02.09.2021

Ja zum Geld, Nein zu Gesetzen

Er habe für Gleichberechtigung kämpfen wollen, sagte der «bockige Moslem» am Donnerstag vor Gericht.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Er und seine Frau sind zweifach vorbestraft. Es geht stets um dasselbe. Kinder blieben unentschuldigt dem Schwimm- und Sportunterricht fern, eine Tochter nahm nicht an Lagern teil.Ausserdem haben die Eltern dem Sozialamt St. Margrethen nie Bescheid gesagt, wenn sie von irgendwoher (um ihre Bussen zu bezahlen) Geld bekamen. Der Mann war zudem wegen Ungehorsams gegen amtliche Verfügungen angeklagt. In einem Porträt bezeichnete das St. Galler Tagblatt ihn als «bockigen Moslem».Nach der Trennung wieder zusammenVor dem Kreisgericht Rheintal in Altstätten beantwortete Emir Tahirovic während zwei Stunden die Fragen des Richters; seine Frau wurde zweieinhalb Stunden befragt. Sie hatte sich im Juni 2017 von ihrem Mann getrennt, dieser zog mit den (heute fünf) Kindern nach Embrach im Kanton Zürich, nun leben sie im Grunde wieder als Familie.In Embrach hat die Frau vor 13 Monaten eine Stelle angetreten; sie putzt im Stundenlohn, verdient 1400 bis 2000 Franken pro Monat und beteiligt sich am Mietzins der Embracher Wohnung mit 350 Franken monatlich. Ihr Wohnort ist offiziell aber Goldach. Weil ihr für Zürich eine Bewilligung fehle, habe sie «bei einer Freundin ein Zimmer». Der Richter gewann bald den Eindruck, das Zimmer in Goldach sei «nur pro forma». Tatsächlich gehört die Wohnung einer sechsköpfigen algerischen Familie.Der Mann zog aus, als Leistungen gekürzt wurdenDie Staatsanwaltschaft hegt den Verdacht, es mit gerissenen Menschen zu tun zu haben. Die Frau habe sich von ihrem Gatten just zu dem Zeitpunkt getrennt, als das Sozialamt St. Margrethen der Familie die Gelder um den Mietzins kürzte. Als der Mann auszog, musste die Gemeinde auch die Miete wieder bezahlen.Den Sachverhalt an sich bestritt die Frau nicht. Die Trennung von ihrem Mann, der nun in Embrach von der Sozialhilfe lebt, begründete sie aber damit, dass sie seine Ansichten zur Schulpflicht nicht mehr geteilt habe. Heute beteiligten sich die Kinder wie alle anderen am ganzen Unterricht, der Gatte habe es akzeptiert.«Ich werde wie Ungeziefer behandelt»Ebenfalls von der Sozialhilfe lebt derzeit die älteste, inzwischen erwachsene Tochter. Die Schulden der Familie gegenüber der Sozialhilfe belaufen sich auf einen Betrag von rund 450000 Franken. Emir Tahirovic bezeichnete die Schweizer Gesetze als «rassistisch, diskriminierend, vielleicht auch sexistisch» und als «den Muslimen aufgezwungen». Er habe für Gleichberechtigung gekämpft; Muslime würden nicht als vollwertige Bürger dieser Gesellschaft angesehen. Er werde als islamistisch dargestellt, sei aber «demokratischer als viele hier» und werde wie Ungeziefer behandelt.Die von der Staatsanwaltschaft geforderte zehnjährige Landesverweisung (nebst einem Jahr Gefängnis, unbedingt) kümmert ihn nicht. Er sehe seine Zukunft sowieso nicht hier, vor allem jetzt nicht, da er «diese bösen Mächte gesehen» habe. Er glaube an Vorbestimmung, «alles kommt von Gott». Die Frau hingegen ist da weniger gelassen. «Sehr schlimm» wäre es für sie, erklärte sie.Der Richter staunte oft. Zum Beispiel über den Kauf einer Kamera durch den hoch verschuldeten Angeklagten, der wusste, dass er diese nicht bezahlen konnte. Er habe sie für seine Weiterentwicklung benötigt, erklärte er. Seine Gattin, die sich gut integriert fühlt, antwortete auf die Frage, was sie unter Integration verstehe, mit einem Wort: «Freiheit.»Hinweis: Der Entscheid des Kreisgerichts Rheintal steht noch aus.

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