07.06.2021

Imker und Bauer im Clinch

Ein Landwirt aus Heiden setzt Glyphosat ein. Der benachbarte Bienenzüchter findet das fahrlässig.

Von Karin Erni
aktualisiert am 03.11.2022
Walter Walser aus Wald ist seit 40 Jahren nebenberuflich Imker. Seit zehn Jahren pflegt er in Heiden am Gstaldenbach sein Bienenhaus mit Namen Paradiesli. Auf dem Grundstück wachsen unzählige Wildblumen und seltene Pflanzen. Doch mit den paradiesischen Zuständen ist es nun vorbei.Der Bauer, dem die angrenzende Wiese gehört, hatte dort im März 500 Nordmanntannen gepflanzt. Weil das Gras schneller als die Jungbäume wuchs, spritzte er Anfang Mai den Unkrautvertilger Glyphosat. Vom Gifteinsatz zeugen seither gelbe Streifen in der Wiese. «Ich bin entsetzt über dieses Vorgehen», sagt Walser. «Bereits im März habe ich ihn per Whatsapp-Nachricht eindringlich gebeten, auf den Pestizideinsatz so nah am Bienenhaus und direkt oberhalb des Baches zu verzichten.»Er habe verschiedene Möglichkeiten geprüft und abgewägt, schrieb der Bauer zurück. «Da heraus beschloss ich, mit Glyphosat zu behandeln. Falls du es wünschst, könnte ich dich vor dem Spritzen jeweils informieren. Aber das wäre von meiner Seite freiwillig und Goodwill.» Darauf geht Walser nicht ein. «Ich kann die Bienen beim Sommerwetter nicht einfach einsperren, sonst gehen sie im Stock wegen der Hitze ein.» Generell werde in der Land- und Forstwirtschaft fahrlässig mit Giften umgegangen, sagt der Imker. «Vor einigen Jahren habe ich in letzter Minute den Einsatz von Cypermethrin ganz in der Nähe verhindern können. Forstleute wollten mit dem starken Insektengift Rundholz vor Borkenkäferbefall schützen. Dabei liesse sich mit Entrinden der Stämme der gleiche Effekt erzielen.»Gesundheit der Bienen latent gefährdetDer ehemalige Lehrer hat in seinem Bienenhaus regelmässig Schulklassen zu Besuch, denen er die faszinierenden Vorgänge im Bienenstock anschaulich näherbringt. Walser bewirtschaftet seine Bienen nach biodynamischen Grundsätzen. Es sei ihm in den letzten Jahren sogar gelungen, Völker zu züchten, die gegen den gefährlichsten Bienenschädling, die Varroamilbe, resistent sind. Dass nun Glyphosat in der Nähe des Stockes ausgebracht wurde, bezeichnet er als fahrlässig. «Das Herbizid schädigt gemäss neueren Studien das Immunsystem der Bienen, weil es die Zahl der Darmbakterien reduziert. Die Tiere werden dadurch anfälliger für tödliche Infektionen.»Glyphosat ist legal, aber ...In den USA laufen aktuell mehrere Klagen gegen den Agrochemiehersteller Monsanto, weil das von ihm produzierte Glyphosat Krebs beim Menschen verursachen soll. Trotzdem galt Glyphosat bislang als ein vergleichsweise insektenschonendes Unkrautvernichtungsmittel. Das Bundesamt für Landwirtschaft schreibt in einem Positionspapier: «Glyphosat erfüllt alle Anforderungen, die für eine Zulassung als Pflanzenschutzmittel erfüllt sein müssen. Glyphosat ist weder als krebserregend, reproduktionsschädigend noch als fruchtschädigend einzustufen.» «In der Schweiz ist die Anwendung des Totalherbizides Glyphosat für Inhaber einer Fachbewilligung derzeit leider noch erlaubt», sagt René Glogger. Er ist beim Ausserrhoder Amt für Umwelt für den Vollzug des Chemikalienrechts zuständig. Er beurteilt im konkreten Fall den Einsatz des Mittels als kritisch.  «Das Risiko ist gross, dass das Glyphosat über den Boden ins Grundwasser gelangt.»Auch sei empfohlen, nur zu Zeiten zu spritzen, in denen die Bienen nicht fliegen. Das Amt für Umwelt habe den betreffenden Bauer zu einer schriftlichen Stellungnahme aufgefordert, sagt Glogger. «Falls sich ein nichtgesetzeskonformes Verhalten des Landwirts herausstellen sollte, könnte es zu einer Verzeigung kommen.»Der Landwirt wollte sich auf Anfrage nicht zu den Vorwürfen äussern. Dem Bienenzüchter schrieb er: «Ja, du darfst das melden, wo du willst. Da ich ebenfalls in einem freien Land lebe, werde ich tun, was das Gesetz zulässt.» 

Abo Aktion schliessen
News aus der Region?

Alle Geschichten, alle Bilder

... für nur 12 Franken im Monat oder 132 Franken im Jahr.