12.11.2021

Junge verändern die Arbeitswelt

Beim AGV-Lohn-Talk ging es um die Leistungsbereitschaft der Generation Z und die Lohnperspektiven für 2022.

Von Andrea C. Plüss
aktualisiert am 03.11.2022
Freude herrschte: Dank 3G konnte der gestrige AGV-Lohn-Talk in gewohntem Rahmen mit rund 200 Gästen im «Metropol»-Saal in Widnau stattfinden. Vergangenes Jahr war der Anlass virtuell durchgeführt worden. Nebst vier Kurzreferaten zu den Branchen- und Lohnperspektiven im Baugewerbe, in der Industrie, im Finanz- und Dienstleistungssektor sowie in der öffentlichen Verwaltung stand die Leistungsbereitschaft der Generationen Y und Z in der Arbeitswelt zur Diskussion. Mit Blick darauf hegten erfahrene Wirtschaftsleute Bedenken, sagte AGV-Rheintal-Präsidentin Brigitte Lüchinger. «Der Stellenwert der Arbeit nimmt ab. Und auch die Loyalität», stellte die Unternehmerin fest. Fehlende Begeisterung bei der Generation Z Wie es um die Leistungsbereitschaft der Generation Z (gemeint sind die Jahrgänge 1995 – 2009) steht, was es braucht, um junge Berufsleute zu motivieren, wodurch sich jüngere und ältere Arbeitnehmende allenfalls unterscheiden und schliesslich die Frage, ob sich die Generationen in der Arbeitswelt im Berufsalltag in einem Spannungsfeld gegenüberstehen, diskutierte eine von Gregor Loser moderierte Podiumsrunde. Wer zur Generation Z gehöre, sei emotional wenig belastbar, entscheide nicht gern, brauche ständig ein schnelles Feedback und stehe unter grossem Druck, stellte Moderator Loser in den Raum. Der doch eher pauschalen Charakterisierung mochte keiner der Po­diumsteilnehmer in allen Punkten zustimmen.«Die Begeisterung bei Jüngeren ist wohl privat vorhanden, aber nicht im Job», lautete eine Erfahrung, die Susanna Peng von der Hepro Production AG in Berneck mit jüngeren Beschäftigten gemacht hat. Zudem bewegten sich nicht wenige der Generation Z auf einem hohen Besitzstandsniveau. Um die Jungen in der eigenen Firma besser zu erreichen und zu motivieren, änderte Susanna Peng ihre Sichtweise: Sie übertrug Lernenden die Betreuung des Unternehmensporträts auf Social Media und führte einen Kanal auf dem Videoportal TikTok ein. «Wir haben gemeinsam die Leitplanken festgelegt und Social-Media-Regeln aufgestellt. Das Projekt läuft erfreulich gut», gab die Geschäftsfrau an. Die Motivation bei Mitarbeitenden sei keine Frage des Alters, erklärte Christoph Bosshard, CEO der Oertli Instrumente AG in Berneck. «Ganz gleich ob jung oder alt, sie müssen motiviert sein», lautete sein Credo. Es sei Aufgabe eines Unternehmens, die Motivation der Mitarbeitenden durch die Gestaltung der Rahmenbedingungen hochzuhalten. Die Jungen können auch die «Treiber» seinEin Spannungsfeld zwischen jüngeren und älteren Mitarbeitenden nehme er bei Oertli nicht wahr. Studentische Praktikanten, die im Unternehmen tätig seien, erwiesen sich oft als «Treiber». Von fehlender Leistungsbereitschaft könne da keine Rede sein.Wie es ist, wenn ein 16-Jähriger einem unter 30-Jährigen etwas Neues beibringt, erzählte Manuel Sieber, Inhaber der Filmproduktionsfirma MM Motion Pictures in Chur. Der aus Berneck stammende 28-Jährige schlug vor, vielleicht im Umgang mit jungen Mitarbeitenden eher die Position eines Mentors einzunehmen: «Wir waren alle mal jung.» Manchmal müsse man den Jungen etwas zutrauen und sie machen lassen. So habe ein 16-Jähriger eine Woche an einer Idee zur vereinfachten Bearbeitung von Bildmaterial gearbeitet; mit Erfolg. Wichtig und schön sei es, wenn man selbst etwas herstelle, wenn ein Produkt Gestalt annimmt und man sagen könne: «Ich habe das gemacht.»Die Wirtschaft hat sich gut erholtWie es zum Ende des zweiten Coronajahrs um die regionale Wirtschaft steht, skizzierte Alessandro Sgro, Chefökonom der IHK St. Gallen-Appenzell. Demnach habe sich die Kernregion Ostschweiz vom letztjährigen Einbruch gut erholt. Beim Auslastungsgrad der Produktionska­pazitäten schwinge die Region Rheintal/Appenzell im Vergleich zur Gesamtschweiz und zum EU-Raum positiv nach oben aus. Das Kernproblem für die Unternehmen seien aktuell teils massive Lieferverzögerungen. Auch der Fachkräftemangel sei wieder verstärkt im Fokus.BranchenperspektivenLohnerhöhungen: Ja, nein, vielleichtVerwaltung Die Regierung beantragt dem Kantonsrat 0,4 % pauschale Lohnerhöhung sowie 0,2 % für ausserordentliche Leistungsprämien. Entscheiden wird der Kantonsrat Ende Monat darüber. Die Rheintaler Gemeinden haben sich – mit einer Ausnahme – gemäss Umfrage noch nicht entschieden. Balgach geht derzeit von einer allgemeinen Lohnerhöhung aus. Stufenanstiege werden wohl alle Gemeinden vornehmen. (Karin Jung, Leiterin AWA Kanton St. Gallen)Industrie Das wirtschaftliche Umfeld sowie die Teuerung sprechen für eine Lohnerhöhung. Zu beachten gelte es jeweils auch die firmeninterne Lohnstruktur und das Lohnniveau am Markt. «Lohn ist ein Teil des Pakets». Wer gut qualifizierte Berufsleute ins Unternehmen holen wolle, müsse einen Lohn anbieten, der am Markt bestehen kann. Für die Industrie rechnet Bosshard mit einer Nominallohnerhöhung von 1 %. (Christoph Bosshard CEO Oertli Instrumente AG)Baugewerbe Die Branche ist gebeutelt. Gegenüber 2019 ging die Auftragslage um 34,5 % zurück. Die Konjunkturaussichten sind ungewiss und der Preisdruck führe oftmals zu negativen Margen. Der Erhalt von Arbeitsplätzen sei wichtiger als allgemeine Lohnerhöhungen. Berufliche Zusatzqualifikationen und Weiterbildungen könnten jedoch honoriert werden. Eine Einigung beim GAV steht derzeit noch aus. (Tina Gautschi, CEo Gautschi AG)Dienstleistungen Auch wenn der Börsenindex nach oben zeigt, die Banken machen eine Seitwärtsbewegung. Zwar steige das Immobilienkredit- oder Anlagevolumen, aber die Wertschöpfung könne nicht mithalten. Diverse Unsicherheitsfaktoren (mögliche Abschaffung des Eigenmietwerts etc.) erschwerten Prognosen. Eine Lohnerhöhung im Dienstleistungsbereich von 1 % ist denkbar. In der Finanzbranche eher zwischen 0,6 und 1,5 %. (Norbert Lüchinger Vorsitzender der Bankleitung Raiffeisenbank Oberes Rheintal)Gleicher Lohn für alle Manuel Sieber absolvierte eine Lehre als Mechaniker und machte sich dann im Bereich Auftragsfilmproduktion selbstständig. Er beschäftigt sechs Mitarbeitende. Die Einladung zum Lohn-Talk inspirierte ihn. Er führte den gleichen Lohn für alle in seiner Firma ein. Was als Experiment gedacht war, läuft jetzt weiter. Die Mitarbeitenden zeigten seitdem mehr Verantwortungsbewusstsein , so Sieber, der ein Impulsreferat hielt. (Manuel Sieber Inhaber MM Motion Pictures GmbH)

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