03.10.2019

Initiative bei den Jugendlichen wecken

Seit Mitte September hat der Jugendkulturraum Stoffel3 in Widnau ein neues Gewand – und ein neues Konzept.

Von Benjamin Schmid
aktualisiert am 03.11.2022
Die Neuerungen betreffen nicht nur das optische Erscheinungsbild der Räume, sie zielen vor allem auf die Angebote und Programme, die in ihnen umgesetzt werden. Fokussierte die Jugendarbeit der 80er-Jahre ihre Betätigungsfelder darauf, den Jugendlichen Raum und marginale Angebote zur Verfügung zu stellen, entstanden um die Jahrtausendwende die klassischen Jugendtreffs. Diese waren klar strukturiert: Die Jugendarbeit organisierte das Programm und lieferte vorbestimmte Inhalte. Mit der Neugestaltung befreit sich das Jugendnetzwerk der sozialen Dienste Mittelrheintal nun vom Determinismus und dem Leistungsansatz: Statt ergebnisorientiert zu arbeiten, möchte das Team um Bereichsleiter Roger Märkli vermehrt prozessorientiert vorgehen.Selbstbestimmung und Eigenverantwortung «Während im ehemaligen Jugendtreff Angebot und Funktion klar definiert waren, steht heute im Vordergrund, Raum und Infrastruktur für Initiativen zur Verfügung zu stellen», sagt Roger Märkli. Jugendliche, junge Erwachsene und Interessierte mit Bezug zum Kinder- und Jugendalter erhalten so unkompliziert die Möglichkeit, den Jugendkulturraum begleitet oder autonom zu nutzen.Im Sommer 2017 entstand die Idee, den Jugendlichen in Zukunft kein vorgefertigtes Programm mehr anzubieten, sondern eine Jugendarbeit mit offenen Gruppen, freier Raumgestaltung und verschiedenen materiellen Welten zu ermöglichen. «Der ausserschulische Bildungsauftrag steht im Mittelpunkt aller fachlichen Überlegungen», sagt der Bereichsleiter. Sie beinhalte Teilhabe, Respekt und Wertschätzung gegenüber dem Geschlecht, dem Alter, der sozialen, religiösen, ethnischen und kulturellen Herkunft des Kindes. Die Kinder sollen keine «Objekte eines von Erwachsenen konzipierten Programms» sein, sondern sich selber sein dürfen. Selbstbestimmung und Eigenverantwortung seien zentrale Kategorien in der offenen Jugendarbeit.«Die Kinder und Jugendlichen kommen freiwillig, wann und wie lange sie wollen», sagt Roger Märkli. Zumindest innerhalb gewisser Grenzen bleibt es den Kindern und Jugendlichen überlassen, wie sie sich verhalten, was sie denken, was und wie sie reden, worauf sie sich einlassen und worauf nicht, wann sie dies tun und wann sie es bleiben lassen.Ein dreistufiges Modell umsetzen  Die Jugendarbeit schafft mit organisierten Angeboten Anreize, die das Interesse der Jugendlichen wecken. Die Jugendlichen treffen sich, tauschen sich aus und testen ihr Wirken in der Gemeinschaft. In der Auseinandersetzung mit sich, den Anderen und der Umwelt erhalten Jugendliche authentische Rückmeldungen, die ihnen in ihrer Sozialisierung und Selbstwahrnehmung helfen. Während sie sich Plätze aneignen, kommt es innerhalb der Gruppe zu einem Austausch von Werten und Normen. «Die Jugendlichen lernen, sich auseinanderzusetzen, in Dialog zu treten und eigene Ideen zu entwickeln», sagt Roger Märkli. Die Jugendarbeit stellt Zeit, Personal und Material bereit und unterstützt die Kinder und Jugendlichen dabei, ihre Ideen zu verwirklichen.Je besser eine Gruppe funktioniert, desto mehr nimmt sich die Jugendarbeit zurück und überlässt das Aneignen von Raum und Material den Jugendlichen selber. Auf der dritten Stufe gestalten diese ihre Aktivitäten autonom und entwickeln eigene, neue Projekte, die sie verfolgen. «Daraus ergibt sich ein Kreislauf, wo erfahrenere Projektteilnehmer ihr Wissen an jüngere weitergeben», sagt der Bereichsleiter. Ziel sei es, die Zeit, in der der Jugendkulturraum Stoffel3 geöffnet ist, mit möglichst vielen Aktivitäten von Kindern und Jugendlichen zu füllen.Schon während der Pilotphase gab es viele Projekte: Eine Jugendtheatergruppe probt wöchentlich, in einem Projekt der Fachstelle Integration werden Geschichten erzählt, Gymnasiasten und Geflüchtete gestalten regelmässig gemeinsam ihre Freizeitaktivitäten und im Coworking entwickelt eine Gruppe junger Erwachsener eine App. Nebenbei führt die offene Jugendarbeit die Werkstatt mit analogen und digitalen Inhalten und Jugendliche finden mit der Jugendbeiz einen Ort, um sich unkompliziert mit Freunden zu treffen.

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