Rüthi 04.02.2023

«In eine fremde Haut schlüpfen und in eine andere Welt eintauchen»

Die Theater Company, das Ausbildungstheater der Freilichtbühne Rüthi, feiert am kommenden Freitag Premiere 
mit «Oktokoff!» Zum Ensemble gehören auch zwei Diepoldsauer. Sie berichten über ihre Erfahrungen.

Von Kuno Bont
aktualisiert am 05.02.2023

Der erste Eindruck beim Betreten des Musikheims Buchs, wo derzeit die Endproben für «Oktokoff!» laufen, ist gewöhnungsbedürftig: Ein wild durcheinanderlaufender Haufen Menschen, die lang gezogene A-E-I-O-U-Laute von sich geben, dabei fürchterliche Grimassen ziehen und bei alledem auch noch den Mund zum perfekten Formen der Wörter spitzen.

«Stimme und Muskulatur im Körper, vor allem im Gesicht, müssen für das Theaterspielen vorbereitet werden – erst dann kann sich der Ausdruck stimmlich und mimisch voll entfalten», erklärt Simona Specker, Regisseurin und neue künstlerische Leiterin der Freilichtbühne Rü­thi. «Die Einstimmungsübungen lohnen sich – wenn man sie nicht macht, ist das, wie wenn man unaufgewärmt einen Marathon laufen möchte», lacht sie.

Die Magie des Theaters entführt in eine andere Welt

Dass die Einstimmungsübungen wichtig sind, sieht man gleich in der anschliessenden Durchlaufprobe. Das Team rund um die quirlige Regisseurin ist zusammengewachsen. Daniel Kretz sagt:

Wir verstehen uns und haben den Plausch.

Er macht zum ersten Mal bei der Theater Company mit und stammt aus einer währschaften Oberrieter Theaterfamilie. Auch Jan Szanyi freut sich am kollegialen Umfeld in der Company. «Ich gehe gerne zu den Proben, und ich bereite mich auch gut vor», sagt er – und gibt zu, dass er nicht gern Fehler macht. Jede Probe ist für ihn eine Gelegenheit mehr, sein Talent auf der Bühne besser entfalten zu können:

Übrig bleibt die Magie des Theaters, die einem in eine fremde Haut schlüpfen und in eine andere Welt eintauchen lässt.

Und diese andere Welt ist bei «Oktokoff!» eine ganz besondere. Als der kleine Buch­halter Henry Perkins eines Tages in der Londoner U-Bahn versehentlich den Aktenkoffer eines Fremden an sich nimmt, kommt er plötzlich in den Besitz von drei Millionen Pfund. Von da an jagen sich die Probleme und Herausforderungen. Die Figuren stolpern von einer Katastrophe in die nächste und von einer Notlüge zur anderen – komisch, nervenaufreibend und mit der nötigen Prise Klamauk.

Mit akribischer Genauigkeit und in atemberaubendem Tempo lässt Simona Specker ihre Figuren über die Bühne jagen. Drinnen laufen alle panisch durcheinander – und draussen läuft schon der Taxameter.

Von der Probebühne auf die richtige Bühne umgezogen

Seit letztem Donnerstag probt das Ensemble der Theater Company nun nicht mehr im Buchser Musikheim, sondern auf der echten Bühne im «Krempel», die in der Zwischenzeit von vielen Helfenden, geschickten Handwerkern und farbenfrohen Malerinnen und Malern in Rekordzeit hingezaubert wurde. Am kommenden Freitag ist Premiere. Es sind insgesamt sieben Aufführungen angesagt. Tickets für die neueste Produktion der Theater Company gibt es auf www.theatercompany.ch.

Eigentlich hätte «Oktokoff!» 2022 aufgeführt werden sollen. Die Unsicherheiten rund um die Corona-Pandemie zwangen das Team jedoch zu einer Verschiebung in «bessere» Zeiten. So liegt ein ganzes Jahr zwischen dem geplanten und dem tatsächlichen Aufführungstermin. Das Ensemble probte nach dem Verschiebungsentscheid noch so lange weiter, bis ein kompletter Durchlauf des Stücks möglich war und davon ein Video gedreht werden konnte. Dieses war Erinnerungsstütze und Hilfsmittel für selbstständiges Proben. Der Aufwand und der Durchhaltewille haben sich gelohnt. Das Bühnenstück ist gereift wie ein guter Wein. Was da herauskommt, ist witzig, präzise und temporeich.

Kuno Bont ist als Filmemacher und Inhaber der Tukan Films Productions Werdenberg. 1952 in Oberriet geboren, lebt er seit Jahren in Werdenberg. Bis 2021 war Bont künstlerischer Leiter der Freilichtbühne Rüthi.

«Der Applaus tut mir gut»

Auf der Bühne ist Daniel Kretz Taxifahrer Bill, im ordentlichen Beruf Geschäftsführer der Ortlinghaus Holding GmbH in Gams. Er hat die Gelegenheit, bei der Theater Company mitzumachen sofort beim Schopf gepackt.

Der Zurückhaltende: Daniel Kretz steht gern auf der Bühne.
Der Zurückhaltende: Daniel Kretz steht gern auf der Bühne.
Bild: Kuno Bont

Ein Thema war’s schon lange. «Ich bin eher zurückhaltend, was das Kennenlernen neuer Leute angeht und stehe mir da manchmal selbst im Weg, doch der Reiz des Theaters war dann doch stärker», sagt er. «Und – es gefällt mir vor Leuten zu stehen und natürlich freut mich auch der Applaus, wenn ich etwas gut gemacht habe.»

Daniel Kretz, der an seinem Arbeitsplatz oft Hochdeutsch sprechen muss, lernt gut auswendig und profitiert auch von den Impulsen der Sprachbildung, welche die professionelle Regie vermittelt. Lampenfieber kennt er nicht – zumindest dann nicht mehr, wenn er die Bühne betreten hat.

Bei der Pointe muss jedes Mini-Detail stimmen

Jan Szanyi, wie Daniel Kretz in Diepoldsau wohnhaft, hat nicht die grösste, dafür aber eine der wichtigsten Rollen. «Ich bin die Überraschung!». Er trägt sozusagen die Schlusspointe: «Da muss jedes Wort, jedes Augenzwinkern, jede Bewegung und jeder Tonfall sitzen».

Die Überraschung: Jan Szanyi trägt die Pointe.
Die Überraschung: Jan Szanyi trägt die Pointe.
Bild: Kuno Bont

Während er das sagt, nickt Regisseurin Simona Specker, die zufällig gerade neben ihm steht, stumm mit dem Kopf und pflichtet ihm so bei. Szanyi hat mit der Theater Company zwar schon lange geliebäugelt, sich die Zusage zum Mitmachen aber doch ganz genau überlegt. «Der Schritt hat sich gelohnt – jetzt merke ich, dass mir das Theaterprojekt vor allem auch persönlich etwas bringt. Das Spiel auf der Bühne ist für mich schon fast etwas wie eine Meditation geworden», sagt Jan Szanyi.

Die prägendste Erfahrung bis jetzt: «Das Vertrauen, das man mir schenkt – das ist phantastisch».


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