20.07.2021

Jansens Abschied von der Autobranche

Die geschäftsführenden Priska und Christoph Jansen äussern sich zur Neuausrichtung der Firma.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Die Oberrieter Firma Jansen hat sich strategisch neu ausgerichtet. Jansen hat seine Präzisionsstahlrohr-Division «Steel Tubes» mit Standorten in Oberriet und Dingelstädt (DE) per 1. April der deutschen Firma Mubea verkauft und sich so von der Automobilbranche verabschiedet. Von den insgesamt 450 Mitarbeitern der verkauften Division arbeiten 250 in Oberriet.Andererseits hat Jansen die RP Technik GmbH in Nordrhein-Westfalen mit rund 70 Mitarbeitern erworben. Somit ist das Oberrieter Familienunternehmen nun voll und ganz auf die Baubranche ausgerichtet. Neu ist auch eine Kooperation mit SFS im Fensterbereich. SFS vertreibt neu als exklusiver Partner die Marke Connex des Herstellers Jansen. Herr und Frau Jansen, zwei Jahre vor dem grossen Firmenjubiläum «100 Jahre» haben Sie den Fokus auf die Baubranche gerichtet. Können Sie die Gründe bitte kurz zusammenfassen?Priska Jansen: Der Fokus war schon bisher auf die Baubranche gerichtet, ist es nun aber ausschliesslich. Von den Präzisionsstahlrohren für die Automobilindustrie und die Möbelbranche haben wir uns getrennt, weil die Entwicklung in diesem Bereich nicht mehr befriedigte. Als Stahlrohrhersteller hatten wir nur in der Schweiz und Deutschland produziert, sodass der Preisdruck zu gross geworden war. Indem wir uns nun ganz auf die Baubranche ausgerichtet haben, ist das Unternehmen nach unserer Überzeugung viel schlagkräftiger geworden.Christoph Jansen: Als Anbieter eines Vollsortiments mit Systemlösungen für Fenster, Türen und Fassaden aus Stahl und Edelstahl sind wir weltweit Marktführer. Diese Position möchten wir stärken und wei­ter ausbauen. Dasselbe gilt für unser zweites Standbein, die Kunststofflösungen, wo wir in den letzten Jahren zahlreiche Innovationen lancieren konnten.Auch in der Baubranche, nehme ich an, herrscht ein Kostendruck.Christoph Jansen:  Ja, die Kräfteverhältnisse sind hier aber etwas ausgewogener als in der Automobilbranche. Es besteht die Möglichkeit, mit bestimmten Leistungen einen Mehrwert zu erzielen. Das heisst, in der Baubranche kann man sich mit qualitativ hochstehenden Produkten besser positionieren.Priska Jansen: Auch die Kundenstruktur ist in der Baubranche eine andere als in der Automobilbranche.Welche Rolle spielt die Automation?Christoph Jansen: In neue Produktionsanlagen und -verfah­-ren zu investieren, gewinnt an Bedeutung, weshalb wir auch unsere Kunden entsprechend unterstützen.Auf welche Weise?Christoph Jansen: Zum Beispiel bieten wir unseren Kunden einen Schweisstisch anstelle der normalen Werkbank an.Priska Jansen: Ausserdem bilden wir Metallbauer mit Blick auf die Verarbeitung von Jansen-Produkten aus. Wird der Metallbauer produktiver, ist er dadurch wettbewerbsfähiger, was auch unserem Unternehmen dient. Die Unterstützung für die Metallbauer geht bis in die War­-tung hinein, beispielsweise von Brandschutztüren.Eine Verlagerung der Produktion ins Ausland ist meines Wissens für Jansen kein Thema.Priska Jansen: Nein, wir halten am Standort Oberriet fest. Natürlich gibt es aber seit Langem die Zusammenarbeit mit an­deren Unternehmen, die – wie beispielsweise Welser Profile – einen Teil der Fertigung be­sorgen.Jansen hat jüngst nicht nur ein Unternehmen gekauft, sondern auch eines verkauft. Handelt es sich bei diesen Transaktionen um Möglichkeiten, die sich kurzfristig ergaben, oder um die Erfüllung lang gehegter Wünsche?Priska Jansen: Innerhalb unserer Familie standen diese Transaktionen schon lange zur Diskussion. Wichtig ist uns der Hinweis, dass absolut kein Zusammenhang mit Corona besteht. Der Entscheid, das Unternehmen ausschliesslich auf die Baubranche auszurichten, hat sich seit Jahren abgezeichnet. Der nun vorgenommene Vollzug ist nicht etwa aus der Not, son­dern aus Weitsicht erfolgt, weil wir von der Richtigkeit dieses Schritts überzeugt sind.Christoph Jansen: Erste Überlegungen haben wir vor mindestens fünf Jahren angestellt. Den Druck aus der Automobilbranche haben wir zunehmend gespürt. Auch politische Entscheide haben die strategische Anpassung beeinflusst oder gar nötig gemacht.Können Sie das erläutern?Christoph Jansen: Es gibt Schutzzölle bzw. Freikontingente für Stahl, der in die EU geht. Unsere Stahlrohre für die Automobilindustrie waren voll betroffen, im Gegensatz zu unseren Produkten im Baubereich, die nicht reine Stahlprodukte sind.Inwiefern passt die erworbene RP Technik zu Jansen?Christoph Jansen: Mit unseren Stahlsystemen waren wir schon vorher weltweit Marktführer. Mit der Übernahme haben wir unsere Stellung weiter gestärkt. RP Technik hat interessante Produkte im Sortiment und überzeugt mit guten Entwicklungen.Sie sagen, Jansen sei Weltmarktführer. Ich frage ganz naiv: Können Sie wirklich wissen, ob Sie das sind?Priska Jansen: Beim Stahl gibt es auf unserem Tätigkeitsgebiet weltweit nur eine Handvoll wirklich Grosse. Die Marktführerschaft ist zwar nicht hieb- und stichfest bewiesen – und auf eine bestimmte, spezielle Anwendung bezogen, stimmt die Aussage vielleicht nicht ...Christoph Jansen: ... aber mit Blick aufs Vollsortiment ist die Bezeichnung von Jansen als Marktführer richtig.Priska Jansen: Jansen ist es möglich, alle Wünsche abzudecken.Wie wirkt sich der Kauf von RP Technik auf den Gesamtumsatz aus?Christoph Jansen: Ohne die Stahlrohre, von denen wir uns ja getrennt haben, betrug der Umsatz vor dem RP-Kauf rund 150 Mio. Franken. Durch die Firmenübernahme könnte sich der Umsatz – sehr grob geschätzt – auf  170 Mio. erhöhen. Allerdings steigen die Rohmaterialkosten derzeit sehr stark, und so kann die Zahl am Ende des Jahres auch eine ganz andere sein.Wie stark steigen denn die Kosten für Rohmaterial?Christoph Jansen: Der Preis für Kunststoffgranulat hat sich seit Ende des letzten Jahres verdreifacht und Bandstahl, der für Stahlprofile verwendet wird, ist heute zwei- bis dreimal so teuer. Wir haben noch nie erlebt, dass die Preise so schnell steigen – und dies erst noch in Verbindung mit einer Rohstoffknappheit. Das macht unser Geschäft wirklich sehr anspruchsvoll. Mit der deutschen Firma Welser Profile, von der Jansen die RP Technik gekauft hat, arbeiten Sie ja schon länger zusammen. Ich nehme an, diese Kooperation wird vertieft.Priska Jansen: Ja, so ist es. Welser Profile ist wie Jansen ein Familienunternehmen und das spürt man. Die Verhandlungen haben auf Augenhöhe stattgefunden und das gegenseitige Einvernehmen ist sehr gut.Wirkt sich die Integration von RP Technik auf den Oberrieter Standort aus?Priska Jansen: Von aussen betrachtet nicht. Aber die noch intensivere Zusammenarbeit mit Welser stärkt den Standort Oberriet.Die Integration von RP Technik sei anspruchsvoll, konnte man lesen. Inwiefern?Priska Jansen: Die grösste He­rausforderung war Corona. Wir konnten nie vor Ort sein. Dabei sind gerade bei einer Firmenübernahme persönliche Kon­takte zur Belegschaft ausge­sprochen wichtig. Allfälliger Unsicherheit lässt sich in persönlichen Gesprächen am besten begegnen.Einerseits hat Jansen die RP Technik gekauft, andererseits haben Sie praktisch gleichzeitig die Präzisionsstahlrohr-Division verkauft und sich damit, wie erwähnt, von der Automobilbranche getrennt.Priska Jansen: Die Gleichzeitigkeit der beiden Transaktionen ist Zufall. Übrigens haben wir die Präzisionsstahlrohr-Division via Microsoft Teams verkauft. Noch vor Kurzem hätte man dies für unmöglich gehalten, aber so war es tatsächlich. Die namhaften Veränderungen zur gleichen Zeit waren auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anspruchsvoll.[caption_left: Die Halle F beim Kreisel an der Eichau- / Feldhofstrasse ist eine von drei Hallen, die Mubea von Jansen gemietet hat. Bild: Gert Bruderer] Jansens Präzisionsstahlrohr-Division ist der deutschen Mubea (Muhr und Bender KG) verkauft worden. Aber die gleichen 250 Mitarbeiter produzieren weiterhin in Oberriet. Wie geht denn das?Christoph Jansen: Mubea, bzw. deren Tochterfirma OBR Steel Tubes AG, ist bei Jansen in Oberriet eingemietet. Mubea hat die Mitarbeiter und die Produktionsanlagen der verkauften Division übernommen und stellt die bisher von Jansen produzierten Präzisionsstahlrohre somit eigenverantwortlich in drei Jansen-Hallen her.Aber die Verbindung von Jansen und Mubea am Standort Oberriet beschränkt sich wohl nicht auf ein Mietverhältnis.Priska Jansen: Nein, wir sind auch durch Dienstleistungsverträge verbunden, etwa im Personalwesen, in der Buchhaltung, in der IT oder in der Logistik.Mit SFS ist Jansen soeben eine strategische Kooperation eingegangen. SFS vertreibt neu als exklusiver Partner die Marke Connex des Herstellers Jansen. Welche Bedeutung hat das Holz-Metall-Fenstersystem Connex für Jansen?Priska Jansen: Connex ist umsatzmässig nicht sehr gross, aber als Nische wichtig. Baut jemand ein Haus, ist die Chance gross, dass er teilweise auch Holz wünscht. Mit Connex, unserer seit über zehn Jahren bestehenden Marke, können wir auch diesem Wunsch entsprechen.Christoph Jansen: Neu ist, dass wir unsere Connex-Systeme nicht mehr selbst vertreiben, sondern SFS das für uns erledigt. Wie viele Jansen-Mitarbeiter stehen hinter Connex?Christoph Jansen: Es sind rund fünf, inklusive Entwicklung.Mit den jüngsten Transaktionen sei die Neuausrichtung abgeschlossen, teilte Jansen mit. Es sei das Ziel, nun vor allem organisch zu wachsen. Haben Sie das auch dank weiterer Kooperationen im Sinn?Priska Jansen: Wir sind immer offen. Aber die grossen Schritte sind jetzt getan. Die Kooperation mit SFS ist zwar nicht einschneidend, aber gleichwohl wichtig für die Sortimentsabrundung.Schüco stieg vor ein paar Jahren aus dem Solargeschäft aus. Das Oberrieter Unternehmen, das vor allem Schüco-Anlagen installiert hatte, gab das Geschäft ebenfalls auf. Birgt die Kooperation mit einem Partner wie Schüco nicht auch Gefahren, weil mit ihr ja eine gewisse Abhängigkeit verbunden ist?Priska Jansen: Eine gewisse Abhängigkeit besteht immer. Wichtig ist, dass man gegenseitig aufeinander angewiesen ist. Abhängigkeit ist dann schlecht, wenn man erpressbar wird. Ich sage immer: Man müsste auch ohne den anderen auskommen können, doch zusammen soll es besser sein für beide.Indem Schüco vor einigen Jahren das Solargeschäft aufgab, mussten Sie das ebenfalls tun.Christoph Jansen: Nein, wir hätten gut auch ohne Schüco weitermachen können. Unser Ausstieg ist so begründet: Wir hatten uns als Premiumanbieter positioniert, aber schliesslich ging es nur noch um Kosten und Preise, weil die Konkurrenz aus China den Markt flutete. Das Weitermachen ergab daher auch für unser Unternehmen keinen Sinn.Welche Ausbaumöglichkeiten hat Jansen in Oberriet?Priska Jansen: Die Gesamtfläche beträgt etwa 14,5 Hektaren. Der hiervon nicht bebaute Boden könnte bei Bedarf für drei weitere Hallen von durchschnittlicher Grösse genügen.

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