15.05.2020

Im Super-Vau zum Schweizer Meister

Erwin Steingruber war früher selbst erfolgreicher Rennfahrer, später hat er den Bergsprint Walzenhausen – Lachen neu lanciert.

Von Gerhard Huber
aktualisiert am 03.11.2022
Motorsport Wer hätte gedacht, dass der stets freundliche, stets lächelnde Garagist Erwin Steingruber aus Walzenhausen, der immer umsichtig agierende und zuerst auf die Sicherheit achtende Präsident des Organisationskomitees des Bergsprints Walzenhausen einst ein wagemu­tiger und dreister Rennfahrer war? Dass Steingruber in ei­nem zerbrechlichen Super-Vau-Open-Wheel-Boliden drei Jahre in Folge den Titel eines Schweizer Meisters auf der Berg- und Rundstrecke gewann? Und danach in einem March Formel II einige Jahre das Feld aufmischte? «Ich war als Automech beim Eggenberger in Heerbrugg in die Lehre gegangen. Den Beruf hatte ich ausschliesslich deshalb gewählt, weil ich Autorennen fahren wollte. Mit meinen vier Geschwistern bin in als gebürtiger Urnäscher in Walzenhausen aufgewachsen. Da ich der Älteste war, durfte ich mit meinem Vater immer wieder zum Motocross gehen. Wo ich die leeren Flaschen sammelte, damit ich mit dem Pfand ein wenig Geld hatte. Ich kann mich gut erinnern, wie ich auch bei den Motorbootrennen in Fussach und Hard dabei war, wo 1966 sogar ein Weltmeisterschaftslauf ausgetragen wurde. Mit zwölf Jahren bin ich allein hingegangen. Die vielen Leute, das Brüllen der Motoren, die Geschwindigkeit, das war meine Welt. So bin ich mit meinem Töffli als Jugendlicher auch immer zum Bergrennen nach Hemberg ge­zuckelt.»Bei VW- und Audi-Eggenberger in Heerbrugg waren eigentlich schon drei Lehrstellen besetzt und keine offen. Doch Erwin Steingruber ist alleine dort zum Chef ins Büro gegangen und hat sich vorgestellt. Ohne Eltern. Aber mit der Empfehlung eines Berufsberaters, der attestiert hatte, der junge Mann sei gut. Also hatte Eggenberger danach vier Lehrlinge. «Ich wollte ja wie alle anderen zunächst Tourenwagen fahren und fragte nach der Lehre bei Eggenberger, ob er mir nicht einen Audi 50 für die Rennen habe. Er hatte aber kein Gehör dafür. Aber kurz darauf, ich war noch keine 20 Jahre alt, traf ich Louis Christen in seiner Stammbeiz in Wienacht. Er war damals schneller Formel-Vau- und Super-Vau-Fahrer, später über Jahrzehnte erfolgreicher Konstrukteur und Produzent von Seitenwagenmotorrädern für den Strassensport. Seine Seitenwagen gewannen etwa 20 Jahre lang immer die Weltmeisterschaft in der Herstellerwertung. Ich suchte damals einen Anhänger. Der ebenfalls anwesende Motocrosser und Autorennfahrer Kurt Kellenberger wusste, wo einer stand. An Ort und Stelle sah ich, dass auf dem Anhänger ein schwer demolierter Formel-Vau stand. Ich hab ihn sofort gekauft und auch sofort angefangen, an dem Auto herumzuflicken und zu basteln und an das gleichzeitig geänderte Reglement anzupassen.»Am Tag vor der Lizenzprüfung musste der werdende Rennfahrer natürlich sein selbst renoviertes Gefährt, das er zum Beispiel mit einer VW-Käfer-Vorderachse versah, auch noch einmal testen. Also mitten in der Nacht auf die Strasse und mit Vollgas nach Walzenhausen hinein und wieder zurück. Lange haben sie sich in Walzenhausen gefragt, woher zur dunkelsten Nachtstunde ein infernalischer Lärm kam, der die Fensterscheiben zittern liess.«Bei der Lizenzprüfung, die vom Berg-Europameister Xavier Perrot in Hockenheim abgenommen wurde, habe ich mich gleich einmal gedreht und bin in der dritten Runde in die Leitplanken gekracht. Ich habe dann alles gleich repariert und bin weitergefahren und erhielt letztlich eine super Bewertung. Mein erstes Rennen überhaupt mit dem Formel-Vau war dann auf dem Verkehrsübungsplatz in Hohenems, wo das Gerät einfach nicht gescheit einlenken wollte. Aber nach dem Einbau eines gebastelten Lenkhebels ist das Auto gelaufen wie die Sau. Das alles war 1975. Und schon 1976 konnte ich den Titel des schnellsten Nachwuchsfahrers erringen.»Steingruber hat von Anfang an Berg- und Rundstreckenren­nen bestritten. Vom heute noch bekannten Rennfahrer, Tuning- und Rennstallunternehmer Markus Hotz bekam er bald das Angebot, pro Rennen 1000 Franken aufzutreiben, er könnte dann als Werksfahrer antreten. Zur gleichen Zeit wollte der gelernte Mechaniker in Walzenhausen seine eigene Werkstatt aufbauen, und hat sich entschieden, sich vorerst um das Geschäft zu kümmern.«Aber schon 1977 hat es mich wieder gejuckt. Und zwar in der neuen Klasse für Formel-Super-Vau-Fahrzeuge mit wassergekühltem VW-Motor. Denn Fritz und Albert Eberle aus Romanshorn hatten zwei siegfähige, schöne und schon im Stehen schnell anzuschauende Wagen gebaut. Dazu habe ich zwei neue Golf-Heidegger-Motoren geliefert. Mit den FEE, der Kurzform von Fritz Eberle Eigenbau, gewann ich in Folge gleich dreimal die Schweizer Meisterschaft für Formel-Super-Vau, die in einer Kombination aus Bergrennen und Rundstrecke ausgetragen wurde. In Dijon war ich einmal einen Tag später zum Training in meiner Klasse angetreten, da durfte ich am Vormittag beim Practice der Gruppe C und Porsche mitfahren. In 15 Minuten Rennrunden habe ich dem nächstbesten Super-Vau über eine Minute abgenommen! Wurde aber nicht gewertet, sonst wäre ich in der vierten Saison nacheinander Meister geworden. Die beiden FEE-Renner, die gebaut wurden, gehören heute Fritz Sturzenegger aus Au, der sie immer wieder bei historischen Bergrennen ausführt. Aber ich habe die Rennerei immer nur als Hobby gemacht, musste nicht gewinnen, was mir dennoch oft gelang; ich hatte immer nur Plausch und Freude dabei.» Es folgte aufgrund einer Betriebserweiterung in seiner Garage, wo er lizenzierter VW- und Audi-Händler war, wieder ein Unterbruch seiner Rennkarriere. Bis 1985, denn damals brachte Rennwagenbauer, Fahrer und Teamchef Markus Hotz ein Chassis eines Formel-II-Renners von Ron Dennis aus England mit. Und Steingruber durfte in seiner Werkstatt einen von Mader getunten und gewarteten BMW-Motor einbauen. Im Kern war das jener Motor, der damals gleichzeitig in der Formel I mit Turboladern zu Leistungen bis zu 1500 PS aufgeblasen wurde. «Mit diesem Auto erreichte ich auch meinen wohl wichtigsten Tagessieg in Oberhallau 1990. Da war ich wirklich sackschnell. Der Fredi Amweg, damals immer der am besten vorbereitete Fahrer, hat nur noch gross geschaut, als ich ihm in jedem Lauf einige Zehntel oder Hundertstel abgenommen habe. ‹Jeder hat im Leben einige Tage, an denen es perfekt läuft›, habe ich noch zu ihm gesagt. Und einige Wochen später war es bei ihm genau das Gleiche. Mit meinem Super-Vau habe ich im ‹Sprint der Meister› am Hemberg sogar einmal die Formel-I-Legende Clay Regazzoni im Formel II geschlagen. Obwohl der Super-Vau nur vier Gänge und keine Differenzialsperre hatte. So war ich gezwungen, das Gerät in den Spitzkehren hinten herumzuwerfen und bin im Kurvenausgang immer schon geradegestanden, konnte früher Gas geben, was offensichtlich erfolgreich war.»Mitte der 90er-Jahre mottete Steingruber seinen March Formel II ein. Und holte ihn erst 2016 nach 23 Jahren wieder hervor. Um selbst am Bergsprint in Walzenhausen teilzunehmen. Er ist ohne Training einfach wieder ins Auto gesessen. Schon im zweiten Lauf durch die engen Kurven hinauf nach Lachen stimmte das Gefühl für das Auto wieder. Seine Kollegen triezten ihn jedenfalls, er habe wohl heimlich trainiert.Die Vorgeschichte zum Bergsprint ist lang. Um die Jahrtausendwende hatte Erwin Steingruber begonnen, sich diesem Projekt zu widmen. Seit Jahren musste man wegen der Rennsportfeindlichkeit der ersten grünen Bewegungen in den Neunzigern auf das traditionelle Bergrennen in Walzenhausen verzichten. Dennoch wollten der Verkehrsvereinspräsident sowie ein Führungsverantwortlicher des Hotels Walzenhausen diese Veranstaltung wieder aufleben lassen.«Wir hatten eine selektive Strecke nach Lachen hinauf. Ein grossartiges Panorama, viele interessante Kurven mit unterschiedlichen Radien. Bald hatten wir ein Projekt eingereicht, das aber von der Regierung abgeschmettert wurde. Man könne die Veranstaltung mit der Polizei nicht bewältigen. Die anderen Initianten sind dann ausgestiegen. Ich habe eine Umfrage bei der Bevölkerung gemacht, bei der sich 80 % für eine solche Veranstaltung ausgesprochen haben. Dann habe ich in Peter Hohl einen Unterstützer gefunden und wir haben samt einem Gemeinderatsmitglied beim Regierungsrat und Polizeichef vorgesprochen. Die beste und wichtigste Stunde in acht Jahren Vorbereitungszeit. Die Behördenleute habe ich eingeladen, mit zum Bergrennen nach Oberhallau zu kommen, um sich alles anzusehen. Gesagt, getan. Nach dem Blick hinter die Kulissen, Gesprächen mit den durchwegs friedfertigen und harmlosen Motorsportfans und den Taxifahrten mit richtigen Rennfahrern den Berg hinauf waren alle happy – und wollten den Event in Walzenhausen. Allerdings nicht als Rennen, da wurde uns 2006 die bereits für 2007 erteilte Bewilligung wieder weggenommen, sondern nur als Demofahrten von historischen Rennfahrzeugen. Als Walzenhausener Bergsprint. Kurz vor der ersten Austragung im August 2007 gab es eine Zeitungskampagne ge­gen mich. Doch die erste Veranstaltung war mit 8000 Zuschauern ein Riesenerfolg. Seither findet der Sprint alle drei Jahre statt. Und es gibt nur noch ganz vereinzelt Leute, die sich dagegen aussprechen. Aber ganz, ganz viele, denen wir grosse Freude bereiten.»Bei den vielen Rennen hatte Erwin Steingruber, der bis heute seine Autowerkstatt betreibt, nur zwei gröbere Unfälle mit Kaltverformung seiner Boliden. Zum Glück ohne Verletzung. Seine zwei Töchter und die vier Enkel danken es ihm, dass er nach eigenen Angaben immer vorsichtig zu Werke ging und sich nie über den Grenzbereich hinausbewegte.

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