13.09.2019

In Altbauwohnungen will kaum jemand

Im Appenzellerland stehen derzeit über 800 Wohnungen leer. Die Präsidenten der Hauseigentümerverbände nehmen es gelassen.

Von Claudio Weder und Astrid Zysset
aktualisiert am 03.11.2022
Claudio Weder und Astrid ZyssetDie neueste nationale Erhebung des Leerwohnungsbestandes durch das Bundesamt für Statistik zeigt: Der vor zehn Jahren eingesetzte Anstieg der Leerwohnungsziffer, also des prozentualen Anteils der leerstehenden Wohnungen am Gesamtwohnungsbestand, hält an (siehe Grafik). Am 1. Juni 2019 wurden in der Schweiz 75 323 Leerwohnungen gezählt, das sind 1,66 Prozent des Gesamtwohnungsbestands. Im Vergleich zum Vorjahr standen damit 3029 Wohnungen mehr leer, was einem Anstieg von 4,2 Prozent entspricht. Als Leerstände in die Zählung mit aufgenommen wurden alle möblierten oder unmöblierten bewohnbaren Wohnungen, die zur dauernden Miete oder zum Kauf angeboten werden und am Stichtag nicht bewohnt wurden. Den Wohnungen gleichgestellt sind leer stehende, zur Vermietung oder zum Verkauf bestimmte Einfamilienhäuser.Die Appenzeller Kantone befinden sich nach wie vor über dem Schweizer Durchschnitt. Die Leerwohnungsziffer im Kanton Appenzell Ausserrhoden ist im Vergleich zum Vorjahr erneut angestiegen. Gemäss neuster Erhebung beträgt sie 2,3, 2018 wurde sie noch mit 2,18 in der Statistik geführt. In Ausserrhoden stehen derzeit 669 Wohnungen leer. Laut Ernst Bischofberger, Präsident des Hauseigentümerverbandes (HEV) Appenzell Ausserrhoden, hängt dies mit dem aussergewöhnlich hohen Altwohnungsbestand zusammen, den es im Kanton gibt. «Jene Wohnungen werden zwar günstig zur Miete oder zum Verkauf ausgeschrieben, doch die Ansprüche haben sich gewandelt. Es wird lieber etwas mehr gezahlt, um sich den Traum einer neueren Wohnung erfüllen zu können.» Als Altbauwohnungen umschreibt Bischofberger diejenigen, welche vor 1940 entstanden sind. Sie sind oftmals schlecht wärme- wie auch schallisoliert und weisen eine Raumhöhe von gerade einmal zwei Metern auf. Diese Wohnungen zu sanieren und sie der Mietergunst anzupassen, ist kein leichtes Unterfangen. 26 Prozent aller Wohnungsgebäude in Appenzell Ausserrhoden befinden sich in der Ortsbildschutzzone oder stehen unter Einzelschutz. Eine Sanierung oder ein Abbruch mit anschliessendem Neubau ist nur unter strengen Auflagen möglich.Den Prozentsatz der unter Schutz gestellten Häuser zu senken, bedarf einer Gesetzesänderung. Einem entsprechenden Entwurf wurde 2014 vom Kantonsrat in erster Lesung mit 80 Prozent Ja zugestimmt. Aufgrund anschliessender Interventionen aus Schutzkreisen verfolgte der Regierungsrat die Revision jedoch nicht weiter. Ein neuer Anlauf ist nicht in Sicht. Für den HEV-Präsidenten ist die relativ hohe Leerwohnungsziffer in Ausserrhoden jedoch kein Problem. Er sagt: «Neubauwohnungen stehen nicht viele leer. Somit sollte ersichtlich sein, dass sich hier lediglich die geringe Nachfrage bei den Altbauten in der Statistik niederschlägt.»Teufen hat die meisten leeren WohnungenEin Blick in die Statistik offenbart noch etwas anderes: Teufen hat mit 3,12 eine besonders hohe Leerwohnungsziffer in Ausserrhoden – sogar noch höher als Herisau, welches mit 2,45 aufgeführt wird. Dass sich in der Mittelländer Gemeinde besonders viele Altbauwohnungen befinden würden, will Bischofberger nicht behaupten. Seine Vermutung: «Der tiefe Steuerfuss hat zu einer grossen Nachfrage geführt, welche die Preise in die Höhe schnellen liessen. So hoch, dass die eine oder andere Wohnung halt doch noch eine Weile leer stehen wird.»Ein ähnliches Bild zeichnet sich im Nachbarkanton ab: In Appenzell Innerrhoden stehen derzeit 163 Wohnungen leer, dies entspricht einem prozentualen Anteil von 2,02 am Gesamtwohnungsbestand. Die Leerwohnungsziffer ist 2019 zwar höher als im vergangenen Jahr (1,89) und deutlich höher als noch 2015 (0,83), aber dennoch tiefer als in den Jahren 2016 und 2017, wo sie noch 3,63 beziehungsweise 2,36 betrug. Fefi Sutter, Präsident des Hauseigentümerverbandes Appenzell Innerrhoden, erklärt den Grund für diese Schwankungen: «In einem kleinen Wohngebiet wie Innerrhoden, wo es vergleichsweise wenige Wohnungen gibt, fallen Änderungen im Wohnungsangebot in der statistischen Erhebung viel stärker ins Gewicht.» Ein Beispiel: Auch in Innerrhoden herrsche derzeit ein Trend zu grösseren Wohnüberbauungen, sagt Sutter. Er nennt die im Jahr 2015 fertiggestellte Überbauung Böhleli, mit der rund 50 neue Wohnungen auf einen Schlag entstanden sind. «Aus dem einstigen Notstand an Wohnungen, wo die Wohnungen einfach von der Hand liefen und man froh sein musste, wenn man überhaupt noch etwas bekommen konnte, entstand damals ein Überangebot. Bis sich dieses jedoch wieder einpendelt, dauert es eine Weile.»Der Mietmarkt wird aufgemischt Von den 163 leer stehenden Wohnungen in Innerrhoden sind 50 im Dorf Appenzell zu finden, welches eine Leerwohnungsziffer von 1,68 Prozent aufweist. Mehr als die Hälfte dieser Wohnungen sind laut Statistik Zwei- und Dreizimmerwohnungen. «Neue Mietwohnungen sind aufgrund der hohen Bodenpreise schwierig zu realisieren, weshalb die Investoren auf Stockwerkeigentumswohnungen ausweichen», sagt Fefi Sutter. Im Grossen und Ganzen sieht der Präsident des Innerrhoder HEV in der aktuellen Entwicklung der Leerwohnungsziffer noch keinen Grund zur Sorge. Es sei aber davon abhängig, was künftig noch realisiert werde. Der aktuellen Situation kann er auch Positives abgewinnen. «Wir beobachten, dass gerade bei kleinen Bauten vermehrt auch Kleinunternehmen wie zum Beispiel Baugeschäfte oder Gewerbler als Investoren einsteigen, und so den Mietmarkt aufmischen. Diese Unternehmen bieten Wohnungen günstiger an als beispielsweise Pensionskassen.» Dadurch entstehe ein Druck auf den Immobilienmarkt, der letztlich einen positiven Effekt auf Eigentümer älterer Bauten haben könnte. «Diese werden motiviert, ihre Wohnungen zu sanieren.» Folglich würden in Zukunft wieder mehr sanierte ältere Wohnungen auf den Markt kommen, ist Sutter überzeugt. Nicht sanierte Altbauwohnungen seien derzeit schwer zu vermitteln.

Abo Aktion schliessen
News aus der Region?

Alle Geschichten, alle Bilder

... für nur 12 Franken im Monat oder 132 Franken im Jahr.