04.09.2020

Immer mit Kollegen Fussball gespielt

Legendenrücktritte: Julian Bösch und Ramon Gächter prägten den FC Altstätten während 15 Jahren. Mit 32 Jahren haben sie nun aufgehört.

Von Yves Solenthaler
aktualisiert am 03.11.2022
Erik Regtop war noch Spielertrainer in Altstätten, als Mittelfeldspieler Julian Bösch und etwas später Stürmer Ramon Gächter in der ersten Mannschaft auftauchten. Vor der Saison 2005/06 präsentierten sie sich erstmals auf dem Mannschaftsbild. Zum Stamm gehörten sie in der folgenden Saison in der 2. Liga interregional. Mit ihnen drängten in diesen Jahren weitere Spieler des Jahrgangs 1988 ins Team, die den FC Altstätten während mehr als einem Jahrzehnt prägten: Dionys Wyss, Silvan Luggen und Sandro Casanova. Auch Brian Steiger und dessen jüngerer Bruder Kevin, der immer noch dabei ist, stiessen in dieser Zeit dazu. Ebenso wie der heutige Sportchef Dario Ilic und der ein wenig jüngere Thomas Ritter.Seit diesem Sommer spielen Ramon Gächter und Julian Bösch mit vielen dieser Namen in der dritten Altstätter Mannschaft in der 5. Liga. «Es hat sich nichts verändert, wir spielen immer noch mit Kollegen Fussball», schmunzelt Ramon Gächter. Julian Bösch sagt: «Nur muss man jetzt kein schlechtes Gewissen mehr haben, wenn man wegen der Arbeit mal ein Training absagen muss.» Er habe jedoch erst in der letzten Zeit gemerkt, dass man als Amateurfussballer auf diesem Niveau auf einiges verzichte: «Es war normal, drei- bis viermal ins Training zu gehen und am Wochenende zu spielen», sagt Bösch.In 15 Jahren arbeiteten zehn Trainer beim FC AltstättenSie machen das, seit sie fünf-, sechsjährig sind. Immer beim FC Altstätten, abgesehen von der gemeinsamen Juniorenzeit beim Liechtensteiner Landesverband (mit vier weiteren Altstättern). Und bei Julian Bösch von einem zweijährigen Abstecher zum FC Widnau. Von 2014 bis 2016 kickte er auf der Aegeten. In seiner ersten Saison stieg Widnau fast in die 1. Liga auf, in der zweiten folgte der Abstieg in die 2. Liga. «Ausgerechnet mit mir hatte Widnau Misserfolg», sagt Bösch. Das ärgert ihn, wie das einen Sportler ärgert. Aber er sagt: «Es war damals der richtige Entscheid, nach Widnau zu wechseln – und ich bereue die meist schöne Zeit dort nicht.»Ausser in diesen zwei Jahren kickten Bösch und Gächter immer zusammen – und auch der Zeitpunkt des Rücktritts ist synchron. Sie kamen schon als Freunde in die erste Mannschaft und verbringen (bzw. verbrachten) auch sonst viel Zeit zusammen. In der ersten Mannschaft übernahmen sie früh Führungsaufgaben: Nach Regtops Wechsel zu Montlingen (2007) fiel die Mannschaft auseinander. «Die folgende Interregio-Saison war eine Qual», erinnert sich Bösch, «wir hatten keine Chance.» Aber für die persönliche Entwicklung sei das sehr gut gewesen. Julian Bösch wurde in seinen frühen Zwanzigern Captain, Ramon Gächter wurde Spielführer als Bösch bei Widnau war.Beim zweiten Abstieg in der Saison 2013/14 war Altstätten in der 2. Liga inter ebenfalls nicht konkurrenzfähig – ein Umstand, der Böschs Wechsel nach Widnau begünstigt hat. Die Erfolgskurve des FC Altstätten in den letzten 15 Jahren zeigt eine Zick-Zack-Bewegung. Viele Spieler sowie auch einige Trainer kamen, und gingen fast ebenso schnell wieder. Zehn Trainer hat Ramon Gächter auf der Gesa erlebt. Prägend für Böschs und Gächters gemeinsame Zeit in Altstätten waren drei Übungsleiter: Patrik Haldner, Manfred Eisbacher und Adrian Brunner. Bösch nennt auch Misko Rankovic zu seiner Widnauer Zeit als wichtigen Trainer.Sieg gegen Dortmund am Altstätter U19-TurnierMit Haldner als Trainer stieg Altstätten in der Saison 2009/10 in die 2. Liga inter auf – mit dem von Erik Regtop trainierten FC Montlingen als direkten Konkurrenten. «Wir galten vor der Saison nicht als Favoriten», erinnert sich Gächter. Das änderte sich, als der FCA im letzten Vorrundenspiel in Montlingen mit 6:1 gewann. Diesen Erfolg, verbunden mit dem späteren Aufstieg, bezeichnen beide als Highlight ihrer Fussballerkarriere. Mit Haldner verbindet sie, vor allem Gächter, auch eine gemeinsame Zeit in der zweiten Mannschaft (als diese noch in der 3. Liga spielte). Ein grosses Erlebnis war für Julian Bösch und Ramon Gächter bereits das internationale U19-Turnier 2006. Nicht nur, weil dieses Turnier für Altstätter Spieler ohnehin einen hohen Stellenwert besitzt: Damals siegte der stärkste FC Altstätten verstärkt der letzten Jahre nämlich gegen die Alterskollegen von Borussia Dortmund mit 2:1.Die sportlich erfolgreichste Zeit in den letzten 20 Jahren hatte Altstätten zwischen 2010 und 2013 mit den Tabellenplätzen zehn, sieben und acht in der 2. Liga interregional. Der Trainer war Manfred Eisbacher. «Er hat es, wie später auch Adi Brunner, geschafft, eine gute und motivierende Stimmung in die Mannschaft zu bringen», sagt Gächter. «Ich erlebte auch Zeiten mit regelmässig weniger als zehn Spielern im Training», sagt Bösch, «bei Eisbacher und seinem Co-Trainer Wolfi (Wolfgang Ott, d. Red.) kamen immer alle gerne ins Training.»Die 2. Liga interregional sei spielerisch anspruchsvoll und daher für einen ambitionierten Amateurspieler interessant, sagen beide. «Aber bei den Auswärtsspielen kam ich nie an einen Ort, von dem ich dachte: Hier würde ich gerne spielen», sagt Julian Bösch. Dass es später mit dem Interregio-Aufstieg nicht mehr klappte – 2019 und vor allem 2018 war der FCA nahe dran – bereuen beide nicht.Einen schönen Abschluss haben beide den vier Jahren mit Adrian Brunner zu verdanken – für Bösch waren es nur drei Brunner-Jahre in Altstätten, dafür hatte er eines mit ihm als Co-Trainer in Widnau. «Seine Fähigkeiten, aus Menschen eine Einheit zu bilden, sind unvergleichlich», sagt Julian Bösch. «Im ersten Training erzählte er von 4-3-3 und schnellen Kombinationen», erinnert sich Gächter, «da dachte ich schon: Passt das zu uns? Aber Adi hat schnell gemerkt, dass es der Schlüssel zum sportlichen Erfolg ist, eine Mannschaft zu haben, die miteinander Spass hat.» Ihr Highlight der Ära Brunner ist der 7:1-Sieg gegen Widnau im Frühling 2018 und die Finalquali im Ostschweizer Cup 2019. Im Schweizer Cup blieb dem FCA das Losglück aber wie schon 2013 versagt: Damals war der Gegner Wohlen (Challenge League), diesmal gar nur Bassecourt (Promotion League).Den Rücktritt haben sich Julian Bösch und Ramon Gächter reiflich überlegt. Den Zeitpunkt erachten sie als richtig. «Vor einem Jahr hätten wir besseren Gewissens aufhören können, wenn Adi Brunner geblieben wäre», sagt Bösch. Auch weil 2019 weitere Spieler rund um die 88er-Jahrgänge aufgehört hatten, wollten sie mit dem neuen Trainer Ralph Heeb dazu beitragen, das Team zu stabilisieren. Der Trainer ist schon nicht mehr in Altstätten, dennoch sehen beide die Mannschaft nun gefestigter als vor einem Jahr. «Die Vorrunde im letzten Herbst war zwar durchzogen, aber die Formkurve gegen Ende steigend – ausser dem 0:3 in Montlingen», sagt Bösch, «aber wir waren bereit für eine gute Rückrunde.» Wie schon oft: Altstätten dreht nicht selten erst in der zweiten Saisonhälfte auf. Kurz bevor der Lockdown kam, waren Gächter und Bösch mit ihren Teamkollegen im Trainingslager. Ihr letzter Match war ein Testspiel gegen eine Zürcher Mannschaft. «Ich habe mich noch lange fitgehalten», sagt Bösch. Aber noch vor dem offiziellen Saisonabbruch war beiden klar, dass ihre Fussballerkarriere nun beendet ist.Deutlicher Sieg bei der 5.-Liga-PremiereDas heisst: Julian Bösch und Ramon Gächter spielen ja noch Fussball. Im ersten 5.-Liga-Spiel gab’s mit einer interregio-erfahrenen Mannschaft einen 6:2-Sieg gegen Montlingen. Aber das Gewinnen ist nicht mehr so wichtig. «Das macht Spass: Kicken mit Kollegen», sagt Ramon Gächter.Sie haben nie etwas anderes gemacht.

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