem Schwimmbad ist nun diesen Montag mit dem Entfernen von Bäumen entlang des Bachs begonnen worden. Im Projektgutachten ist dieser Abschnitt im Zusammenhang mit einem der Teilprojekte zwar erwähnt. Der Ausbau des Bachs auch auf dieser Strecke ist beschrieben, nebenbei ist ausserdem davon die Rede, dass «die bestehenden Hecken, so weit möglich, erhalten bleiben sollen». Wo dies nicht möglich sei, würden sie nach Abschluss der Bauarbeiten wieder aufgeforstet.Von der Notwendigkeit, hohe Bäume zu entfernen, unter ihnen gewiss hundertjährige Eichen, war explizit nichts zu lesen. Nachdem nun die Forstgemeinschaft mit dem Entfernen von Bäumen beschäftigt begonnen hat, ist das Erstaunen gross. Die Stadt hatte Ende August zwar auf den Beginn der Bachverbauungsarbeiten hingewiesen, sich aber nicht zur Entfernung von Bäumen geäussert.Alte Eichen prägen das BildDer frühere Lüchinger Kirchenpräsident und ehemalige Lehrer Niklaus Eschenmoser wandte sich Anfang September per E-Mail an Altstättens Stadtpräsident, nachdem ihm die geplante Baumfällaktion zu Ohren gekommen war. Es könne doch nicht sein, schrieb Eschenmoser, dass zum Beispiel drei alte Eichen geopfert werden, die «einen äusserst grossen ökologischen Wert» darstellten und das Bild der ganzen Umgebung prägten.Der frühere Lehrer brachte die Überzeugung zum Ausdruck, mit dem nötigen Fachwissen und etwas gutem Willen könnte der Bach, der an der betreffenden Stelle noch nie Probleme gemacht habe, so ausgebaut werden, dass er auch ein 300-Jahr-Hochwasser schlucke. Eschenmoser schrieb, er bitte die Behörden und die Ausführenden eindringlich, die Bäume zu schützen und eventuell auch die Pläne im Sinn eines Gewinnes für Altstätten anzupassen.Die Antwort lautete, das Projekt frei anzupassen, sei nicht möglich, zumal Bund und Kanton ja nur dann Beiträge sprächen, wenn der Hochwasserschutz gewährleistet sei, was – sinngemäss – die Entfernung von Bäumen wohl oder übel erfordere.„Unsensibel“, mit „einfachster Lösung“In einem elektronisch übermittelten Brief vom 14. September an den gesamten Stadtrat brachte Niklaus Eschenmoser sodann seine grosse Enttäuschung zum Ausdruck. Es werde einfach unsensibel nach der «einfachsten Lösung» verfahren: «Alles ausräumen und einen Bachneubau planen, weil es das Übliche ist und Maschinen und Beton ja so praktisch sind.»Stadtpräsident Ruedi Mattle beruft sich auf die Notwendigkeit, den Bachausbau auch im unteren Teil, östlich der Badi, vorzunehmen. Um die Entfernung zumindest von zwei Eichen sowie einigen anderen Bäumen komme man nicht herum. Eine dritte, ebenfalls bedrohte Eiche versuche man zu halten, sagt Ruedi Mattle. Überhaupt würden selbstverständlich nur Bäume und Büsche ausgerissen, deren Entfernung für das Projekt zwingend sei.Mit seiner Meinung, mit gutem Willen wäre gewiss eine andere Lösung möglich gewesen, steht Niklaus Eschenmoser nicht allein. Was nun passiere, nennt Hanna Hutter «Traurig, aber wahr». Ihr Gatte Gilbert hatte sich selbst nach der Volksabstimmung noch gegen das Projekt gewehrt, doch hatte er mit der Beschwerde keinen Erfolg.Von Anfang an soll der pensionierte Lehrer Gilbert Hutter die nun herrschende Konsternation vorausgesagt haben. Gegenwärtig ist er auf dem Pilgerweg in Richtung Santiago di Compostela.Unterwegs hat Gilbert Hutter jene Ruhe, die sich auch in der Natur finden lässt. Hanna Hutter, auf die Baumentfernungsaktion und den verlorenen Kampf ihres Ehemanns gegen die Bachverbauung angesprochen, hatte am Telefon als erstes gemeint: «Zum Glück ist er nicht da.»

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