08.09.2021

Impfwille setzt Wissen voraus

Ob sich Migranten impfen lassen, habe auch mit Vertrauen in die Regierung zu tun, sagt die Integrationsbeauftragte Ursula Stadlmüller.

Von Monika von der Linden
aktualisiert am 03.11.2022
Mit der gesteigerten Reisefreudigkeit in den Sommerferien hat auch die Zahl derer wieder zugenommen, die sich mit dem Coronavirus infiziert haben. Viele Ferienrückkehrer, die nicht geimpft und schwer an Covid-19 erkrankt sind, hatten sich zuvor unter anderem im Balkan aufgehalten, wie Schweizer Medien berichteten. Zwar fehlt eine Statistik zu den Nationalitäten von Covidpatienten auf den Intensivstationen – mehr als ein Drittel gibt aber ein Land in Südosteuropa als möglichen Ansteckungsort an, wie es in einem Bericht der Coronataskforce heisst.In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die Gemeinden versuchen, Einfluss auf ihre ausländische Bevölkerung zu nehmen – zum Beispiel in St. Margrethen, wo die Ausländerquote überdurchschnittlich hoch ausfällt. Sind dort Migrantinnen und Migranten häufiger infiziert oder nicht geimpft als Schweizerinnen und Schweizer? «Das kann ich weder subjektiv bestätigen noch objektiv mit Zahlen belegen», sagt Gemeindepräsident Reto Friedauer. Zuständig für die Impfung sei der Kanton – doch auch die Gemeinde unternehme etwas.Fachstelle informiert seit Beginn der PandemieReto Friedauer hebt diesbezüglich die bestehenden Strukturen hervor: «Glücklicherweise haben wir die Fachstelle Integration. Von ihr profitieren alle Gemeinden», sagt er, der auch den Verein St. Galler Rheintal präsidiert. «Wir können niemanden zur Impfung zwingen, aber wir informieren und überzeugen. Die Impfung ist das Gebot der Stunde – für die Gemeinschaft und für sich selbst.»Ursula Stadlmüller, Integrationsbeauftragte des Vereins St. Galler Rheintal, bedauert es, dass nun viele Migranten im Fokus der Pandemie stehen. «Sie haben ihre Familien zwei Jahre lang nicht gesehen», sagt sie. Es sei nachvollziehbar, dass sie in den Ferien in ihre Heimat gefahren seien. «Wir Schweizer sind schliesslich auch verreist.»Würden sich Migrantinnen und Migranten nicht impfen lasen oder Verhaltensregeln in der Pandemie missachten, habe dies vielschichtige Ursachen. «Das hat mit Vertrauen und Wissen zu tun», sagt Ursula Stadlmüller. «Bei Flüchtlingen zum Beispiel spielen eigene Erfahrungen mit Regierungen in der Heimat eine Rolle.» Seien diese schlecht, vertraue die betroffene Person unter Umständen auch der Bundes- oder Kantonsregierung nicht. «Das Schwarzer-Peter-Spiel hilft nicht», sagt sie. Der Schlüssel liege in der Aufklärung und einer niederschwelligen Möglichkeit, sich impfen zu lassen.Die Fachstelle Integration in Rebstein nutzt in der Pandemie das soziale Netz, das sie in den letzten Jahren immer dichter gewoben hat, um eingewanderte Menschen zu informieren. Es besteht aus persönlichen Kontakten, die Mitarbeitende in Projekten geknüpft haben, sowie Schlüsselpersonen. Diese tragen auch sonst Informationen von den Behörden in ihre Community. «Wir sind seit März letzten Jahres aktiv, um zu informieren und auf das richtige Verhalten zu sensibilisieren», sagt Ursula Stadlmüller. Die Fachstelle poste beispielsweise Videos und Flyer des Kantons auf Instagram und Facebook. Sie liegen in 24 Sprachen vor. «Das hat eine grosse Streuwirkung. Sie werden innerhalb einer Community sogar ins Ausland geteilt.»«Schenk mir eine Geschichte» ist ein Angebot der Fachstelle Integration, bei dem fremdsprachige Eltern und Vorschulkinder an die deutsche Sprache herangeführt werden. «Hier und in der offenen Sprechstunde werden unsere Leute oft auf Corona angesprochen und um Rat gebeten», sagt die Integrationsbeauftragte. Sie beobachtet, dass Migranten dort Maske tragen würden, wo es sein müsse, und grundsätzlich bereit seien, sich ernsthaft mit den Fragen rund um Corona zu befassen und nach verständlichen Informationen zu suchen. «Wir vereinbaren für Migranten Impftermine oder begleiten sie zu ihrer Impfung.» Diese Unterstützung trage dazu bei, die eine oder andere bürokratische Hürde zu überwinden. «Ich finde, es müsste alle zwei Wochen ein Impfbus vor dem Rheinpark stehen.» Und Testtermine müssten schneller verfügbar sein als bisher.Migranten stellen Fragen rund um CoronaUrsula Stadlmüller ist überzeugt, dass der Staat noch mehr Präsenz in der Bevölkerung zeigen sollte. Nur so könnten zur Impfung Unentschlossene erreicht werden. «Und jene, die sich aufgrund von Falschmeldungen gegen eine Impfung aussprechen.» Diese Leute gebe es nicht nur unter Migranten. «Es ist wichtig, genau über Nebenwirkungen der Impfung aufzuklären und das Zusammenspiel mit anderen Krankheiten offen zu benennen. Nur so entsteht das Vertrauen in die Regierung, dass man sich auf ihre Empfehlungen verlassen kann.»

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