17.09.2022

In den Reben geht es schnell voran

Die Thaler Winzer ernten früher als sonst. Und sind optimistisch, obwohl der Hagel Schaden angerichtet hat.

Von Diana Hagmann-Bula
aktualisiert am 02.11.2022
Roman Rutishauser hat gerade keine Zeit für Fragen. Er muss seine Trauben abladen. Normalerweise erledigt er das ab Ende September. Nun ist erst Mitte September und die Früchte sind schon reif. «Wunderschöne Weissweintrauben» hole er ein, sagt der Weinbauer und hört sich schon fast verliebt an. Verliebt in sein Produkt. Rutishauser geht von einem «Spitzenjahrgang 2022» aus. «Dieser Sommer! Eine Pracht! Heiss und trocken.» Das sei den Früchten gut bekommen. Eine finale Aussage betreffend Qualität und Quantität sei aber erst nach Ernteschluss machbar. Drei Tonnen Trauben in drei StundenGemäss Lehrbuch beginne die Ernte zwei, drei Wochen später. «Die Jahre sind unterschiedlich. So bleibt es abwechslungsreich.» Mit 25 Helferinnen und Helfern packt Rutishauser in diesen Tagen an. Zuerst die Weissen, den Riesling-Sylvaner, dann den Johanniter, zuletzt den Kerner. Die Unterstützer stammen aus dem Dorf, Pensionierte, Freunde, Kundinnen, Verwandte, Nachbarinnen. «Wir legen eine extreme Leseleistung hin, weil wir kaum faule Trauben rausschneiden müssen.» An einem Vormittag diese Woche hat die Truppe in drei Stunden drei Tonnen Früchte abgelesen. Pressen, Saftverarbeitung, alkoholische Gärung lauten die nächsten Schritte. Ab Februar wird der Wein in Flaschen gefüllt. 30 000 bis 50 000 Flaschen Ertrag werfen Rutishausers sieben Hektaren Reben ab.  Da war zwar der schöne Sommer, da war aber auch der starke Hagel an Pfingsten. Auf Rutishausers Rebparzellen ohne Seitenschutz hat er fast Totalschaden verursacht. Am Riesling-Sylvaner etwa. Nur mit zehn Prozent Ertrag rechnet Rutishauser. Auch bei Tom Kobel vom Ochsentorkel fallen drei Viertel der Riesling-Ernte weg. Statt 15 Personen arbeiten am Rebberg nur acht Helferinnen und Helfer. «Wenn man mit der Natur arbeitet, muss man solche Verluste einkalkulieren», sagt Kobel. Er sei versichert gegen Traubenausfall, könne mit dem erhaltenen Betrag bei anderen Rebbauern Früchte einkaufen. «Damit ich meinen Kunden trotzdem Wein anbieten kann. Sonst geht man als Anbieter schnell vergessen.» 20 000 bis 40 000 Flaschen Wein produziert Kobel in normalen Jahren.  Schon Mitte Juli habe er an den Trauben den ersten Farbumschlag beobachtet, erzählt er. «Da habe ich gewusst, dass ich die Erntehelfenden früher aufbieten muss.» Pensionierte aus dem Dorf unterstützen Kobel ebenso am Rebberg wie seine Mitarbeiter und der Lehrling. Noch kümmern sie sich um die weissen Trauben, später sind die Roten dran. Mit noch etwa sieben Erntetagen bis in den Oktober hinein rechnet Kobel, obwohl alles vier Wochen früher begonnen hat. Immer wieder liest er 50 Trauben ab, misst deren PH-Wert, Gesamtsäure, Zuckergehalt. Und steckt sich eine Frucht in den Mund: «Das Aroma spürt man am besten, wenn man die Traube isst.» Löst sich das Fruchtfleisch schon mühelos von der Schale ab? Anzeichen dafür, dass die Frucht bald erntereif ist.Menschen statt MaschinenZwar gibt es seit Jahrzehnten Erntemaschinen auf dem Markt. In Thal sucht man sie vergeblich. Weil die Weingebiete am Steilhang liegen, auch weil Erntehelfer genauer arbeiten als das Gerät. «Bei mir kommt keine schlechte Qualität in den Keller», sagt Kobel. Nur in die Kiste legen, was man verzehren würde, rät er den Helfenden. Mit einer schlechten Ernte verspiele man einen Teil des Weinpotenzials. «Ich habe schon Leute heimschicken müssen, weil sie kein gutes Auge für die Trauben hatten», sagt er. Und:«Es wird ein guter Jahrgang. Nur leider mit sehr wenig Ertrag.» Zwei Wochen früher als üblich ist Willi Tobler vom gleichnamigen Weinbau in Thal mit der Ernte dran. Gerne hätte sich der 65-Jährige zwischen Sommer und Ernte eine Pause gegönnt. Die Reben seien gewachsen wie verrückt, er habe sie regelmässig zurückschneiden müssen, sich daneben um den Aufbau für nächstes Jahr gekümmert. Eben erst habe er die späten Weine von 2021 abgefüllt und nun wieder den Keller für die Kelterung hergerichtet. Bei spätsommerlichen Temperaturen gelangen die Trauben zu warm in den Keller. «Die Frucht beginnt schneller zu gären und Aroma geht verloren», sagt Tobler. Deshalb kühlt er sie runter auf 18 Grad. Mit 6000 Flaschen «Spitzenwein» rechnet er. Darunter Pinot noir. Diese Trauben werden an den letzten goldigen Oktobertagen geerntet, bevor das Wetter umschlägt. Und der Rebberg sich leert. 

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