15.04.2020

Jetzt kommen die Städter

Trotz Bitten und einer Drohung: Auch über Ostern wurde im Alpstein gewandert – bis die Zufahrt gesperrt wurde.

Von Daniel Walt
aktualisiert am 03.11.2022
«Der Grundsatz, daheim zu bleiben, wird nicht von allen befolgt. In der Schweiz ist man halt freiheitsliebend.» Roland Koster, Sprecher der Kantonspolizei Appenzell Innerrhoden, steht beim Restaurant Alpenrose in Wasserauen. Es ist geschlossen. Genauso verrammelt sind der Kiosk auf der anderen Strassenseite und die Toiletten. Normalerweise würde hier, an diesem strahlend schönen Tag, das Leben blühen: Heerscharen von Wanderlustigen würden in Richtung Seealpsee ziehen. Jeder Tourist wäre hochwillkommen.In Coronazeiten ist dies anders: Wiederholt hatten die Behörden dazu aufgerufen, nicht in den Alpstein zu kommen. Weil der Ansturm vor einer Woche trotzdem viel zu gross war, kündigten sie an, die Zufahrt zu den Parkplätzen in Wasserauen und Brülisau ab einer Belegung von 80 Prozent zu verweigern.«Respekt vor Corona, aber keine Panik»Mariela Kraljevic steigt aus einem Wagen mit Zürcher Nummernschildern. Die Dentalassistentin aus Winterthur gehört mit ihrer chronischen Bronchitis zur Coronarisikogruppe. Trotzdem hat sich die 25-Jährige mit zwei befreundeten Pärchen zu einem Ausflug entschlossen: «Ich bin lieber an der frischen Luft in den Bergen, als sinnlos einkaufen zu gehen oder in einer Stadt unterwegs zu sein, wo es viele Leute hat.» Sie habe Respekt vor Corona, mache aber nicht auf Panik.Auffallend viele Wagen aus dem Kanton Zürich stehen an diesem Samstag in Wasserauen. Aber auch solche aus dem St. Gallischen und aus dem Thurgau. Bruno Manser, im Ordnungsdienst im Einsatz: «Es ist nicht das typische Alpstein-Publikum, das jetzt kommt – die meisten sind Städter. Viele sind in Trainerhosen unterwegs.» Verboten sei das ja nicht, fügt er an. Und stellt weiter fest, Einheimische blieben derzeit fast gänzlich weg. Seine Vermutung: Viele suchen im Alpstein die heile Welt angesichts gesperrter Uferpromenaden in den grossen Städten oder der Parkplätze am Bodensee, die nicht mehr zugänglich sind.Bis Samstagmittag füllt sich der Parkplatz zwar immer etwas mehr. Von einem Ansturm wie vor einer Woche kann aber keine Rede sein – vorerst. Auch der 20-jährige Oliver Ullrich aus Zürich hat sich den Ausflug nicht nehmen lassen. Er ist mit vier Kollegen im Zug angereist. Dass die Gruppe zu fünft unterwegs ist, sei kein Zufall: «Wenn der Bundesrat sagt, dass nicht mehr als fünf Menschen zusammen sein dürfen, dann soll man sich daran halten.» Deshalb hätten drei weitere Kollegen darauf verzichtet, mitzukommen.Was sagt er dazu, dass sich viele über Menschen wie ihn ärgern, die nach wie vor im Alpstein unterwegs sind? «Das ist voll berechtigt – jeder hat seine Meinung. Doch man kann den Menschen das Leben nicht verbieten. Wäre uns alles scheissegal, wären wir zu acht und nicht zu fünft hierhergekommen.» Auch am Sonntag muss die Polizei die Beschränkung der Zufahrt noch nicht aktivieren. Der Zustrom an Tagesausflüglern nimmt aber deutlich zu:Ostermontag zu viele Menschen in WasserauenDie Parkplätze sind am Sonntag bis gegen 80 Prozent ausgelastet. Anfang Montagnachmittag ist es dann so weit: Die Polizei macht bekannt, dass nur noch Fahrzeuge in Richtung Alpstein gelassen werden, deren Lenker einen triftigen Grund angeben können. Sprecher Roland Koster erklärt, dass um 11 Uhr noch praktisch niemand in Wasserauen gewesen sei.Ab Mittag sei der Verkehr dann aber regelrecht explodiert. Landammann Roland Inauen bedauert, dass die Zufahrtssperre auf den Ostermontagnachmittag hin doch noch aktiviert werden musste. «Anfang Nachmittag waren viel zu viele Menschen in Wasserauen.»Im Krisenstab werde man analysieren, welches die Gründe für den grossen Zustrom gewesen seien und welche Konsequenzen man ziehen müsse – vor allem auch im Hinblick auf das kommende Wochenende. Für dieses ist wieder schönes Wetter angekündigt.«Im schlimmsten Fall müssen wir die Parkplätze in Wasserauen ganz sperren. Irgendetwas müssen wir uns einfallen lassen.»Daniel Walt

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