Rüthi 28.09.2023

In 20 Tagen über die Alpen quer durch die Schweiz: Raphael Heeb wanderte nach Montreux

Eine Begegnung mit dem Ex-Schwingerkönig, durchweichte Kleidung und ein «Cheli» getrunken – ein Rüthner wanderte 370 Kilometer.

Von Cassandra Wüst
aktualisiert am 29.09.2023

Raphael Heeb aus Rüthi hat in nur 20 Tagen eine bemerkenswerte Leistung vollbracht: Er absolvierte 370 Kilometer auf der Via Alpina von Sargans bis nach Montreux. Täglich wanderte er sieben bis elf Stunden und ­überwand insgesamt 24 000 Höhenmeter. Interessanterweise bevorzugte er den Aufstieg ge­genüber dem Abstieg. Im Interview erzählt der 30-Jährige von kaputten Wanderschuhen, Schneestürmen und der schönsten Aussicht.

Was hat dich dazu inspiriert, diese lange Strecke zu wandern?

Raphael Heeb: Zum einen die Faszination für die Berge und ein Gefühl von Demut, das alles andere klein erscheinen lässt. Zum anderen die mentale und physische Herausforderung sowie die Neugier, unbekannte Orte zu entdecken. Seit einem Jahr studiere ich in Kopenhagen, wo ich die Berge sehr vermisse. Diesen Sommer habe ich dann die Semesterferien genutzt.

In 20 Tagen die Via Alpina zu bewältigen, ist eine beachtliche Leistung. Kannst du uns ein wenig über die Vorbereitungen erzählen?

Ehrlich gesagt habe ich mich nicht intensiv auf diese Wanderung vorbereitet. Zwar treibe ich regelmässig Sport, trotz­-dem war ich unsicher, ob ich es schaffen würde, da ich vor anderthalb Jahren eine Bandscheibenoperation hatte. Mein Fokus lag daher mehr auf der Ausrüstung.

Welcher Gegenstand war für dich unverzichtbar?

Mehrere: Ein leichtes Zelt, ei­-ne Isomatte, ein Daunenschlafsack, Wanderstöcke und ein bequemer Rucksack. Das Wichtigste war jedoch ein Drybag, um meine Kleidung und den Schlafsack bei Regen trocken zu halten. Es ist das schönste Gefühl, wenn du nach einem Tag im Regen und nach dem Zeltaufbau in trockene Sachen schlüpfen kannst.

Welcher Abschnitt der Wanderung hat dir am besten gefallen?

Jede Etappe hatte ihren eigenen Charme. Einer meiner Lieblingsabschnitte führte vom Klausenpass nach Altdorf über den Schächentaler Höhenweg. Auch die Strecke von Meiringen nach Grindelwald oder das Dorf Mürren haben mich beeindruckt.

Wo hattest du die schönste Aussicht?

Jeder denkt, dass man immer einen romantischen Zeltplatz hat. Aber wenn du so lange unterwegs bist, suchst du einfach einen ebenen Platz, wo es Wasser in der Nähe hat und idealerweise ein Volg innert 20 Minuten erreichbar ist, um den Proviant aufzufüllen. Die letzte Nacht der Reise war aber sehr beeindruckend, als ich auf dem Gipfel des Rochers de Naye ohne Zelt unter dem Sternenhimmel übernachtet habe.

 

Hast du auch mal ans Aufgeben gedacht?

Jeden Tag. Die ersten zehn Tage waren von Dauerregen geprägt und ich erlebte Schneestürme bis auf 1600 Meter Höhe. Aber ich habe gelernt, die Landschaft zu geniessen, im Moment zu leben und mich von den schönen Seiten der Reise motivieren zu lassen.

Gab es einen Moment, den du herauspicken würdest?

Zwischen Lenk und Gstaad habe ich kein Wasser gefunden, was fast zur Dehydrierung und Panik geführt hat. Als ich dann eine abgelegene Alp gefunden hatte und nach Wasser fragte, hat mir der Bauer frischen Süssmost, selbst gemachtes Brot und Käse serviert. Speziell auch: Als ich auf der Engstlenalp ankam, fand dort am nächsten Morgen ein Bergschwingfest statt. Ich übernachtete dort, traf den ehemaligen Schwingerkönig Christian Stucki und lernte viel über Schweizer Kultur.

Raphael Heeb mit Ex-Schwingerkönig Christian Stucki am Bergschwingfest Engstenalp.
Raphael Heeb mit Ex-Schwingerkönig Christian Stucki am Bergschwingfest Engstenalp.
Bild: pd

Zum Beispiel?

Was ein «Cheli» ist. Ein Kafi Lutz, serviert in einer Zmorge-
Schüssel.

Wie sieht es mit Blasen und Schmerzen aus?

In den ersten Tagen hatte ich starken Muskelkater. Dann begannen die Gelenke zu schmerzen. Glücklicherweise hatte ich keine Blasen, obwohl meine Wanderschuhe am Ende der Reise völlig kaputt waren.

Wanderungen wie diese bringen oft persönliche Erkenntnisse. Gab es ­Momente der Reflexion?

Die Einsamkeit während der Wanderung half mir, eine mentale Auszeit zu nehmen. Es war eine Entschleunigung vom Alltag. Zusätzlich baust du ein Bewusstsein zwischen Körper und Geist auf, lernst deinen Körper besser kennen.

Wie war es, als du dein Ziel erreicht hast?

Es war ein wunderschönes Gefühl, als ich Montreux erreicht habe. Ich bin in den Genfersee gesprungen und habe den Moment genossen. Ich war sehr stolz, dass ich es durchgezogen habe, und gleichzeitig tauchte der Gedanke auf: Was kommt jetzt als Nächstes?

In 20 Tagen über die Alpen quer durch die Schweiz: Raphael Heeb wanderte nach Montreux

Und, was kommt als ­Nächstes?

(Lacht.) Ich weiss es noch 
nicht genau. Die Haute Route von Chamonix nach Zermatt überlege ich mir mit ein paar Kollegen anzugehen, möglicherweise mit Tourenski. Oder vielleicht ein Langwanderweg in Italien oder Frankreich. Eins ist sicher: Das wird nicht meine letzte grosse Wanderung gewesen sein.

Welche Ratschläge würdest du anderen Wanderern geben?

Einfach machen. Es ist erstaunlich, zu was der Körper imstande ist. Und, dass es nicht so 
viel Gepäck braucht, wie man denkt. Drei Unterhosen, drei Paar Socken und drei T-Shirts sollten für 20 Tage locker reichen – und natürlich eine Naturseife, um alles im Bach zu waschen.

Die Route 1 der Schweiz

Die Via Alpina ist ein Weit­wanderwegnetz, das die acht Alpenstaaten Schweiz, Liechtenstein, Österreich, Slowenien, Italien, Monaco, Frankreich und Deutschland miteinander verbindet. Fünf verschiedene Rou­ten, nach Farben benannt, führen über 5000 Kilometer durch die Bergwelt der Alpen. Der rote Weg ist mit 2540 Kilometern

die längste Wanderung und führt als einzige durch alle acht Länder. Der Grüne Weg der Via Alpina, in der Schweiz auch als nationale Route 1 bekannt, überquert 14 der Alpenpässe von Vaduz nach Montreux. Auf seinem Weg durch sieben Kantone der Schweiz erlebt der Wanderer auf 390 Kilometern eine vielfältige Kultur, Geologie und Topografie.

 

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