01.12.2020

IV-Bezüger spielten fleissig Golf

Die Geschwister, die in grossem Stil betrogen haben sollen, waren trotz IV-Rente fit genug, um Golf zu spielen.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Dem Staatsanwalt waren vier Stunden nicht genug für die Beschreibung der Betrügereien, die zwei Geschwistern und ihrer Mutter vorgeworfen werden. Das Wirtschaftsmodell der Familie sei so einträglich gewesen, dass sich ein beträchtlicher Wertschriften- und Immobilienbesitz habe aufbauen lassen. Waren Instandstellungen oder andere bauliche Arbeiten nötig, war das gesundheitlich (angeblich) am stärksten angeschlagene Familienmitglied zu allerlei ausdauernder, anstrengender Arbeit imstande. Nicht nur der Mann selbst, auch seine im Treuhand- und Buchhaltungsgewerbe tätige Schwester bezog über viele Jahre eine IV-Rente. Allerdings sei ihr wahres Handicap nicht körperlicher Natur gewesen, sondern vielmehr ein Handicap auf dem Golfplatz, wie der Staatsanwalt bemerkte.Geschwister schnitten in der Gesamtwertung gut abSchon vor der Hausdurchsuchung, bei der die Polizei Golfbälle fand, hatte der Staatsanwalt das bis dahin verschwiegene Hobby der beiden Geschwister herausgefunden. Denn in den Steuerunterlagen waren die Kosten für die Mitgliedschaft im Golfclub unter einem knappen Stichwort als Gewinnungskosten aufgeführt. Nachforschungen ergaben, dass die IV-Bezüger regelmässig auf einem Golfplatz spielten; schon früh morgens stand das angeblich körperliche Wrack auf dem Rasen; in der Gesamtwertung war der Mann respektabel klassiert. Ein Golferfreund soll gestaunt haben, als er vom IV-Rentenbezug seines Kollegen erfuhr. Noch besser schnitt die IV-beziehende Schwester ab: Sie war unter weit über hundert Konkurrenten die Sechstbeste.«Zitrone ausgepresst, so gut es nur ging»Die 75-jährige Mutter, die bei Lebensberatungen Geld entgegennahm, ohne es je irgendwo zu deklarieren, soll in der Familie den Ton angegeben und die Fäden in der Hand gehalten haben. Ihre kaufmännisch ausgebildete Tochter pflegte den Kontakt zu Ämtern und erledigte alles Administrative. Um für die Mutter auch noch ausserordentliche Ergänzungsleistungen herauszuholen, wurde ihr angeblicher Mietzins mit 1700 Franken möglichst hoch angesetzt und eine unzutreffende Wohnsituation angegeben. Bevor der Bruder erstmals IV-Renten erhielt, wurde noch rasch sein Lohn in der familieneigenen Firma verdoppelt. Später wurde für den Bruder auch noch eine Hilflosenentschädigung beantragt. Die Geschwister hätten versucht, «die Zitrone auszupressen, so gut es nur ging», sagte der Staatsanwalt.Im Rahmen der Strafuntersuchung wurden 35 Personen polizeilich und staatsanwaltlich befragt, was die Angeklagten als Hexenjagd beanstandeten.Dass weder der 50-jährige Mann noch seine Schwester bereit war, vor Gericht auszusagen, passt aus Sicht des Staatsanwalts ins Bild. Wann immer er in den letzten Jahren mit IV-Rentenbetrug zu tun gehabt habe, sei es noch nie zu einem Geständnis gekommen.  

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