09.08.2021

Im Notfall nach St. Gallen

Was tun bei einem Notfall mit Kind, wenn die Kinderarztpraxis geschlossen ist? Der Weg führt ins Kinderspital.

Von Hildegard Bickel
aktualisiert am 03.11.2022
Das Kind verletzt sich oder hat plötzlich hohes Fieber. Besorgte Eltern telefonieren der Kinderarztpraxis, doch der Zeitpunkt ist ausserhalb der Öffnungszeiten und es meldet sich der Anrufbeantworter. Wohin soll man sich wenden? «Wir nennen den Notfalldienst des Oberrheintals mit der allgemein gültigen Notfall-Telefonnummer und natürlich auch das Ostschweizer Kinderspital in St. Gallen mit der Nummer der Kinder-Notfall-Praxis sowie die Rettungsdienstnummer 144», sagt der Altstätter Kinderarzt Andreas Würmli.Die Definition eines Notfalls hat sich verändertWas scheinbar klar geregelt ist, können manche Eltern nur schwer nachvollziehen. Besonders, wenn es eilt. Sie erleben Frust, wenn das Tonband auf die Kinder-Notfall-Praxis in St. Gallen hinweist und ihr Kind nicht von einer Kinderarztvertretung im Rheintal behandelt werden kann. Andreas Würmli zeigt Verständnis. Andererseits müsse man sich vergegenwärtigen, dass viel mehr Menschen im Rheintal wohnen als früher. Ausserdem habe sich die Notfalldefinition massiv verändert: «Nur schon hohes Fieber kann für junge Eltern ein Notfall sein. Auch das kann ich verstehen. Aber insgesamt gibt es dadurch viel mehr Notfälle.»Nicht verwechseln mit FerienvertretungMit der Kinder-Notfall-Praxis (KNP) am Kinderspital in St. Gallen wurde vor zehn Jahren in Zusammenarbeit mit Kinderärzten der Region von Wil bis Altstätten und dem Ostschweizer Kinderspital ein Angebot geschaffen, das zentral organisiert ist. Behandelt werden Kinder mit leichtgradigen Erkrankungen, die nicht bis zur nächsten Sprechstunde ihres Kinder- oder Hausarztes warten können. Bei schwerwiegenderen Fällen profitieren Eltern und ihre Kinder von der Nähe zum Kinderspital.Die KNP bietet bei einem Anruf immer zuerst eine telefonische Beratung zur Dringlichkeit einer ärztlichen Behandlung an. Ist ein Untersuch nötig, erhalten Eltern einen Termin mit konkreter Uhrzeit, sodass es im Normalfall nicht zu langen Wartezeiten kommt. Nicht verwechselt werden darf die KNP mit einer Ferienvertretung. Solche Dienste sehen andere Zuständigkeiten vor. Manche Kinderärzte haben sich in ihrer Ferienabwesenheit mit Kollegen eine Art Vertretung organisiert, dies ist aber nicht allgemein üblich. Der beste Weg für die Eltern sei immer, den Anrufbeantworter des eigenen Kinderarztes abzuhören, heisst es in den Praxen. Dort werde auf die zuständige Stelle für Notfälle verwiesen.«Kinder sind keine kleinen Erwachsenen»Möglichst kurze Wege sind bei Notfällen ein entscheidendes Argument, trotz steigender Mobilität. Um nicht nach St. Gallen fahren zu müssen, wenden sich Eltern in manchen Fällen an ihre Hausärzte. Ob dies ratsam ist, kann Andreas Würmli nicht generell beantworten. «Als Grundsatz empfehle ich das Kinderspital umso mehr, je jünger das Kind ist. Insbesondere bis zu zwei Jahren.»Selber habe er während Jahren Notfalldienst für die Allgemeinheit im Oberrheintal übernommen. Es sei schwierig, Patienten zu beurteilen, mit denen man im Alltag, vor allem von der Altersgruppe her, nie zu tun habe. Besonders wenn Erwachsene auf Medikamente angewiesen seien, die Kinderärzte im Alltag nicht brauchen.Umgekehrt sei eine Beurteilung auch schwierig für Hausärzte, die selten Kleinkinder sehen. «Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Ihr Immunsystem hat ganz spezifische Gegebenheiten.» Aktuell gebe es in der Ärzteschaft immer mehr Diskussionen über die Organisation der Notfalldienste, sagt Andreas Würmli. Einer der Brennpunkte sei, ob Notfalldienste zentral zu leisten seien, wie etwa bei den Kinderärzten in der KNP, wogegen sich beispielsweise Hausärzte im Oberrheintal wehren. Bei Unfällen und absolut dringenden Notfällen bleibt schliesslich der Anruf bei der Ambulanz. Innert maximal 15 Minuten erreicht die Rettung St. Gallen 90 Prozent aller Notfälle, bei denen eine lebensbedrohliche Situation besteht oder vermutet wird.HinweisKinder-Notfall-Praxis am Kinderspital St. Gallen, Telefon: 0900 144 100 (kostenpflichtige Beratung zur Dringlichkeit einer Behandlung).

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