01.03.2021

In der Trauer nicht allein lassen

Der Hospiz-Dienst Rheintal begleitet künftig auch Hinterbliebene und bietet Weiterbildungen an.

Von Monika von der Linden
aktualisiert am 03.11.2022
Eines Menschen Zuhause ist der wohl denkbar intimste Ort. Ist jemand krank oder spürt, dass er oder sie bald sterben wird, mag die eigene Wohnung zum Sehnsuchtsort werden. Dort sind die Menschen und die Umgebung vertraut, sie bieten Trost sowie Halt.Damit Ehefrauen ihre Gatten, Söhne ihre Mütter, Brüder ihre Schwestern oder Töchter ihre Väter durch diese schwere Zeit begleiten und sie vielleicht pflegen können, bedürfen auch sie einer Unterstützung. Einer der Akteure im Netzwerk palliativer (Beschwerden lindernder) Betreuung ist der ambulante Hospiz-Dienst Rheintal. Er unterscheidet sich von einem stationären Hospiz darin, dass er mobile Einsätze leistet und schwerkranken sowie sterbenden Menschen zu Hause, im Heim oder im Spital stundenweise zur Seite steht.Ansprechpartner vermehrt auch für Angehörige seinDen Hospiz-Dienst Rheintal gibt es seit Sommer 2014. Seinerzeit wurde er als Regionalstelle des St. Galler Vereins geführt. Im Dezember 2017 stellte er sich auf eigene Füsse und gründete einen Verein mit heute etwa 200 Mitgliedern. Drei weitere Jahre später richtet sich der Verein neu aus und erweitert sein Angebot: «Wir möchten unsere Kompetenz einer breiteren Öffentlichkeit bekannt und zugänglich machen», sagt Martin Bürki. Er ist Vorstandsmitglied, Supervisor und selbst als Begleiter im Einsatz. «Nach wie vor sind wir für schwerkranke und sterbende Menschen kompetente Ansprechpartner, vermehrt aber auch für deren Angehörige.»Leisten die 42 Freiwilligen Einsätze bei Klienten – im vergangenen Jahr waren es 1400 Stunden –, gewinnen die Angehörigen Zeit, um etwas Abstand zu nehmen. Sie zu entlasten heisst, dass sie ein wenig Freizeit finden, beruhigt zum Coiffeur, Arzt oder zu einer Behörde gehen können. «Oder einmal eine Nacht durchschlafen», sagt Stellenleiterin Erika Ulmann. Ist ein Patient gestorben, gilt der Auftrag augenscheinlich als erfüllt. Die Angehörigen sind oft mit ihrer Trauer allein. «Wir möchten nicht, dass der Kontakt zu ihnen abrupt endet. Ihre Begleitung soll sanft auslaufen», sagt Präsidentin Jutta Cobbioni. Immer wieder sei von Angehörigen der Wunsch geäussert worden, sich auch nach dem Abschied von einem nahestehenden Menschen mitzuteilen. «Trauerbegleitung bieten wir nicht im psychologischen Sinn an. Sie versteht sich als geleiteter Erfahrungsaustausch», sagt Erika Ulmann. Er erstrecke sich etwa über ein halbes Jahr mit bis zwei Einsatzstunden pro Woche.Sich über das Abschied nehmen weiterbilden«Viele Angehörige fühlen sich zurückgelassen», sagt die Stellenleiterin. Bereits vor der Pandemie habe sie beobachtet, dass kaum mehr Abschied genommen und ein Verstorbener oft im engsten Familienkreis beigesetzt werde. «Trostlose Bestattungen sind die Folge.» Das kann in Einsamkeit münden und hat durch den Kontaktverlust in der Pandemie zugenommen. Es ist aktuell nicht möglich, ein Trauercafé zu besuchen oder sich in einer Trauergruppe auszutauschen. Anhand von Weiterbildungen möchte der Vorstand der Entwicklung entgegentreten. Ehrenamtlich Tä-tige, deren Angehörige und die breite Öffentlichkeit lädt er ein, Vorträge von Palliativmedizinern oder Seelsorgern zu hören, sich an einem professionell geleiteten Erfahrungsaustausch zu beteiligen oder an einer von Martin Bürki begleiteten Supervision teilzunehmen.Der Hospiz-Dienst Rheintal ist Teil eines Netzwerks (die Palliativ-Foren Rheintal, Am Alten Rhein und Ostschweiz, die Spitex-Dienste und das stationäre Hospiz Werdenberg). Er empfiehlt gezielt Fachleute für weiterführende Hilfe.Vorstand und Stellenleitung ermuntern die Angehörigen kranker und sterbender Menschen, sich helfen zu lassen, bevor sie erschöpft sind. «Es ist ein Teil der Fürsorge, auch selbst Hilfe anzunehmen.», sagt Jutta Cobbioni.HinweisDer Hospiz-Dienst Rheintal bietet Weiterbildungen für Angehörige als Supervision am 31. Mai im Ober- und am 15. Juni im Unterreheintal an. Weitere Informationen und Anmeldung bei der Geschäftsstelle unter Telefon 071 755 09 09 oder im Internet unter www.hospiz-rheintal.ch.

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